[12.04.2008/pk]
Seit Anfang des Jahres in vielen Bundesländern ein mehr oder weniger striktes Rauchverbot eingeführt wurde, treibt der Nikotinwahn mitunter seltsame Blüten. Nichts Neues sind die aggressiven Hetzkampagnen gegen Nichtraucher, und gegen jeden, der sich, seine Kinder oder seine Mitarbeiter nicht widerstandslos vollqualmen lässt. Aber einige militante Kampfraucher und selbst ernannte Tabak-Päpste stellen immer neue Rekorde auf, was die hemmungslose Selbstdarstellung und die Absurdität ihrer Ideen zur Aushebelung des Rauchverbots betrifft.
Die Rückzugsgefechte der verbliebenen Zigarettenaktivisten kennen jedoch nicht nur in ihrer Absurdität keine Grenzen. Deren Aktivitäten überschreiten immer häufiger die Grenzen des guten Geschmacks und des Anstands. Auch andere Werte werden im egomanischen Kampf um das uneingeschränkte Ausleben der eigenen Sucht zunehmend ignoriert. Zur Verteidigung der sprudelnden Geldquelle Tabakdroge ist so manchem Tabaklobbyisten inzwischen jedes Mittel Recht.
Jüngstes Beispiel ist der tragische Selbstmord des Balinger Wirts Uli Stegmaier, der nach Aussage seines Schwagers "manisch wurde, wenn es ums Rauchen ging". Sein Abschiedsbrief enthält "sieben bis acht Punkte, und alle handeln vom Rauchen". In reißerischen Artikeln ergötzten sich Tabak-Fetischisten an diesem Todesfall, um ihn als billige Propaganda gegen Rauchverbote und Gesundheitsvertreter zu missbrauchen. Der DEHOGA Baden-Württemberg spielte eifrig mit, wenn auch der Kenner der DEHOGA-Verbandspolitik darüber nicht sehr überrascht sein dürfte.
Nicht nur die Boulevard-Presse, auch militante Raucher-Vereine stürzten sich geradezu mit Wonne auf dieses Ereignis, sahen sie darin doch offensichtlich eine der wenigen Gelegenheiten, ein Exempel gegen das Rauchverbot zu konstruieren. So auch Jürgen Vollmer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Netzwerk Rauchen - Forces Germany e.V., in seinem Blog "Astrowetter". Auf einen Kritiker der gnadenlosen Ausschlachtung dieses Todesfalls stürzte sich der sonst so moralische Tabaklobbyist voller Eifer, um ihn mit gehässigen Tiraden über "Antirauchergeschwafel" und "Propaganda des neuen Faschismus" zu schmähen. Es handelt sich beim Netzwerk Rauchen - Forces Germany übrigens um das gleiche Truppe, die im Internet schmutzige Schmähkampagnen lancierte, als die Heidelberger Krebsforscherin Dr. Martina Pötschke-Langer das Bundesverdienstkreuz als Anerkennung für ihre Forschungsarbeiten über die Schädlichkeit des Rauchens und des Passivrauchens erhalten hatte.
Dass ausgerechnet Tabak-Mörder und deren Lobbyisten ihre Gegner eifrig als Nazis und Faschisten verunglimpfen hat Methode, zeugt aber auch vom mangelnden Feingefühl und fehlenden Geschichtsverständnis der Nikotindrogen-Profiteure. Bisweilen gehen diese Geschmacklosigkeiten sogar so weit, dass sich sogar die Staatsanwaltschaften damit auseinandersetzen müssen.
Großes Aufsehen erregte vor einigen Wochen eine besonders widerliche Aktion einer schleswig-holsteinischen Event-Agentur, die im Internet Raucher-Shirts mit gelbem Judenstern angeboten hatte. Die Agentur präsentierte die Hemden auf ihrer Webseite als "Protest gegen das Rauchverbot". Der geradezu hirnrissige Vergleich von Rauchern mit der systematischen Verfolgung und Vergasung von Millionen Juden rief verständlicherweise höchste Empörung hervor, bei jüdischen Mitbürgern ebenso wie in allen Bevölkerungsschichten.
Man muss sich diesen irrwitzigen Gedankengang einmal vor Augen halten: Raucher stellen sich mit den Opfern von Naziterror und Völkermord auf die gleiche Stufe, nur weil sie zum Rauchen vor die Tür gehen müssen um ihre Mitmenschen nicht zu schädigen. Das zeugt von einem Verlust jeglichen Realitätsbezugs, für den auch ein Nikotinrausch keine Entschuldigung darstellt. Der Fanatismus militanter Raucher nimmt ganz offensichtlich zu. Sie führen einen egomanischen Kampf zur Aufrechterhaltung der eigenen Sucht, und missbrauchen selbstsüchtig anerkannte Werte für ihre eigenen jämmerlichen Zwecke.
Diesen Tabaklobbyisten ist nichts heilig, sie machen nicht einmal vor dem Missbrauch der Religion halt, wenn sie glauben, damit die Nikotinsucht weiter fördern oder zumindest aufrecht erhalten zu können. So griff ein Gastwirt aus Schleswig-Holstein tief in die Trickkiste, um in seiner verqualmten Kneipe das gesetzliche Rauchverbot zu unterlaufen. Er gründete eine "christlich-jüdische Kirche", in der er nach eigenen Worten den Rauchern "Kirchenasyl" gewähren will. Die Bedeutung des Weihrauchs in der katholischen Kirche wird in Dirk Bruckners Kirche von der Zigarette übernommen. Der Beseitzer der Kneipe "Mausefalle" will in seiner "Religionsgemeinschaft" statt der "steifen Formen" und "Kniefälle" Gespräche bei Bier und Zigarette anbieten.
Fazit: die Begriffe Freiheit und Toleranz haben sich in der Raucherdiskussion inzwischen völlig abgenutzt. Selbst so mancher eingefleischte Hardcore-Raucher verzichtet inzwischen darauf, weil der damit betriebene Missbrauch selbst ihnen schon allzu plakativ erscheint. Ein echter Suchtraucher kann auch auf so manches verzichten, nur nicht auf seine Kippe. Vor allem uneinsichtige Qualmer betrachten die langsame Rückkehr zur Normalität (d.h. Vermeidung des Passivrauchzwangs) als Schikane, die es mit allen Mitteln zu sabotieren gilt. Von der zunehmenden Verrohung militanter Raucher sollten sich jedoch niemand unter Druck setzen lassen. Denn all diese Auswüchse sind nur einzelne Aktionen von Außenseitern, die sich in ihrem Drogenrausch selbst immer weiter ins Abseits manövrieren.