Bildhafte Warnhinweise sind wichtige Jugendschutzmaßnahme
WHO mahnt zügigere Umsetzung der Tabakonvention an
[03.09.2011/pk]
Bildhafte Warnhinweise könnten angeblich keinen einzigen Raucher zum Aufhören bewegen. Das behaupten zumindest einige Nikotinanbeter mit dem typischen Egoismus der Süchtigen. Und die Tabakindustrie führte eigene Studien durch, die diese Behauptung angeblich sogar beweisen sollen. Das Ganze ist jedoch ein für die Tabaklobby typisches Ablenkungsmanöver. Die Zigarettenhersteller picken sich ein für sie vorteilhaftes winziges Detail heraus, blasen die Diskussion darüber ins Unermessliche auf und verdrängen dadurch alle anderen Aspekte, die für die Einführung abschreckender Warnbilder sprechen.
Die Senkung der Raucherquote ist durchaus ein Ziel der bildhaften Warnhinweise auf Zigarettenpackungen. Allerdings nicht in dem Sinne, wie es viele Raucher offensichtlich verstehen, die trotzig und todesmutig auf ihrem Tabakdrogenkonsum beharren. Zwangsbeglückung und Selbstschutz der Raucher sind keineswegs die Ziele dieser Maßnahme.
Die Tabakindustrie wanzt sich an Jugendliche heran, um sie als Ersatz für die wegsterbenden Raucher einzufangen. Diese Strategie zur Gewinnung neuer Kunden beschrieb Tommie Sandefuhr, Geschäftsführer des Tabakkonzerns Brown & Williamson, Anfang der 90er Jahre mit den Worten "Wir müssen sie jung an den Haken kriegen und dann ein Leben lang". Vor allem an die Adresse der betroffenen Jugendlichen richten sich die bildhaften Warnhinweise. Es geht insbesondere darum, diese Hauptzielgruppe vor dem skrupellosen Geschäftsgebaren der Tabakdrogenindustrie zu schützen.
Die Jugend zu stärken, damit sie der Tabakindustrie die rote Karte zeigt, ist die einfachste und wirkungsvollste Methode zur langfristigen Senkung der Raucherquote. Erwachsene fallen deutlich seltener auf irreführende Versprechungen der Nikotindrogenindustrie herein, und lassen sich entsprechend seltener als Kunden anfixen.
Es ist einfacher "clean" zu bleiben, als den schweren Ausstieg aus der Sucht zu schaffen. Diese einfache Weisheit trifft auf alle Arten von Drogenabhängigkeit zu. Der Fokus muss also auf der Prävention liegen. Wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen (respektive der Tabakindustrie auf den Leim gegangen) ist, dann muss ihm natürlich geholfen werden. Viel wichtiger ist es aber, derartige Ausrutscher mit Langzeitfolgen nach Möglichkeit ganz zu vermeiden.
Die Tabakindustrie ist mit der Herstellung und dem Vertrieb der Tabakdrogen die Quelle des Übels. Sie zeigt ein erschreckendes Maß an Ignoranz gegenüber den Jugendschutzbestimmungen. Für viele Tabakdrogenhändler ist der eigene Umsatz wichtiger, als die gesetzlichen Bestimmungen. Wie Testkäufe in einigen Regionen ergaben, kommen Jugendliche trotz des gesetzlichen Abgabeverbots an Minderjährige immer noch viel zu leicht an Zigaretten. Auch deshalb müssen Jugendliche gestärkt werden, damit sie nicht zur leichten Beute für skrupellose Tabakdealer verkommen.
Bei den Warnbildern ist natürlich deren Wirksamkeit das entscheidende Kriterium. Es mag durchaus Fälle geben, in denen Schockbilder ihre Wirkung verfehlen. Der mangelnde Erfolg liegt aber in erster Linie an einer unpassenden Bildwahl, wie zu harmlose, aber auch völlig überzogene Darstellungen. Die Schlussfolgerung daraus kann jedoch nicht - wie von der Tabakdrogenindustrie gefordert - der Verzicht auf die Warnhinweise sein, sondern die Auswahl von wirkungsvolleren Bildern.
Bildhafte Warnhinweise können alleine das Problem sicher nicht lösen. Entsprechend dürfen sie nicht als isolierte Maßnahme angesehen werden, sondern als elementarer Bestandteil eines umfangreichen Maßnahmenpakets. Einen sinnvollen und hilfreichen Rahmen dafür gibt die WHO-Tabakkonvention vor, die bis auf wenige Ausnahmen von allen Staaten der Erde unterzeichnet wurde.
Die Umsetzung der Tabakkonvention ist nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO in vielen der Unterzeichnerstaaten völlig unzureichend. Die WHO mahnt in einem Bericht, der im Juli im British Medical Journal erschien, eine zügigere Umsetzung des völkerrechtlich bindenden Vertrags an. Insbesondere müssten die großflächigen bildhaften Warnhinweise auf Tabakverpackungen und wirkungsvolle Medienkampagnen umgesetzt werden. Beide Maßnahmen hätten sich als äußerst wirksam zur Reduzierung des Tabakkonsums erwiesen.
Die grafischen Warnhinweise gehören laut WHO-Bericht zu den sechs wirksamsten Methoden der Tabakkontrolle. Als weitere Maßnahmen werden die kontinuierliche Überwachung des Tabakkonsums, der Schutz vor Tabakrauch und Entwöhnungshilfen genannt. Vervollständigt wird das Paket der sinnvollsten Vorgehensweisen durch ein umfassendes Verbot von Tabakwerbung und Sponsoring, sowie höhere Steuern auf Tabakprodukte. Die Warnhinweise sollen, so der WHO-Bericht, die Aussagekraft der Verpackung verschieben: weg von der Markenwerbung und hin zur Gesundheitspflege. Potenzielle Raucher, Raucher und Exraucher sollen sich der Gesundheitsrisiken bewusst werden.
Bildhafte Warnhinweise befinden sich derzeit in Mexiko, Peru und den USA in der gesetzlichen Vorbereitung. Die strengsten Vorschriften gelten in Uruguay, wo die Warnbilder mindestens 80 Prozent der Packungsoberfläche einnehmen müssen. Mauritius und Mexiko schreiben 65 Prozent vor. Im Vergleich dazu sind die EU-Staaten recht nachlässig. Selbst in Großbritannien und Irland, wo die Tabakkontrolle im EU-Vergleich am weitesten fortgeschritten ist, begnügt sich der Gesetzgeber mit nur 35 Prozent Packungsabdeckung durch die bildhaften Warnhinweise.
Laut Tabakkonvention, die von mehr als 170 Staaten unterzeichnet und ratifiziert wurde, sollen die Warnhinweise die Hälfte der Packung abdecken, mindestens jedoch 30 Prozent. Mehr als die Hälfte der Vertragsstaaten, insbesondere auch Deutschland, schreiben jedoch überhaupt keine bildhaften Warnhinweise vor oder unterschreiten die Mindestabdeckung von 30 Prozent.
Der WHO-Bericht zitiert eine kanadische Studie, derzufolge sich 30 Prozent der Exraucher durch die Warnbilder zur Entwöhnung motivieren ließen. Für mehr als ein Viertel dieser Gruppe stellten die abschreckenden Bilder auch eine Hilfe dar, weiterhin abstinent zu bleiben. Kanada hatte die bildhaften Warnhinweise im Jahr 2001 eingeführt. Laut Studie stärken die Warnbilder auch das Bewusstsein der Raucher zum Schutz ihrer nichtrauchenden Mitmenschen. Sie rauchen zu Hause weniger und vermeiden es insbesondere, in Gegenwart von Kindern zu rauchen.
Eine US-amerikanische Studie der Susquehanna University, die sich mit der Wirkung der Warnhinweise auf Raucher auseinander gesetzt hatte, bringt als wichtigste flankierende Maßnahme die Einheitverpackung ins Spiel. Die Wirkung der kombinierten Maßnahmen auf den Tabakkonsum sei stärker als jede für sich alleine gesehen. Die beteiligten Forscher fanden heraus, dass Farbe und Markendarstellungen der Zigarettenpackungen den Irrglauben über verminderte Risiken bestimmter Marken begünstigten. Somit stellen Einheitsverpackungen mit großflächigen Informationsbildern eine sinnvolle Präventionsmaßnahme dar.
Die WHO unterstreicht die vorbildlichen Bemühungen Australiens zur Einführung der Einheitsverpackung für Tabakwaren, und hofft auf baldige Nachahmung durch die übrigen Vertragsstaaten. Scharfe Kritik übt die WHO an der aktuellen Bekämpfung dieser Maßnahmen durch die Tabakindustrie, die sich massiv in die Angelegenheiten Uruguays und Australiens einmischt. Diese beiden Staaten sind weltweit führend in Bezug auf die Umsetzung bildhafter Warnhinweise und der Einheitsverpackung. Ein Sprecher der WHO bezeichnete die aktuellen Prozesse der Tabakindustrie als "verzweifelte und hinterhältige Einschüchterungsversuche".
Fazit: Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Die Tabakindustrie ist sich der Wirksamkeit von bildhaften Warnhinweisen sehr wohl bewusst. Der Beweis dafür ist die verbissene Härte, mit der sie diesbezügliche Pläne weltweit bekämpft. Die Milliardenklage gegen Uruguay oder der Feldzug der Tabaklobby gegen die in den USA für 2012 geplante Einführung derartiger Warnhinweise zeigt, wie sinnvoll diese Maßnahme ist.