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Fotodokumentationen

BAT missbraucht Handelsabkommen zur Kontrolle über Mittelamerika

Wissenschaftler decken Willkürherrschaft der Tabakindustrie auf

[08.10.2011/pk] Englische Wissenschaftler haben anhand von Tabakindustriedokumenten die Lobbyarbeit von British American Tobacco (BAT) in Mittelamerika untersucht. Eine zentrale Rolle spielen hier Steuern und Zölle im Zuge der Handelsliberalisierung. Die Forscher analysierten, wie der Tabakkonzern internationale Handelsabkommen missbrauchte und gleichzeitig deren Ziele durchkreuzte, um die mittelamerikanischen Staaten unter Druck zu setzen und egoistische Geschäftsinteressen durchzuboxen.

Den Untersuchungen zu Folge gelang es dem Tabakonzern, für die eigenen Fertigungsstätten erhebliche Vorteile gegenüber Wettbewerbern wie Philip Morris und JTI herauszuschinden. Das erscheint zunächst als normale Geschäftspolitik und nicht besonders bemerkenswert. Weniger harmlos sieht das Ganze aus, wenn man die zweifelhaften Methoden der BAT zur Erreichung der Geschäftsziele eingehender betrachtet.

Die mittelamerikanischen Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama hatten in den frühen 1990er Jahren die alte Idee eines gemeinsamen zentralamerikanischen Markts wiederbelebt. Nach Krisen und Bürgerkriegen in den beiden vorhergegangenen Jahrzehnten sollte dieser gemeinsame Markt (CACM, Central American Common Market) in Zusammenhang mit dem Zentralamerikanischen Integrationssystem (SICA) sowohl politischen Zielen wie Frieden, Freiheit, Demokratie, Entwicklung und Schutz der Menschenrechte als auch wirtschaftlichen Interessen durch die Schaffung eines Binnenmarkts dienen.

British American Tobacco unterhielt zu diesem Zeitpunkt in den genannten Staaten bereits eigene Produktionsstätten. Der Tabakkonzern dominierte den Markt als Inlandsproduzent, in Honduras und Nicaragua sogar als Monopolist. Nach dem Bericht der britischen Forscher gelang es British American Tobacco durch enge Kontakte zu den Regierungen dieser Staaten, extrem hohe Zölle auf den Import von Tabakwaren durchzusetzen. Durch diese Schutzzölle, die deutlich höher als im CACM-Handelsabkommen vereinbart ausfielen, konnte BAT die im Ausland produzierenden Konkurrenten ausbremsen.

Eine solch weitreichende Kontrolle über die Fiskalpolitik der CACM-Staaten erlangte BAT durch eine konzertierte Aktion seiner Landesgesellschaften unter Leitung der Konzernzentrale, wie die Forscher weiter feststellten. Die nationalen Tochtergesellschaften mussten die Kontakte zu ranghohen Regierungsangehörigen herstellen und einen stetigen Informationsfluss gewährleisten. Die Zentrale machte Druck auf die Töchter, wenn diese zu wenige oder zu ungenaue Informationen lieferten. Kontrolliert und unter Druck gesetzt wurden die Landesgesellschaften auch hinsichtlich der Qualität ihrer Lobbykontakte, sie mussten intensive Beziehungen zu höchsten Kreisen vorweisen.

Die Muttergesellschaft koordinierte einheitliche Aktionen der Ländergesellschaften und stimmte deren Timing ab. Mit den bekannten Argumenten Arbeitsplatzverlust, Steuerausfall und Zolleinnahmen setzten die BAT-Lobbyisten nicht nur das Sekretariat der CACM-Binnenmarktorganisation unter Druck, sondern auch Präsidenten, Minister, Beamte, Parlamentarier und Interessenverbände in den betreffenden Staaten. Die Politik dieser souveränen Staaten wurde zum Spielball der Interessen eines Tabakmultis degradiert.

Gemäß den Vorgaben der Konzernzentrale drohten die Lobbyisten mit Arbeitsplatzverlust durch niedrige Weltmarktpreise und niedrige Zölle, die eine inländische Produktion angeblich völlig unwirtschaftlich machen würden. Das Schreckensszenario wurde detailliert ausgearbeitet: die Folgen wären Währungsabflüsse, Einbrüche bei Steuereinnahmen und Arbeitsplatzverluste. Von letzteren wären nicht nur die Produktionsstätten des Tabakdrogenherstellers betroffen, sondern auch Tabakanbauer, Zulieferer und Service-Betriebe.

In Folge des massiven Drucks der BAT-Lobby wurden hohe Schutzzölle für fertige Tabakerzeugnisse eingeführt, die mit BAT-Produkten in Konkurrenz standen. Obwohl nach dem Handelsabkommen die Einfuhrzölle auf pauschal 20 Prozent gesenkt werden sollten, setzte British American Tobacco weitaus höhere Sätze für Importzigaretten durch. Nach anfänglich unterschiedlichen Tarifen in den einzelnen Staaten gilt seit 1996 der einheitliche Satz von 55 Prozent - fast das Dreifache des im CACM-Abkommens festgelegten Werts.

Dieser Protektionismus unter dem BAT-Diktat stellte jedoch nicht den einzigen Akt der willkürlichen Aushebelung des Handelsabkommens der mittelamerikanischen Staaten dar. Für selbst benötigte Rohprodukte erzwang der Tabakkonzern größtmögliche Freizügigkeit. Filter, Zigarettenpapier, Geschmackszusätze und Verpackungen durften nach dem Willen von British American Tobacco nur mit einem extrem niedrigen Einfuhrzoll von fünf Prozent besteuert werden. Die Begriffe von Protektionismus und Freihandel wurden von dem Tabakkonzern nach eigenem Gutdünken ausgespielt. Oberste Maxime waren dabei die Interessen des Tabakkonzerns, der je nach Bedarf eine dieser beiden widersprüchlichen Vorgehensweisen propagierte und durchboxte. Die eigentlichen Ziele des Handelsabkommens mussten sich den BAT-Interessen unterordnen oder sogar zu deren Gunsten weichen.

Die britischen Wissenschaftler konnten in ihrer Analyse der BAT-Strategie aufzeigen, wie der Tabakkonzern auch die Steuerharmonisierung der CACM-Staaten zum eigenen Spielball degradierte. Hier bremste BAT die Staaten aus, um Zeit zur Durchsetzung der eigenen Steuerpolitik zu gewinnen. Die Höhe der Steuern war dem Tabakmulti dabei relativ gleichgültig, sofern nur möglichst geringe oder am besten gar keine Unterschiede existierten.

Besonderen Wert legte British American Tobacco auf ein kleines aber wichtiges steuerliches Detail, wie die englischen Forscher aus den Dokumenten der Legacy Tobacco Documents Library ermitteln konnten. Statt auf den Fabrikpreis sollte die Steuer im gesamten Binnenmarkt prozentual auf den Einzelhandelspreis der Zigaretten aufgeschlagen werden. BAT verschaffte sich hierdurch als Inlandsproduzent einen Wettbewerbsvorteil. Bei Importzigaretten tragen höhere Transportkosten einen größeren Anteil zum Einzelhandelsverkaufspreis bei, so dass die BAT-Regelung den Gesamtpreis für ausländische Tabakwaren verteuerte.

Die Willkürherrschaft des Tabakgiganten machte auch vor dem Arbeitsmarkt der CACM-Staaten nicht halt. Angeblich wollte BAT mit den Schutzzöllen für ausländische Tabakerzeugnisse die heimischen Arbeitsplätze sichern. Sobald der Binnenmarkt jedoch etabliert war, schloss der Konzern die meisten seiner Werke und setzte Hunderte von Arbeitskräften auf die Straße. Denn nun konnte der Konzern seine Produktion dank des Binnenmarkts zentralisieren und rationalisieren. Mit einem oder zwei Produktionsstandorten konnte British American Tobacco den gesamten CACM-Markt abdecken, da der zwischenstaatliche Handel nicht mehr durch Zölle und Steuern erschwert wurde.

Auf den ersten Blick erscheint diese Vorgehensweise als normale Geschäftspolitik für einen Binnenmarkt. Laut den Autoren der britischen Studie hat der Tabakkonzern dabei jedoch ein heuchlerisches Doppelspiel betrieben. Demzufolge hat British American Tobacco seine Interessen mit dem Schutz von Arbeitplätzen beworben, während gleichzeitig Werkschließungen und Stellenstreichungen geplant wurden.

Der Tabakmulti hat den Politikern seine Ziele also unter Vorspiegelung falscher Tatsachen aufgedrängt. Das Bekanntwerden der wirklichen Pläne hätte zu Protesten und Streiks, Unruhen unter den Arbeitern hätten zu einem Wiedererstarken der Gewerkschaften führen können. Die englischen Wissenschaftler konnten anhand der Tabakindustriedokumente nachweisen, dass BAT seine Pläne deshalb nicht nur sorgfältig geheim hielt, sondern auch akribische Krisenreaktionspläne wegen der "politischen Implikationen" seiner Rationalisierungsbestrebungen vorbereitete.

Salopp ausgedrückt hat BAT also den Teufel in Form von Bedrohungen von Außen an die Wand gemalt, um selbst eine wettbewerbsfeindliche Sonderbehandlung für seine Produkte zu erreichen und letztendlich ungestört von innen heraus agieren zu können.

Laut den Autoren der Studie hat sich British American Tobacco "in keiner Weise" als grundsätzlicher Befürworter der Freihandelsidee gezeigt. Der Tabakmulti hat diese Idee vielmehr für egoistische Zwecke instrumentalisiert, und in einigen Punkten auch sabotiert, wenn es den eigenen Zielen dienlich war. BAT musste sich durch seine Präsenz in den CACM-Staaten nicht um den Marktzugang sorgen, so dass die Abschottung des Tabakmarktes (ebenfalls ein klarer Widerspruch zur Idee des freien Handels) den Konkurrenten schadete und dem eigenen Geschäft nützte. Den Wissenschaftlern zu Folge war hierfür vor allem die Rivalität mit Philip Morris ausschlaggebend, dem einzigen durch seine regionale Präsenz gefährlichen Konkurrenten.

Politiker, die zwischenstaatliche regionale Wirtschaftsabkommen anstreben, sollten also "aufmerksam die politischen Interventionen der Konzerne beobachten", wie die britischen Wissenschaftler anmahnen. Das Eigeninteresse der Konzerne könne durch Einflussnahme auf die Verhandlungen ungeahnte Auswirkungen entfalten, die nicht im Interesse der Mitgliedstaaten stünden. Diese können sich bis in die Gesundheitspolitik hinein erstrecken, und sogar die Umsetzung der WHO-Tabakkonvention behindern. Zur Durchsetzung eines wirksamen Gesundheitsschutzes sei es demnach unumgänglich, "sich mit den regionalen Strategien der Tabakunternehmen auseinandersetzen, mit denen sich diese Steuer-, Zoll- und sonstige Wettbewerbsvorteile verschafften, und dazu Gegenstrategien entwickeln".

BAT-Konkurrent Philip Morris zeigt aktuell mit seiner Klage gegen Uruguay, wie sich Gesundheitspolitik wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen hat.


Quellen und weitere Informationen

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Peinliche Werbung mit Philip-Morris-Forschungspreis bitte entfernen
Philip-Morris-Forschungspreis existiert nicht mehr
Aufforderung zur Ablehnung von Ehrungen und Preisen der Tabakindustrie
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