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Fotodokumentationen

Zoll hilft bei gezielter Verdrängung von Millionen Tabaktoten

Wer profitiert von der Panikmache um den Zigarettenschmuggel?

[27.08.2011/pk] Im Zusammenhang mit Diskussionen um Tabaksteuererhöhungen versuchen düstere Warnungen des Zolls und der BDZ (Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft) immer wieder, die Stimmung gegen diese Maßnahme anzuheizen. Schlagzeilen wie "Tabaksteuererhöhung - Zollgewerkschaft befürchtet Schmuggelboom", "Zollgewerkschaft: Höhere Tabaksteuer erhöht Kriminalität" oder "Zoll: Höhere Tabaksteuer ein Irrweg - Schwarzmarkt statt Steuerplus" erwecken den Eindruck, als würde man sich beim Zoll wirklich Sorgen um Deutschland machen.

Bei eingehender Recherche drängt sich jedoch der Verdacht auf, die Behörden ließen sich von der Tabakindustrie instrumentalisieren. Wortwahl und Argumentation lesen sich wie alte Bekannte aus der Feder der Zigarettenhersteller - nur werden jetzt angeblich unabhängige Organisationen als Sprachrohr der Nikotindrogenindustrie vorgeschoben. Der Zoll und seine Gewerkschaft dienen als Marionetten zur öffentlichen Präsentation der Interessen der Tabakdrogenhersteller. Diese bleiben ungenannt im Hintergrund, um die Glaubwürdigkeit der verbreiteten Meldungen zu erhöhen.

Der Zoll hat seine Unabhängigkeit verloren, es zeichnen sich eine ganze Reihe eindeutiger Interessenkonflikte ab. Die Behörde lässt sich von Philip Morris "unterstützen" und pflegt eine "enge Zusammenarbeit" mit dem Zigarettenhersteller. Diese "Unterstützung" ist sowohl finanzieller als auch materieller Natur. Wie die Organisation Corporate Accountability International kritisiert, erhält der Tabakkonzern dadurch jedoch auch Zugang zu internen und vertraulichen Informationen des Zolls. Geht hier wirklich noch alles mit rechten Dingen zu?

Die Warnungen des Zolls und der Zollgewerkschaft vor einer Verteuerung von Tabakwaren sind recht einseitig und unreflektiert. Trotz aller Warnungen, die dem Zoll von der Tabakindustrie in den Mund gelegt werden, schlagen die Kippenproduzenten selbst noch mehr obendrauf. Während die Tabakdrogenproduzenten dem Finanzministerium also eine Förderung illegaler Aktivitäten (des Schmuggels) durch Steuererhöhungen vorwerfen, heizen sie selbst das Problem ohne Bedenken noch an. Der Zoll plappert die vorgekaute Botschaft einfach nach, ohne die Tabakindustrie für ihren Vorschub der organisierten Kriminalität zu kritisieren. Sieht so Glaubwürdigkeit aus? Unterdrückt der Zoll etwa gezielt Meldungen, die den Freunden und Gönnern von der Tabakindustrie schaden oder unangenehm sein könnten?

Die "Zusammenarbeit" von Philip Morris mit dem Zoll resultiert aus einem Vergleich des Tabakkonzerns mit der Europäischen Kommission, der das Resultat jahrelanger Prozesse wegen Zigarettenschmuggels darstellt. Vordergründig ist bei der Vereinbarung zwischen Philip Morris und der EU alles darauf ausgelegt, den Anschein von Rechtmäßigkeit zu wahren. Kritiker bemängeln jedoch, Philip Morris hätte sich einfach freigekauft, und nebenbei noch einen cleveren Deal gemacht, um sich beim Zoll durch die Hintertür einzuschmuggeln. Das zuvor erwähnte Beispiel der Warnungen vor Tabaksteuererhöhung untermauert diese Kritik.

Die Beeinflussung der Medienberichterstattung ist jedoch nicht der einzige fragwürdige Vorteil, den Philip Morris offensichtlich aus seiner Vereinbarung erzielt. Der Konzern profitiert auch davon, dass alle "bestehenden Streitigkeiten über das Thema Zigarettenschmuggel" mit der EU beigelegt werden, und der Tabakonzern damit über mehr als ein Jahrzehnt hinweg vor derartigen Auseinandersetzungen geschützt wird. Und mit dem Schutz der Tabakindustrie wird auch der Nikotindrogenkonsum gefördert.

Diese Vereinbarung verpflichtet Philip Morris zwar zur Zahlung einer auf den ersten Blick beachtlichen Summe. Letztendlich stellt dies für den Tabakmulti jedoch nur Vordergründig eine Strafe dar. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich diese Zahlung als eine lohnenswerte Investition. Wenn der Tabakdrogenproduzent keinen Vorteil und keine klare Veranlassung dazu gehabt hätte, dann hätte er sich ohnehin wohl kaum zu dieser "freiwilligen Zahlung" bereit erklärt.

Betrachtet man die gigantischen Gewinne des Philip-Morris-Konzerns aus seinem Tabakdrogengeschäft, dann stellt die gezahlte Summe auf die Laufzeit von zwölf Jahren umgerechnet nicht mehr als eine Lappalie dar, die aus der Portokasse bezahlbar ist. Zudem erlaubt es dieser Vergleich dem Nikotindrogenhersteller, das Gesicht zu wahren, indem er eine rechtskräftige Verurteilung verhinderte. Damit stellt die vereinbarte Zahlung eine Investition in die Imagepflege des Nikotindrogenherstellers dar.

Für die Imagepflege schlachtet der Nikotindrogenhersteller auch die einzelnen Aktionen im Rahmen dieser Vereinbarung aus. Wenn Philip Morris einen Spürhund an den Zoll übergibt, dann präsentiert sich der Tabakkonzern als angeblich verantwortungsvoller Freund und Helfer der Behörden. Er inszeniert sich medienwirksam - wenn auch völlig unzutreffenderweise - als Wohltäter. Philip Morris ist Weltmarktführer bei Tabakdrogen, die jedes Jahr Millionen Menschenleben fordern. Von dieser schockierenden Tatsache soll die Selbstinszenierung als Wohltäter ablenken.

In diesem Zusammenhang ist auch die Philip-Morris-Kampagne "Schwarzrauchen - eine miese Nummer" zu sehen. Warnungen vor angeblich gefährlicheren Schmuggelzigaretten lenken von den wirklichen Gefahren des Rauchens und der Gefährlichkeit der von der Tabakindustrie eingesetzten Zusatzstoffe ab.

Die Argumentation der Konzerns steht dabei auf tönernen Füßen. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich berechtigte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der schwarzmalerischen "Informationsbroschüre" zum Schwarzrauchen. Als Quelle für die angeführten Zahlen wird unter anderem die "Wirtschaftswoche" genannt. Die Medien erhalten ihre Informationen zum Schmuggel meist vom Zoll. Und der Zoll arbeitet mit Philip Morris zusammen. Diese Zusammenhänge werden jedoch aus der "Informationsbroschüre" nicht unmittelbar ersichtlich, was sehr wohl beabsichtigt sein dürfte.

Bevor Philip Morris dem Zoll geholfen hat, wurden noch massenweise (teilweise Millionen Packungen) von legalen Zigaretten nach Westeuropa geschmuggelt. Wobei niemand sich so recht erklären konnte, wie die Schmuggler an derartige Mengen "legaler" Zigaretten kommen konnten, ohne dass die Tabakfirmen etwas davon gewusst hätten. Inzwischen ist fast nur noch davon die Rede, dass angeblich "illegal hergestellte" Fälschungen geschmuggelt werden. Zufall?

Wie aus einer Plenardebatte des Europäischen Parlaments ersichtlich wird, ist die Unterscheidung zwischen echten und gefälschten Schmuggelzigaretten "außerordentlich schwierig", weshalb diese oft in den Beschlagnahmemeldungen der Mitgliedstaaten nicht stattfindet. Dennoch ist in den Pressemitteilungen des Zolls kategorisch von gefälschten Schmuggelzigaretten die Rede - ganz im Sinne der Tabakindustrie.

Bekommt die Tabakindustrie durch ihre Kooperation mit dem Zoll nun die "vertraulichen" Hinweise auf Fahnungsaktionen, so dass sie nun bei möglichen illegalen Geschäftchen vorgewarnt ist? Oder behauptet die Zigarettenindustrie nun einfach kategorisch, dass alle auffliegenden Schmuggelzigaretten gefälscht sind, um selbst aus der Schusslinie zu kommen? Oder liefert die Zigarettenindustrie dem Zoll gezielt unliebsame Banden ans Messer, um somit aus der Schusslinie zu kommen und parallel zu Großeinsätzen des Zolls ihre eigenen Geschäftchen machen zu können? Werden konfiszierte Schmuggelzigaretten wirklich ordnungsgemäß vernichtet?

Es muss an dieser Stelle klar darauf hingewiesen werden, dass keinerlei Beweise für entsprechende illegale Aktivitäten des Philip-Morris-Konzerns vorliegen. Es ist aber umgekehrt auf Grund des bestehenden Interessenskonflikts auch nicht möglich, derartige Manipulationen mit einer gewissen Sicherheit auszuschließen. Und selbst wenn der Tabakwarenhersteller offiziell sauber ist, wer kann schon garantierten, dass nicht einzelne Mitarbeiter des Zolls und des Tabakkonzerns die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen? Frei nach der Devise "Gelegenheit macht Diebe".

Man muss sich noch einmal vor Augen rufen, dass Philip Morris sich mit seinen diversen Leistungen an den Zoll vom Vorwurf der Beteiligung an illegalem Zigarettenschmuggel quasi freigekauft hat. Es mutet in diesem Zusammenhang schon sehr merkwürdig an, dass ausgerechnet diesem Tabakkonzern nun besondere Gelegenheit zur "Zusammenarbeit mit dem Zoll" geboten wurde. Man bietet doch einem Steuerhinterzieher auch keine Mitarbeit im Finanzamt mit Akteneinsicht oder gemeinsamen Presseerklärungen an...? Dem Missbrauch wird durch diese "Zusammenarbeit" Tür und Tor geöffnet. Die Zollbehörden verlieren jegliche Glaubwürdigkeit und Integrität.

Der deutsche Zoll bringt sich selbst noch weiter durch seine Verheimlichung der Beziehungen zu Philip Morris ins Zwielicht. Auf den Internet-Seiten der Behörde sucht man vergebens nach Hinweisen auf die "Zusammenarbeit" mit dem Tabakkonzern oder Zuwendungen jeglicher Art. Es findet sich nur ein kurzer Hinweis auf die Einigung von Philip Morris mit der EU. Die Begünstigung des Zolls und seine Rolle im Rahmen dieser Vereinbarung wird völlig verschwiegen. Das sieht schon sehr nach Vertuschung aus, um unliebsame Fragen oder Nachforschungen gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Die Glaubwürdigkeit wird auch durch einen weiteren Aspekt der Vereinbarung zwischen Philip Morris und der EU nicht gerade erhöht. Der Tabakkonzern hat sich zu zusätzlichen Zahlungen verpflichtet, "falls in Zukunft in der Europäischen Gemeinschaft mehr echte PMI-Erzeugnisse als die festgelegten Höchstmengen beschlagnahmt werden". Wird dadurch wirklich der Schmuggel echter Philip-Morris-Zigaretten verhindert, wie naive EU-Politiker offensichtlich glauben? Oder wird nicht statt dessen der Tabakkonzern besonders motiviert, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, diese Quote auf jeden Fall zu unterschreiten?

Die EU-Kommission stellt diese "erste größere gemeinsame Initiative zur Überwachung und Rückverfolgung von Erzeugnissen" als Maßnahme "im Einklang mit den Schmuggelbekämpfungsbestimmungen der Rahmenkonvention der WHO über die Eindämmung des Tabakkonsums" dar. Diese Behauptung ist jedoch nicht zutreffend, denn laut WHO-Konvention darf sich weder die Tabakindustrie in Aktivitäten der Tabakkontrolle einmischen, noch darf sich die Politik dabei von der Tabaklobby helfen lassen. Zur Erinnerung: auch die EU hat die WHO-Konvention unterzeichnet, nicht nur die einzelnen Mitgliedsstaaten. Damit verletzt die Vereinbarung mit Philip Morris einen völkerrechtlichen Vertrag.

Dubios stellt sich in dieser Angelegenheit auch die Rolle der europäische Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF dar. OLAF kämpft an der Seite der Tabakindustrie gegen den gemeinsamen Feind, den Schmuggel. Der Schaden, der dem Verbraucher und der Gesellschaft durch den Tabakkonzern und dessen Geschäftstätigkeit entsteht, wird von der Betrugsbekämpfungsbehörde jedoch völlig ausgeblendet. Da Philip Morris jetzt ein Partner ist, wird der Betrug des Verbrauchers um Gesundheit und Leben, sowie die astronomischen wirtschaftlichen Schäden von der Betrugsbekämpfungsbehörde ganz automatisch ignoriert.

Laut Wirtschaftswoche äußerte der OLAF-Ermittler Austin Rowan, "die EU-Abkommen mit PMI, JTI und BAT helfen, den Schmuggel mit regulär produzierten Markenzigaretten einzudämmen". Ein Beweis für diese Behauptung wurde bislang nicht erbracht. Rowan weiter: "Dadurch können wir uns auf die Cheap White Brands konzentrieren." Was die Vermutung hinsichtlich des Nutzens der Vereinbarung bestätigt: die großen Tabakdrogenproduzenten wollen sich durch ihre Freundschaft mit dem Zoll in allererster Linie selbst aus der Schusslinie bringen.

Philip Morris lässt sich in der Vereinbarung mit der EU sogar noch als Tugendbold der Nikotindrogenindustrie feiern: "Die Vereinbarung sollte daher anderen Zigarettenherstellern als Vorbild dienen." Ein Konzern wird absurderweise als Musterknabe dargestellt, während seine Produkte jeden Tag unzählige Menschen das Leben kosten, von Krankeit, Leid und den gigantischen Folgekosten der Tabakdroge ganz zu schweigen.

Das Problem des Zigarettenschmuggels sind nicht etwa die kolportierten Arbeitsplatzverluste oder Tabaksteuerausfälle, vor denen die Tabaklobby mit missionarischem Eifer warnt. Das Problem sind die Zigaretten selbst, die Millionen Menschenleben kosten und Milliardenschäden für die Volkswirtschaft verursachen. Verursacher dieses Problems ist die Tabakindustrie, die sich - im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der WHO-Tabakkonvention - in staatliche Aufgaben einmischt. Wer die Tabakindustrie als staatlichen Gehilfen einsetzt, macht den Bock zum Gärtner.

Die Vereinbarung zwischen Philip Morris und der EU ist ein Ablenkungsmanöver, das die wahren Probleme verdrängt. Es wird viel Zeit, Energie und Geld - das nur zum geringsten Teil aus der Vereinbarung mit dem Tabakmulti stammt - verschwendet, um den Zigarettenschmuggel und daraus resultierende Tabaksteuerverluste zu diskutieren und zu bekämpfen. Während sich die Abgeordneten des EU-Parlaments selbst zu der angeblich so geglückten und erfolgreichen Partnerschaft mit Philip Morris loben und beglückwünschen, sterben in der EU weiterhin täglich mehr als 1.000 Menschen durch den Tabakkonsum.

Wie sehr der Kampf der Bundesregierung und der EU gegen den Tabakschmuggel eine Alibifunktion besitzt, zeigt ein Vergleich mit Singapur. Wer dort Zigaretten ohne offiziellen Zoll-Stempel raucht, muss mit umgerechnet 250 Euro Bußgeld je Packung rechnen. In Deutschland dagegen müssen illegale Raucher nicht die geringsten Konsequenzen befürchten. Die Tabakindustrie ist sich ihres Einflusses auf Politik und Behörden offensichtlich so sicher, dass sie sogar die Unverfrorenheit besitzt, die Verstöße von gesetzesbrecherischen Rauchern als Druckmittel gegen unliebsame Gesetzesvorhaben anzuführen.


Quellen und weitere Informationen

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Philip-Morris-Forschungspreis existiert nicht mehr
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