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Fotodokumentationen

Zigarettenschmuggel als Waffe gegen die Tabaksteuer

Tabaklobby präsentiert überhöhte Schmuggelstatistik

[30.01.2010/pk] Am 25. Januar präsentierte das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) eine Studie unter dem reißerischen Titel "Mindestens 4 Milliarden Euro Steuerschaden durch den Konsum von nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten". Bemerkenswert an der Pressemeldung des HWWI ist die Tatsache, dass jede erdenkliche Möglichkeit genutzt wird, die Lösung des Problems aus Sicht der Tabakindustrie zu suggerieren: Senkung der Tabaksteuer.

Die Studie ist die Weiterführung einer Studie, die bereits im Jahr 2005 vom TÜV im Auftrag des Verbandes der deutschen Cigarettenindustrie (VdC) initiiert, und anschließend vom dessen Nachfolger, dem Deutschen Zigarettenverband, weitergeführt wurde. Damals war sowohl die plumpe Vorgehensweise öffentlich kritisiert worden, als auch die fehlende Veröffentlichung der Studienergebnisse. Diese Probleme sollte nun offensichtlich ein professionelleres Institut lösen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: das Ergebnis ist auch aus der Feder eines anderen vorgeschobenen Instituts nicht glaubwürdiger und trägt deutlich die Handschrift des Auftraggebers, dem Deutschen Zigarettenverband. Die Berichterstattung des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) in seiner Pressemitteilung zur Vorstellung des Studienergebnisses zeigt klar dessen fehlende Objektivität. Es fällt auf, dass die aus Sicht der Tabakindustrie erwünschten Ergebnisse bereits als Fakten dargestellt werden, ohne entsprechende Nachweise dafür zu erbringen.

So schreibt das HWWI: "Das Ergebnis einer ersten Studie zeigt, dass die Auswahl der Verwertungsstellen des Dualen Systems und die Hochrechnung zu einer unverzerrten Stichprobe führen." Salopp formuliert bedeutet diese Ausage "das Ergebnis stimmt mit den Erwartungen überein, also muss es richtig sein".

Etwas weniger bildhaft, aber dafür nach anerkannten wissenschaftlichen Kriterien, erläutert Prof. Dr. Michael Adams vom Institut für Recht der Wirtschaft (Universität Hamburg) die Mängel an der Erhebungsmethode der Studie: "Die Studie ist [jedoch] mit schweren methodischen Problemen behaftet, die zu einer Überschätzung der Zahl der nicht in Deutschland versteuerten Zigaretten führen."

Professor Adams führt aus, dass die Auswahl der 22 Sammelstellen in der aktuellen Entsorgungsstudie "aus schwerwiegenden Gründen nicht repräsentativ" sei und kritisiert: "Die Sammelstellen scheinen vorsätzlich danach ausgesucht worden zu sein, eine möglichst große Zahl nicht in Deutschland versteuerter Zigaretten auszumachen."

Folgende Kritikpunkte stehen nach Adams einer repräsentativen Erhebung entgegen:
  • Viele Sammelstellen liegen in Grenznähe zu Ländern, in denen Zigaretten wesentlich billiger sind, etwa Tschechien, Polen, Luxemburg und Österreich. Binnenbundesländer wie Hessen, Thüringen und Sachsen- Anhalt sind nicht berücksichtigt worden.
  • Ein weiterer Anteil der Sammelstellen liegt in unmittelbarer Nähe der Bundesautobahnen A2 und A12, die dem deutschen Zoll als so genannte "Warschauer Allee" bekannt ist und eine der wesentlichen Schmuggelrouten nach und durch Deutschland darstellt. Die Autobahnen sind zudem wichtige Transitstrecken mit einem relativ hohen Anteil ausländischer Verkehrsteilnehmer.
  • Eine weitere Konzentration der Erhebung findet sich in den Regionen Südpfalz, Karlsruhe und Stuttgart, in denen das US-Militär die in Europa größten noch vorhandenen Armeestützpunkte unterhält (Ramstein, Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen, Stuttgart). US-Soldaten und ihre Angehörigen kaufen ihre Zigaretten in so genannten PX-Shops, ohne der deutschen Steuer zu unterliegen. Hier liegt das Preisgefälle für eine Stange Marlboro bei etwa 20 Euro.
  • Hamburg und Rostock sind durch ihre Häfen Konzentrationspunkte von Schmuggelaktivitäten. Rostock ist zudem als Einfalltor für die in Kaliningrad hergestellte und häufig illegal nach Deutschland verbrachte Zigarettenmarke "Jin Ling" bekannt.
Das HWWI schreibt in seiner Pressemitteilung weiter: "Ein wichtiger Grund für den Konsum nicht in Deutschland versteuerter Zigaretten ist die Erhöhung der Steuersätze in den Jahren 2002-2006." Derartige Behauptungen wurden immer wieder vom Deutschen Zigarettenverband öffentlich verbreitet, und nun offensichtlich unreflektiert vom mit der Studie beauftragten HWWI übernommen.

Auch hier wurde die zu beweisende Behauptung einfach als Voraussetzung verwendet. Mit zusammenhanglosen Statistiken und "eigenen Berechnungen des HWWI" soll der Eindruck einer fundierten Analyse der Tabaksteuererhöhungen erweckt werden. Denn diese Aussage eignet sich hervorragend als "Beweis" für den zunehmenden Schmuggel.

Dabei hat das Institut jedoch völlig außer Acht gelassen, dass im Zuge der Steuererhöhungen auch die Tabakwarenhersteller kräftig ihre Preise erhöhten. Ebenfalls völlig willkürlich von der Tabaklobby kopiert wurde die unbewiesene Behauptung, dass der Absatzeinbruch durch die Preiserhöhungen unter anderem durch unversteuerte Zigaretten ausgeglichen wurde.

Zur Untermauerung dieser Behauptung, die ohnehin nicht Gegenstand der Studie war, zieht das HWWI eine weitere nicht belegte Behauptung heran: "Darüber hinaus haben die Anhebungen der Steuersätze auch nicht die gesundheitspolitischen Ziele erreicht, denn trotz der Erhöhungen der Steuersätze ist der Rauchkonsum kaum zurückgegangen." Auch bei dieser Aussage ist deutlich die dahinter stehende Absicht der Tabakindustrie zu erkennen: Tabaksteuererhöhungen sollen als wirkungslos und kontraproduktiv dargestellt werden.

Denn Tabaksteuererhöhungen sind in der Tat ein wirkungsvolles Mittel zur Eindämmung des Tabakkonsums, wie eine Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) belegt. Damit sind sie natürlich für die Tabakindustrie ein lästiges Übel. Die Studie des HWWI soll ihr dabei helfen, dieses Übel zu bekämpfen.

Das HWWI behauptet weiter: "Dabei finden der Import und die Verbreitung der illegalen Zigaretten in hohem Maße im Rahmen der organisierten Kriminalität statt." Auch diese Aussage lässt sich - trotz des hochtrabenden Exkurses in die "ökonomische Theorie der Kriminalität" - wohl kaum aus den Zigarettenschachteln ablesen, die für die Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts aus dem Müll gezogen wurden.

Hier war wohl wieder einmal der Wunsch der Tabakindustrie federführend. Denn die Tabakindustrie sieht sich seit langem selbst dem Verdacht ausgesetzt, am illegalen Handel beteiligt zu sein. Die Nikotindrogenhersteller wollen offensichtlich den Blick der Ermittlungsbehörden und der öffentlichen Aufmerksamkeit auf Dritte lenken, um selbst wieder aus der Schusslinie zu kommen.


Quellen und weitere Informationen

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