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Fotodokumentationen

Polonium-210 und Plutonium in Zigaretten

Radioaktive Kippen nicht nur vom Schwarzhandel

[09.12.2006/pk] Polonium-210 ist ein tückisches radioaktives Gift, das nicht nur von dunklen Gestalten als schwer nachweisbares Mordwerkzeug benutzt wird, wie im Fall des russischen Ex-Agenten Alexander Litvinenko. Die hochtoxische Substanz ist auch in Tabakwaren enthalten, ein Fakt, der bei Diskussionen um die Schädlichkeit des (Passiv-)Rauchens häufig vergessen wird. Tabakpflanzen nehmen radioaktive Substanzen sehr gut auf und lagern sie in die Blätter ein. Bereits 1965 wurde von C. R. Hill am Britischen Krebsforschungsinstitut nachgewiesen, dass Zigarettentabak das radioaktive Isotop Polonium-210 enthält, 1985 wiesen die finnischen Wissenschaftler Mussalo-Rauhamaa und Jaakkola auch radioaktives Polonium im Tabak nach. Bei starken Rauchern lässt sich in den Schleimhäuten der Bronchien und im Lungengewebe eine "extrem erhöhte und selbstredend karzinogene Radioaktivität" nachweisen.

Hill und seine Kollegen Radford und Hunt haben gemessen, wo das Polonium-210-Isotop beim Rauchen auftritt, und in welchem Verhältnis. Der geringste Anteil, etwa 10 Prozent, ist im Hauptstromrauch enthalten. Die dreifache Menge, 30 Prozent, ist im Nebenstromrauch enthalten. 40 Prozent wurden im Stummel nachgewiesen, 20 Prozent gehen in die Asche, und im Filter bleibt praktisch nichts hängen. Ein großer Teil der Radioaktivität ist im Nebenstromrauch und in der Asche enthalten, stellt also eine Gefahr für Passivraucher dar.

Polonium-210 ist mit einer Halbwertszeit von 138 Tagen einer der stärksten Alpha-Strahler. Es ist bei gleicher Menge einige tausend Mal so radioaktiv wie Radium, Uran und sogar Plutonium. Alpha-Strahler entfalten ihre tödliche Wirkung hauptsächlich dann, wenn sie direkt in den Körper aufgenommen werden, beispielsweise über Tabakrauch.

Beim Rauchen verflüchtigt sich das Polonium an der glühenden Zigarettenspitze, und wird mit dem Tabakrauch inhaliert. Die radioaktiven Teilchen lagern sich vor allem in den äußeren Lungengeweben ab, insbesondere in den Schleimhäuten der Bronchien. Die dort gemessene Radioaktivität beträgt bei Rauchern bis zum Einhundertfachen gegenüber dem Rest der Lunge. Ein Raucher, der etwa 20 bis 40 Zigaretten täglich konsumiert, setzt seine Bronchien innerhalb eines Jahres der gleichen Strahlendosis aus, wie sie bei 250 Röntgenaufnahmen der Lunge anfallen würde.

Nach wissenschaftlichen Untersuchungen entstehen Tumore bereits bei einem Fünftel des Poloniumgehalts, der von einem durchschnittlichen Raucher aufgenommen wird. Trotz seiner Anhäufung im Lungengewebe gelangt das lösliche Polonium-210 auch durch den Körper in jedes Gewebe und jede Zelle. Polonium kann im Blut und Urin von Rauchern nachgewiesen werden. Die im Körper verteilte radioaktive Substanz verursacht genetische Schäden, Leukämie, Leber- und Blasenkrebs, Magengeschwüre und Herzgefäß-Krankheiten. Eine Menge von 0,1 Mikrogramm reinen Poloniums genügt, um einen Menschen zu töten.

Wie die Tabakindustrie mit der radioaktiven Bedrohung ihrer Produkte umgeht erfragte die Süddeutsche Zeitung in einem Interview mit Professor Robert Proctor, US-amerikanischer Wissenschaftshistoriker. Demnach fanden sich in den geheimen Archiven der Tabakindustrie bereits in den 50er-Jahren Diskussionen über die Gefahr strahlender Substanzen im Tabakrauch. Nachdem anfänglich radioaktives Kalium im Tabak vermutet wurde, ergaben 1964 von Edward Radford und Vilma Hunt (Harvard University) veröffentlichte detaillierte Messungen, dass radioaktives Polonium im Tabakrauch enthalten ist. Diese Veröffentlichung in der Zeitschrift Science erfolgte zwei Wochen nach einem Bericht des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs bestätigte.

Etliche Wissenschatler vermuteten in der Radioaktivität den Hauptgrund für die tödliche Wirkung des Rauchens. Dies rief natürlich umgehend die Tabakindustrie auf den Plan, die ihren lukrativen Absatzmarkt gefährdet sah. Forscher begannen in deren Auftrag eine Serie geheimer Untersuchungen zur Klärung, wieviel radioaktives Polonium im Tabak enthalten ist und auf welchem Weg es in die Tabakpflanze gerät.

Proctor äußerte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, die Tabakindustrie hätte seit Jahrzehnten über das schädliche Polonium im Tabakrauch Bescheid gewusst: "In den geheimen Archiven der Tabakindustrie gibt es hunderte von Untersuchungsberichten über Polonium. Andere Dokumente beschäftigen sich damit, ob Spezialfilter Polonium eliminieren können. Das waren frustrierende Untersuchungen, weil es in Wahrheit sehr schwer ist, ein Gift aus dem Tabakrauch zu entfernen, ohne ein anderes Gift zu vermehren. Wenn man den Teer entfernt, atmen die Menschen mehr Nikotin ein, das beim Verbrennen karzinogene Nitrosamine produziert."

Viele Raucher glauben, es gäbe deshalb Zigaretten mit Filtern und niedrigem Nikotingehalt. Dem widerspricht Proctor energisch: "Filter sind ein Mythos. So etwas wie sauberen Rauch gibt es nicht. Sie beruhigen die Öffentlichkeit, obwohl die Zigaretten-Industrie seit den 30er-Jahren weiß, dass die Filterfunktion des Tabak selbst genauso gut ist, wie die des Zellulose-Azetats, das heute in Filtern verwendet wird. ... Sie sparen der Industrie nur Geld und die Leute denken, sie rauchen gesünder. Das Gleiche gilt für Light-Zigaretten. Leute, die darauf umsteigen, neigen dazu, stärker zu ziehen oder mehr zu rauchen."

Der Wissenschaftshistoriker wirft der Tabakindustrie vor, mit ausgeklügelten Methoden Informationen dieser Art zu verbergen. Proctor wird häufig als Experte bei Gericht zu Rate gezogen, wenn es die Frage zu klären gilt, wer was wann wusste. Klagende Raucher verlieren vor Gericht immer wieder, weil die Tabakindustrie erfolgreich behauptet, dass "jeder immer schon über die Schädlichkeit des Rauchens gewusst" habe, Raucher sich deshalb ihre Krankheit selbst zuzuschreiben hätten, weil sie angeblich "ausreichend gewarnt" gewesen wären.

Dennoch ist es auch heute noch kein Allgemeinwissen, dass Zigaretten radioaktive Substanzen enthalten. Dazu äußert Proctor: "Genauso wie kaum jemand weiß, was sonst noch für Müll im Tabak ist und was der im Körper bewirkt. Wie viele Leute wissen zum Beispiel, dass Tabak Blasen- und Brustkrebs verursachen kann? Wie viele wissen, dass Rauchen die führende Ursache für Erblindungen ist, oder dass Filter Weichmacher in den Lungen freisetzen? Wer wusste schon, dass Filter der Marke Kent Millionen Fasern von Crocidolite-Asbest enthielten?"

Das Interview mit Robert Proctor schließt mit der Feststellung: "Die Tabakindustrie redet sich immer auf Allgemeinwissen heraus, dabei müssen wir eher allgemeines Unwissen konstatieren. Die Tabakindustrie hat die Realität dieser Leiden immer bestritten, oder verlangt, dass mehr geforscht wird. Das ist reine Ablenkungsforschung. Wir untersuchen in Stanford inzwischen, wie Unwissen hergestellt wird. Es ist eine Kunst - wir nennen sie Agnotologie."

Fazit: Radioaktive Kippen sind nicht nur auf dem Schwarzmarkt zu finden, wie es unlängst von der österreichischen Tabaklobby in einer Kampagne werbewirksam vermarktet wurde. Die Zigarettenindustrie findet immer neue Mittel und Wege, um von der extremen Schädlicheit ihrer Produkte abzulenken. Die Dreistigkeit ist wahrhaft ungeheuerlich, mit der wissenschaftliche Erkenntnisse zum eigenen Vorteil umgedreht werden. Den Schaden hat der Verbraucher, der sich durch Phrasen wie "mündiger Bürger" und "Raucher sind Genießer" zu einem wahrhaft tödlichen Vergnügen übertölpeln lässt.


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