Jüsten und Huber schleichen beim VdC durch die Hintertür
[14.03.2006/ls]
Die Tabakindustrie leidet bekanntermaßen unter einem Imageproblem. Denn ihre Produkte führen alleine in Deutschland für 140.000 Menschen zu einem vorzeitigen Ableben. Jeder zweite Raucher stirbt an den Folgen seines Tabakkonsums, aber auch viele unschuldige Passivraucher werden mit ins Verderben gerissen.
Um in der Bundesrepublik salonfähig zu werden und wieder von der Anklagebank weg zu kommen, bemüht sich die Tabakindustrie, ein gesellschaftlich anerkanntes Image aufzubauen und den "Kontrollverlust über die öffentliche Diskussion zum Thema Rauchen und Tabak" einzudämmen (Zitat British American Tobacco, BAT). Sie spricht in diesem Zusammenhang vom "Dritten Weg" und meint damit, sie habe in zäher Kleinarbeit "ein Beziehungsgeflecht zu allen Teilen der Gesellschaft aufgebaut und das Marktklima hier zu Lande entspannt" (Anzeige von BAT, Vorwärts 12/2000, S. 17).
Dazu führt der Verband der Cigarettenindustrie (VdC) Veranstaltungen wie das "3. Spree-Gespräch" am 8. März 2006 durch, in denen Repräsentanten einzelner gesellschaftlicher Gruppierungen auf die Seite der Tabakindustrie gezogen werden sollen. Bei dieser Veranstaltung waren der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber und der katholische Vorsitzende des Deutschen Bischofskommisariats Karl Jüsten Ehrengäste des VdC, und beteiligten sich als Moderator und Redner aktiv an einer Diskussion um Freiräume.
Gegen die Teilnahme der hochrangigen Kirchenfürsten an dieser Veranstaltung gab es neben unzähligen Protestbriefen an die beiden Ehrengäste mehrere Protest- und Informationsveranstaltungen. In München organisierten die Anti-Tabak-Aktivisten Deutschland auf dem Stachus eine Mahnwache für die Opfer der Tabakindustrie, und informierten über deren tödliche Geschäftspraktiken. Vor dem Berliner Dom informierte das Forum Rauchfrei die Kirchgänger über den Pakt ihrer Hirten mit der Tabakdrogenindustrie.
Trotz aller Proteste ließen sich die Kirchenoberen nicht von ihrer unmoralischen Verbrüderung abbringen, alle Appelle an die Verantwortung der Kirche verhallten ohne Reaktion. Gegen die planmäßig beim VdC stattfindende Veranstaltung demonstrierten das Forum Rauchfrei, die Anti-Tabak-Aktivisten Deutschland und Mitglieder diverserer Nichtraucherschutzorganisationen.
Einlass in die unheiligen Hallen des VdC fanden nur geladene Gäste. Auch von der Presse wurden offensichtlich keine Berichterstatter zugelassen, die nicht nach ausgewählten Loyalitätskriterien ausgewählt worden waren. So musste eine Journalistin der taz unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Die geladenen Gäste fühlten sich aber offensichtlich trotz der friedlichen Demonstranten nicht wohl in ihrer Haut. Das schlechte Gewissen saß den Teilnehmern der VdC-Veranstaltung wohl derart tief in den Knochen, dass sie nicht einmal ihre Namen preisgeben wollten. Einzig der saarländische FDP-Bundestagsabgeordnete Karl Addicks, seines Zeichens Doktor der Medizin, hatte das "3. Spree-Gespräch" öffentlich im Terminkalender seiner Webseite verzeichnet.
Besonders peinlich war es angesichts der Proteste augenscheinlich den Hirten der beiden großen Kirchen, Wolfgang Huber und Karl Jüsten, die sich in ihren schwarzen abgedunkelten Limousinen gleich in die Tiefgarage verfrachten ließen, um der unangenehmen Wahrheit aus dem Weg zu gehen.
Auch nach der Veranstaltung war von den beteiligten Personen nicht in Erfahrung zu bringen, worüber und mit welchem Ergebnis beim "3. Spree-Gespräch" diskutiert wurde. Zu denken gibt insbesondere das anhaltende Schweigen der Kirchenoberen. Diese Geheimhaltung lässt nicht darauf schließen, dass ihre Tätigkeit ein Vorbild für das Kirchenvolk abgegen können.
Da auf Grund dieser Informationsblockade, die eher an das Vorgehen geheimer Untergrundorganisationen als an eine legale Veranstaltung in einer Demokratie erinnert, keine inhaltlichen Details weitergegeben werden können, soll zum Abschluss ein Auszug aus der "Roten Karte" der Anti-Tabak-Aktivisten Deutschland zum Nachdenken anregen:
"Bischof Huber und Bischofskommissar Jüsten haben sich als Ehrengäste zum "3. Spree-Gespräch" nominieren lassen, um über Freiräume zu sprechen. Geht's um die freien Räume, die unsere 383 Tabaktoten jeden Tag in Deutschland hinterlassen? Ist von den freien Gefängniszellen die Rede, welche eigentlich die Zigarettenmörder füllen müssten? Oder sind es die Frei-Räume auf den Spenden-Konten der Kirchen, der Wissenschaftler und der politischen Parteien, die der VdC immer wieder mit schmutzigem Schweigegeld füllt...?"
Die "Rote Karte" erhielten alle deutschen Bischöfe persönlich als Anregung zum Nachdenken über die Rolle der Kirchen im Hinblick auf das Drogenproblem unserer Bevölkerung. Insgesamt 100.000 Exemplare dieser "Roten Karte" werden im Rahmen einer Informationskampagne an Kirchenbesucher und Bürger im ganzen Land verteilt.