Generalstabsmäßige Unterwanderung von Politik und Öffentlichkeit
Wie der VdC die Gastronomie unter Kontrolle brachte
[04.03.2006/pk]
Angesichts der aktuellen Entwicklung (passender wäre wohl Nicht-Entwicklung) des Nichtraucherschutzes in der Gastronomie ist ein etwas detaillierterer Rückblick angebracht. Wie konnte sich der ungehemmte Tabakdrogenkonsum in der deutschen Gastronomie so lange halten, obwohl seit Jahrzehnten immer neue Fakten über die Schädlichkeit des Rauchens und des Passivrauchens bekannt wurden, und die Nichtraucher-Initiativen seit über 25 Jahren bei diesem Thema am Ball sind?
In den Grundzügen erläutert bereits der Artikel "Der VdC hat Deutschland unter Kontrolle" die breit angelegte Strategie, wie in Deutschland Politik und Wissenschaft, Öffentlichkeit und Medien von der Tabaklobby manipuliert wurden. Diese Strategien wurden bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und in der Praxis durchgezogen.
In Deutschlands Gastronomiebetrieben ist weiterhin keinerlei Schutz vor Passivrauch in Sicht. Denn genau dieser Punkt wird von der Selbstverpflichtung des DEHOGA gegenüber dem Bundesgesundheitsministeriums ausgeklammert; die Rede ist ausschließlich von so genannten Nichtraucherplätzen. Der notwendige Schutz der Beschäftigten wird nicht einmal erwähnt, und die Einhaltung von Selbstverpflichtungen ist nicht einklagbar. Diese Ausgrenzungspolitik hat bei der Tabaklobby Methode, weshalb es sich aus aktuellem Anlass anbietet, deren Vorgehensweise am Beispiel der Gastronomie einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Dokumente der Tabakindustrie, die diese im Rahmen etlicher Prozesse in den USA herausgeben musste, liefern eine exzellente Quelle, die das perfide Vorgehen der Tabakindustrie verdeutlicht. Im Folgenden eine Zusammenfassung mit Auszügen und Zitaten in deutscher Übersetzung.
Bereits im Jahr 1974 wurden die Folgen des Passivrauchens im Bundestag diskutiert. Die damalige Regierung kam zu dem Schluss, es wäre unverantwortlich, so lange abzuwarten, bis Krankheiten, Arbeitsausfälle und Todesfälle durch das Passivrauchen auftreten würden. Dies beinhaltet eine, wenn auch etwas kryptische, Willenserklärung der Regierung zur Schaffung eines Nichtraucherschutzgesetzes, so der VdC-Referent. Und weiter: "Natürlich konnte die deutsche Zigarettenindustrie diese gefährliche Entwicklung nicht einfach laufen lassen." Bekanntermaßen resultierte diese Aussage in der Beeinflussung zahlreicher namhafter Wissenschaftler und groß angelegter Marketing-Kampagnen zur Zerstreuung der für die Tabakindustrie unerwünschten Ergebnisse.
Der VdC weiter: "Der Gesundheitsaspekt des Passivrauchens ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Es gibt noch ein andere Seite desselben Phänomens, den Aspekt der Belästigung, der das Problem des Passivrauchens zur Frage des Rauchens in der Öffentlichkeit macht. Wie die Winnipeg-Konferenz erst kürzlich zeigte, existiert in der Anti-Tabak-Lobby die wachsende Tendenz, das Problem vom Passivrauchen auf diesen sozialen Aspekt unter dem Titel Nichtraucherrechte zu verlagern. Vielleicht haben sie das Gefühl, es könnte schwierig werden, weitere wissenschaftliche Unterstützung für ihr Anliegen zu erhalten."
Gerade bei diesem letzten Satz zieht im inneren Auge das Bild eines schadenfroh grinsenden VdC-Referenten herauf, der auch die genaue Ursache für diese Schwierigkeiten kennt, weil sein Verband schließlich selbst dafür gesorgt hat. Kalt analysiert er weiter: "Konsequenterweise konzentrieren sie sich also auf diesen Belästigungsaspekt, und fordern ihr Recht auf unverseuchte, rauchfreie Atemluft. Dieser Paradigmenwechsel eröffnet ein neues Schlachtfeld auf politischem und rechtlichem Gebiet.".
Der VdC-Referent fährt mit detaillierten Ausführungen fort, wodurch und wie stark ein Nichtraucher sehr wohl durch den Passivrauch belästigt und gesundheitlich beeinträchtigt wird. Ganz offensichtlich ist der Tabakindustrie vollkommen klar, dass eine Minderheit von Süchtigen, wie sie die Raucher darstellen, der nicht rauchenden Mehrheit die Umgebung verpestet, und es deshalb keinen vernünftigen Grund gibt, die negativen Folgen zu tolerieren.
Der VdC bedauert, dass diese Argumentation sogar für die höchsten Gerichte nachvollziehbar ist. Er zitiert den Fall eines Stadtrats einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt, der ein Rauchverbot während der Ratssitzungen gefordert hatte. Das oberste Verwaltungsgericht entschied daraufhin, dass das Rauchen verboten werden könne, wenn auch nur ein einzelner Stadtrat sich persönlich dadurch belästigt fühlen würde.
Die Antwort der Tabakindustrie erläutert der VdC wie folgt: "Um mit diesem Problem fertig zu werden entschied sich unsere Industrie zu einer Doppelstrategie: Einerseits versuchen wir darzustellen, dass Raucher - auch wenn sie sich zugegebenermaßen in einer Minderheitsrolle befinden - eine der größten und respektabelsten Minderheiten der Gesellschaft darstellen, so dass weder Richter noch der Gesetzgeber deren Rechte ignorieren können. Andererseit versuchen wir darzustellen, dass Rauchen eine tief verwurzelte kulturelle Gewohnheit sei, die gleichermaßen bedeutenden sozialen Nutzen wie auch eine Quelle individuellen Genusses darstellt."
In seinem Vortrag fuhr der VdC-Referent fort: "Ich möchte Ihnen nun kurz einige Beispiele geben, wie die Industrie dieses grundlegende Philosophie in PR-Aktionen umsetzte. Anfang 1982 wurden wir durch gewisse Versuche im Gastronomiegewerbe verunsichert, die Verbreitung von Nichtrauchereinrichtungen in Kneipen und Restaurants verstärkt zu fördern. Dies hätte fatale PR-Folgen für die Tabakindustrie gehabt. Es gibt nur wenige Orte wo das Rauchen so weitgehend und einstimmig akzeptiert wird, und wo ein derart positives Konsumklima [für Tabakprodukte] herrscht. In einer Marktstudie, die wir in Auftrag gaben, konnten wir aufzeigen, das Raucher einen höheren Anteil ihres persönlichen Budgets für Kneipen- und Restaurantbesuche aufwenden als Nichtraucher."
Diese voreingenommene Studie war der Aufhänger, um die Gastronomenverbände zu einer tabakfreundlichen Haltung zu drängen. Derart animiert startete der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) die Kampagne "Raucher sind die besseren Gäste". Vom VdC bekam der DEHOGA das Informationsmaterial für seine Mitglieder gestellt, damit Zweifel und Gegenreaktionen bereits im Keim erstickt werden konnten. Der DEHOGA präsentierte das Ergebnis der Gefälligkeitsstudie auf der Jahreshauptversammlung in Hamburg und im folgenden bei unzähligen Pressekonferenzen. Den angeblich unrentablen Nichtraucherbetrieben wurde vom DEHOGA öffentlich die Unterstützung entzogen. Sie sollten nicht weiter gefördert, und jeglicher Vorstoß der Bundesregierung in diese Richtung abgeschmettert werden. Durch eine breit angelegte Pressekampagne, die nur positive Stellungnahmen im Sinne der Interessen der Tabakindustrie enthielt, wurde die Öffentlichkeit manipuliert und eine tabakfreundliche Gastronomie zementiert.
Eine ähnliche Vorgehensweise wurde zur Förderung von Raucher-Taxis und in vielen anderen Bereichen angewendet. Der Passivrauchschutz von Schwangeren und Kindern wurde beispielsweise durch eine großzügige Spende des VdC an die Deutsche Kinderhilfe Direkt vereitelt, wobei sogar die Kinderkommision des Deutschen Bundestags behilflich war. Das Thema Abschaffung aller Zigarettenautomaten oder Schutz vor Passivrauchen wird nun von der Kinderhilfe und auch vom Kinderschutzbund boykottiert und ignoriert.
Nicht einmal die Kirche ist dem Verband der Cigarettenindustrie heilig. Am 8. März 2006 werden der evangelische Bischof Prof. Dr. Wolfgang Huber und der katholische Bischofskommissar Dr. Karl Jüsten als aktiv mitwirkende Ehrengäste des VdC vor den Karren der Tabaklobbyisten gespannt. Der unmoralische Kampf des VdC für die tödlichste Droge unserer Zeit geht weiter.