Frist für Umsetzung des EuGH-Urteils endet am 31. März 2006
[29.11.2005/pk]
Laut einer dpa-Meldung dürfen die Tabakkonzerne billige Steckzigaretten, auch
Sticks genannt, noch bis zum 31. März 2006 mit den Steuerbanderolen für
Feinschnitt produzieren. Bis zu diesem Datum hergestellte Sticks dürfen auch
danach noch verkauft werden. Dies verkündete ein Rundschreiben der zuständigen
Steuerstelle an die Zigarettenindustrie, das vom Finanzministerium bestätigt
wurde.
Wie bereits berichtet hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Klage
der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden,
dass der Steuervorteil für Sticks unrechtmäßigerweise gewährt wurde. Mit dem
Wegfall der Steuervergünstigung gegenüber handelsüblichen Zigaretten wollen
die Tabakmultis die Produktion der Sticks einstellen, da hiermit das einzige
Verkaufsargument für diese Produktvariante hinfällig wird.
Ungeachtet der Vorteile und des Entgegenkommens, das die Tabakindustrie
weiter in der Bundesregierung genießt, sehen sich die Tabakdrogenhersteller
selbst gerne in der Opferrolle. Sowohl bei politischen Lobby-Aktivitäten,
als auch durch medienwirksamen Kampagnen - auf die zumindest Nikotinabhängige
häufig hereinfallen - fallen derartige Parolen allzu oft auf fruchtbaren
Boden. So auch im aktuellen Fall der Besteuerung der Steckzigaretten.
Ein Beispiel dafür ist eine Meldung der Deutschen Tabak-Zeitung (DTZ),
Ausgabe 46/05. Darin ist nachzulesen, das "Bundesfinanzministerium will per
Verordnung Bestände an Sticks, die sich am Stichtag 1. September 2005 im
Besitz eines Steuerlagerinhabers, Groß- oder Einzelhändlers befanden,
nachversteuern lassen". Das Tabak-Blatt berichtet weiter, dass diese
Verordnung bereits im nächsten Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit
in Kraft gesetzt werden soll. Damit "werden Handel und Hersteller zur
Zahlung der Steuerdifferenz zwischen alt- und neuversteuertem
vorportionierten Feinschnitt verpflichtet".
Mit derartigen Jammer-Tiraden gewinnt die Tabakindustrie doppelt. Sie
wird von deutschen Politikern hofiert und gehätschelt, und in Deutschland
auch weiterhin keinerlei ernsthaften gesetzlichen Einschränkungen wie in
anderen europäischen Ländern unterworfen. Dennoch ist in vielen Köpfen das
Bild verankert, den Zigarettenmultis ginge es unablässig an den Kragen.
Die Drogenproduzenten spielen den Wolf im Schafspelz; und dieser ist zu
Recht nicht gern gesehen.
Deutsche Tabak-Zeitung, Ausgabe 46/05: "BMF will Sticks nachversteuern"
Anmerkungen: Von einem derartigen Entgegenkommen des Finanzministers kann jeder "normale" Selbstständige nur träumen. Da gibt es keine großzügigen Übergangsfristen, und schneller als ein Finanzamtsmitarbeiter schauen kann ist eine neue Steuerrichtlinie schon in Kraft. Ohne Gnade wird sofort abkassiert, und saftige Strafzuschläge werden schon bei der kleinsten Verzögerung aufgebrummt. Nur bei den Tabakdrogendealern mit ihrem guten Draht zur Bundesregierung werden beide Augen fest zugedrückt. Manchmal entsteht der Eindruck, dass das gesamte Ministerium auch noch eifriges Entgegenkommen demonstriert, dabei nicht einmal die Hühneraugen zu vergessen. Und das alles geschieht auch noch "im Namen des Volkes", wie alle Regierungsmitglieder bei Amtsantritt mit einem Eid beschwören.