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Fotodokumentationen

Rauchlose Tabakprodukte sollen Ausstieg aus der Sucht verhindern

Gesundheitsgefahren alternativer Nikotindrogen, Teil 2

[14.05.2011/pk] Neben der E-Zigarette drängen eine Reihe weiterer Alternativdrogen auf den Markt, die Nikotinsüchtige allen Rauchverboten zum Trotz als Klientel für die Drogenindustrie erhalten sollen. Die elektrischen Glimmstängel sollen die gesetzlichen Einschränkungen für Tabakdrogen durch einen Verzicht des unmittelbaren Einsatzes von Tabak umgehen. Einen anderen Weg beschreiten die Nikotindrogenproduzenten mit so genannten rauchlosen Tabakprodukten.

Wie der Name bereits zutreffend beschreibt, wird bei derartigen Alternativdrogen das nikotinhaltige Kraut nicht geraucht, sondern in anderen Formen dargereicht. Das Ziel ist in allen Fällen, also bei konventionellen Zigaretten, E-Zigaretten und auch den rauchlosen Tabakwaren, die Verabreichnung des Suchtmittels Nikotin unter dem Deckmantel des Genusses. Die Gesundheitsgefahren werden in allen Fällen heruntergespielt und verharmlost, denn die bittere Wahrheit könnte dem einträglichen Geschäft mit den Nikotindrogen schaden.

Inzwischen ist die Tabakindustrie schon voll auf den Zug mit den rauchlosen Tabakwaren aufgesprungen, um sich ihre Vormachtstellung im Drogengeschäft zu sichern. In den USA vertreibt sie diese Produkte bereits in großem Umfang. In der Europäischen Union ist der Verkauf der so genannten Snus verboten, außer in ihrem Ursprungsland Schweden. Die Hersteller betreiben jedoch bereits massives Lobbying, um ganz Europa mit diesen schmutzigen Drogen zu überziehen.

Snus sind kleine mit Tabak gefüllte Säckchen, die zum Konsum unter die Oberlippe geklemmt werden, wo sie kontinuierlich Nikotin abgeben. In Schweden sind diese Tabakbeutel zum Lutschen weiter verbreitet als die Zigarette. Inzwischen werden sie häufiger von jüngeren als von älteren Menschen konsumiert. Elf Prozent der schwedischen Männer rauchen, während sich 19 Prozent Snus unter die Lippe schieben.

Von den Anhängern der Snus wird die niedrige Raucherquote Schwedens, die niedrigste in Europa, mit dem Lutschtabak in Verbindung gebracht. Mit derartigen Vermutungen schafften es sogar einige Forscher in das "Journal of the National Cancer Institute". Solche Aussagen sind jedoch mit doppelter Vorsicht zu genießen. Sie sind einerseits nur unbestätigte Theorien. Andererseits haben es auch in der Vergangenheit immer wieder Wissenschaftler im Dienste der Tabakindustrie geschafft, ihren Lobbyismus als vermeintliche Forschungsarbeiten zu verschleiern.

Kritischer steht die Tabakexpertin Dr. Martina Poetschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg derartigen Behauptungen gegenüber. Sie sieht vorrangig den Erfolg der umfangreichen Präventionsprogramme Schwedens für die sinkende Raucherquote verantwortlich, und nicht den Konsum des Lutschtabaks. Ihre Skepsis wird von den meisten EU-Gesundheitsbehörden geteilt, weshalb das Produkt in der gesamten EU mit Ausnahme von Schweden nicht vertrieben werden darf. Das skandinavische Land, das für sich selbst beim EU-Beitritt diese Ausnahme erstritten hatte, versucht nun hartnäckig, seine Lutschdroge auch in anderen EU-Ländern zu verkaufen und dafür das Verkaufsverbot auszuheben.

Die Wissenschaftlerin des DKFZ bezweifelt weiterhin den von Snus-Lobbyisten vielfach geäußerten Nutzen eines Wechsels zu rauchlosen Tabakwaren. Es sei zwar richtig, dass Schweden eine der niedrigsten Lungenkrebsraten der Industrienationen habe und Snus anders als Zigaretten offenbar keinen Lungenkrebs hervorriefen. Es gibt jedoch "sehr sichere Hinweise darauf, dass der Snus-Konsum die Entwicklung von Krebs der Bauchspeicheldrüse fördert". In dem Lutschtabak wurden dem Krebsforschungszentrum zu Folge bereits 28 Krebs erregende Substanzen in unterschiedlichen Konzentrationen gefunden, während Tabakrauch etwa 90 verschiedene Kanzerogene enthält.

Derartige Aussagen werden von findigen Lobbyisten gerne in dem Sinne interpretiert, dass eine geringere Anzahl verschiedener Kanzerogene auch eine geringere Gefährlichkeit bedeuten würde. Besonders dreist ist die Darstellung dieses Sachverhalts als "gesündere Alternative zum Rauchen". Derartige Zahlenspielereien sind nichts als Milchmädchenrechnungen zum Schaden des Verbrauchers, der sich davon täuschen lässt.

Aus gutem Grund gibt es für alle Krebs erregenden Substanzen keinen unteren Grenzwert, bei dessen Unterschreiten keine Gefahr besteht. Sie sind in jedem Fall und in jeder noch so geringen Konzentration schädlich. Letzten Endes ist es also ziemlich gleichgültig, ob man sich mit einem Giftcocktail aus 28 oder aus 90 verschiedenen Substanzen langsam umbringt.

Besorgnis erregend ist zudem der Einstieg der Tabakindustrie in das Geschäft mit den Snus. Insbesondere in den USA vermarkten sie das Produkt bereits in großem Stil. Vor etwa einem Monat meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass der Tabakmulti British American Tobacco (BAT) einen neuen Geschäftsbereich gegründet hat. Ziel der BAT-Tochter Nicoventures Ltd. ist die Entwicklung von "sichereren" Nikotinprodukten für den Langzeitgebrauch.

Forscher der Universität Harvard waren bei der Sichtung der Tabakdokumente auf eindeutige Äußerungen der Tabakindustrie über ihre Pläne zur Vermarktung rauchloser Tabakwaren gestoßen. Wie die Süddeutsche Zeitung Ende März berichtet hatte, sei demzufolge die von BAT identifizierte primäre Zielgruppe "Raucher, die andernfalls aufhören würden oder in bestimmten Situationen nicht rauchen können oder wollen". Über den marktbeherrschenden Philip-Morris-Konzern berichtete die Zeitung, dieser sei durch eine Marktanalyse zu dem Schluss gelangt, Raucher nutzen Snus vor allem zu den Zeiten, in denen sie nicht rauchen können.

Da diese ehemals geheimen Ziele der Tabakdrogenproduzenten inzwischen ohnehin ans Tageslicht gelangt sind, gehen die Snus-Produzenten nun offenbar in die Offensive. Eine BAT-Sprecherin äußerte laut Bloomberg unmissverständlich, dass dieses Produkt nicht zur Entwöhnung bestimmt sei, sondern zur Befriedigung der Bedürfnisse derjenigen Kunden, die nicht aufhören wollten. Alternative Tabakdrogen wie die Snus sollen also den Konsum von Tabaknikotindrogen in allen Situationen ermöglichen, in denen das Rauchen nicht möglich oder gestattet ist.

Der gesetzlich geförderte Rückgang des Rauchens sollte also - aus der Sicht der Tabakdrogenhersteller - keinesfalls mit Ausstieg verwechselt werden. Die Tabakindustrie will diesen auf alle Fälle verhindern, und ihre Kunden auch weiterhin durch die Sucht nach Nikotin an sich binden.

Dieses Ziel wird, so die Süddeutsche Zeitung, durch die Vorgaben des Camel-Herstellers Reynolds nicht nur bestätigt, sondern sogar noch erweitert: Der rauchlose Tabak müsse "klar als Zigaretten-Ersatz für bestimmte Situationen und nicht als dauerhaftes Rauch-Substitut positioniert werden. Die Hervorhebung von zusätzlichen Vorteilen (z. B. kein Geruch, kein Passivrauchen) kann Rauchern helfen, den Konsum eines Produktes zu rationalisieren, von dem sie lieber nicht zugeben würden, dass sie es brauchen."

Die Süddeutsche schreibt dazu weiter: "Dass diese Strategie konsequent in der Vermarktung fortgesetzt wurde, zeigt eine Analyse von Reynolds' Werbekampagnen, die Wissenschaftler der University of California vorlegten. Camel-Snus wurde seit Markteinführung 2006 fast ausschließlich mit Fotos beworben, in denen junge, ansehnliche Menschen ihr Tabak-Päckchen in Bars, bei Rockkonzerten oder auf Flughäfen hervorholten - Orten also, an denen Rauchen verboten oder unerwünscht ist. 'Genuss überall', war eine der häufigsten Botschaften."

Nach dem Bericht der Zeitung wurde bei Marlboro Snus ein deutlich niedrigerer Nikotingehalt festgestellt, als bei den schwedischen Produkten üblich. Die Forscher der "University of Medicine and Dentistry of New Jersey", die diese Auffälligkeit entdeckt hatten, vermuten dahinter knallharte Absicht. Ihrer Auffassung nach habe der Hersteller das Produkt gezielt dahingehend entwickelt, "dass es die Nikotinsucht nicht ausreichend befriedigt, um Rauchern den kompletten Wechsel zu Snus zu ermöglichen".

Statt also vermeintlich auf einen Ausstieg aus dem Tabakkonsum hinzuarbeiten, zeichnet sich eine noch komplexere Abhängigkeitsspirale ab. Die Kunden sollen in eine doppelte Abhängigkeit getrieben werden, und neben Zigaretten auch noch Snus konsumieren. Dr. Poetschke-Langer vom DKFZ ist darüber besorgt: "Von zwei Nikotinquellen loszukommen, ist ungleich schwieriger, als von einer." Konsumenten von Nikotin aus mehreren Quellen entwickeln nicht nur eine stärkere Nikotinabhängigkeit, sie setzen sich auch weit größeren Risiken aus, als reine Zigarettenraucher.

Eines muss man sich auf jeden Fall vor Augen halten: es handelt sich bei den alternativen Nikotindrogen um einen potenziellen Milliardenmarkt. In keinem anderen Geschäftsfeld lässt sich so viel Profit herausschinden, wie im Geschäft mit Drogen. Die Tabakindustrie hat schon vor Jahrzehnten die Erkenntnis gewonnen, dass die Konsumenten zu ergiebigen Melkkühen werden, wenn sie erst einmal am Haken der Sucht fest hängen. Seitdem die Zigarettenhersteller ihren Produkten Ammoniakzusätze beimischen (beispielsweise durch scheinbar harmlose Lakritze), sind Glimmstängel ebenso süchtig machend wie Heroin.

Mit der Verdrängung der Zigarette aus der Öffentlichkeit sucht die Nikotindrogenindustrie nach neuen Wegen, ihre Milliardengewinne aus dem Geschäft mit der Sucht auch weiterhin zu sichern. Wie bereits bei Zigaretten ist ihnen dabei egal, ob sie bei ihren Konsumenten Krankheit und Tod verursachen, solange der Kunde als Melkkuh nur lange genug überlebt, um der Drogenindustrie einen beachtlichen Teil ihres Vermögens in den Rachen zu stecken.


Quellen und weitere Informationen

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