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Philip Morris tritt aus dem VdC aus

Zunehmende Nervosität in der Tabakdrogenindustrie

[23.06.2007/pk] Der Marktführer Philip Morris schockierte seine Genossen im Verband der Cigarettenindustrie (VdC) unlängst mit der überraschenden Erklärung, zum Jahresende aus dem Lobbyverband auszutreten. Der Tabakkonzern teilte mit, er wolle nun die Lobbyarbeit in die eigenen Hände nehmen, insbesondere gehe es darum, "in starkem Maße gesundheitspolitische Ziele" der Bundesregierung und der Landespolitik zu unterstützen. Nach eigenen Aussagen setzt sich Philip Morris für ein Verbot von Plakatwerbung für Tabakprodukte, höhere Einstiegspreise durch größere Packungen sowie höhere Steuern auf Drehtabak ein. Diese Ziele seien nach Angeben des Geschäftsführers Jacek Olczak von den übrigen VdC-Mitgliedern nicht hinreichend verfolgt worden.

Der brüskierte Verband der Cigarettenindustrie gibt sich trotzig. Hauptgeschäftsführer Wolfgang Hainer betonte in einer Pressemitteilung, der Lobbyverband bleibe "auch ohne Philip Morris schlagkräftig". Titus Wouda Kuipers, Vorstandsvorsitzender des VdC, kommentierte: "Der VdC, der ohne Philip Morris die deutliche Mehrheit der Cigarettenindustrie in Deutschland vertreten wird, bleibt auch weiterhin der Ansprechpartner für Politik, Behörden und Öffentlichkeit und wird den Dialog aktiv fördern und gestalten". Die Kritik des Marktführers an den Zielen des Verbandes will Hainer jedoch nicht gelten lassen, "weil sich der VdC in den vergangen Jahren engagiert und zielgerichtet vor allem in den Bereichen Jugendschutz und Gesundheitspolitik in die politische und gesellschaftliche Diskussion eingebracht und wichtige Ergebnisse erzielt hat".

Weniger diplomatisch äußern sich die direkten Konkurrenten, die sich sauer über den völlig überraschenden und ohne jede Vorankündigung gekommenen Austritt zeigen. Für den Manager eines großen Konkurrenten sei dieser Schritt leicht durchschaubar: "Philip Morris könnte in Deutschland auch ohne Werbung auskommen, denen geht es nur darum, ihren Marktanteil zu verteidigen". Die ehemaligen Verbandskollegen fürchten, der Konzern könnte sich um die Verpflichtungen etwa für die Pensionen der Verbandsmitarbeiter drücken. Was "Die Welt" nur mit einem trockenen Kommentar honoriert: "Am Geld wird Philip Morris seinen Abgang aber sicher nicht scheitern lassen."

Die verprellte Kundschaft, insbesondere die Raucher von Billigstware, rief auf einschlägigen Internet-Seiten zum Boykott der Produkte des US-amerikanischen Konzerns auf. Für sie ist klar, dass Philip Morris nur seine teuren Markenprodukte auf den Markt drücken will. Die billigen Drehtabake und ähnliche Produkte der Konkurrenten wirken sich negativ auf den Absatz des Marlboro-Herstellers aus. Diese Niedrigpreisprodukte sind jedoch gerade angesichts der letzten Steuererhöhungen für die große Schar der rauchenden Unterschicht die letzte Gelegenheit, sich von Hartz IV überhaupt noch Kippen leisten zu können. Entsprechend vehement setzt sich diese Masse der Billigst-Raucher gegen die von Philip Morris angestrebte Ausbeutung durch teure Markenprodukte ein.

Die heftige Reaktion der verbleibenden VdC-Mitglieder zeigt, wie sehr der Verdrängungswettbewerb innerhalb der Tabakindustrie bereits fortgeschritten ist. Die ehemaligen Kampfgenossen zerfleischen sich gegenseitig wie die Hyänen, was für die Gegner der mörderischen Tabakindustrie kein Anlass zur Trauer ist. Denn jahrzehntelang hatte der VdC erfolgreich die deutsche Politik manipuliert, mit dem DEHOGA und seiner Kampagne "Raucher sind die besseren Gäste" den Nichtraucherschutz in der Gastronomie torpediert und, so das Forum Rauchfrei, "mit krimineller Energie Wissenschaftler und Politiker für sich eingespannt".

Das Forum wirft dem Tabakmulti in seinem "Nachruf auf den Zusammenbruch des Verbandes der Zigarettenindustrie" vor, den hastigen Austritt nur als Werbegag zur eigenen Image-Pflege zu nutzen: "Es gehört zum beinharten Konkurrenzkampf der Tabakbarone, der Politik das Blaue Wunder vom Himmel zu versprechen. ... So kündigt Philip Morris an, sich nun nach der Befreiung von den Fesseln des VdC, für 'gesundheitspolitische Ziele' einzusetzen. Der weltweit größte privatwirtschaftliche Tabakkonzern will Kinder und Jugendliche vom Rauchen abhalten und sich für ein Werbeverbot und höhere Tabaksteuern einsetzen. Das Forum sieht darin ein reines PR-Manöver. Der Weltkonzern sollte nicht verkünden sondern handeln. Spatz fordert von Philip Morris, sofort die eigene Werbung einzustellen, die Preise auf das Niveau von England anzupassen (ca. 7 EURO für eine 20-Zigaretten-Packung) und wirkungsvoll zu verhindern, dass seine Zigaretten an Kinder verkauft werden."

Diese kritische Auseinandersetzung macht vor allem eines klar: auch der aktuelle Strategiewechsel bei Philip Morris ändert nichts daran, dass der Tabakkonzern sich ohne Rücksicht auf Millionen Tabaktote ausschließlich an der eigenen Gewinnmaximierung orientiert. Somit ist der mit dem Philip-Morris-Austritt eingeläutete Niedergang des VdC, der ehemaligen "Hochburg der Tabakkonzerne in Deutschland", noch lange kein Grund zur Entwarnung. Es werden noch viele Raucherlungen und Passivrauchtote den skrupellosen Geschäftspraktiken von Philip Morris und Konsorten zum Opfer fallen, ob diese nun vereint oder getrennt ihre tödlichen Glimmstängel unters Volk bringen.


Quellen und weitere Informationen

Beschwerdeautomat
Anfrage wegen Sponsoring durch die Tabakindustrie (Hochschulen und Forschungseinrichtungen)
Peinliche Werbung mit Philip-Morris-Forschungspreis bitte entfernen
Philip-Morris-Forschungspreis existiert nicht mehr
Aufforderung zur Ablehnung von Ehrungen und Preisen der Tabakindustrie
Anfrage wegen Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften etc.
Anfrage wegen Sponsoring durch Tabakindustrie (Verbände und Parteien)
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