[10.11.2005/pk]
Es ist noch nicht lange her, dass die Präsidentin der Deutschen Krebshilfe,
Dagmar Schipanski, auf Grund ihrer Nebentätigkeit für ein Unternehmen der
Tabakindustrie in die Schlagzeilen geraten war. Sie löste diese offensichtliche
Interessenkollision durch ihren Rücktritt in der zweifelhaften
Körber-Stiftung. Denn unter dem Deckmantel einer wohltätigen Stiftung
verbirgt sich ein Unternehmen der Tabakindustrie.
Über derartige Interessenkonflikte einzelner prominenter Persönlichkeiten
hinaus wird schon seit Jahren der Einfluss der äußerst finanzkräftigen
Tabakindustrie auf Gesundheitsorganisationen und Forschungseinrichtungen,
aber auch auf Bundesregierung und Politik kritisch beobachtet. Wiederholt wurde
von Einflussnahme der Tabakdrogenproduzenten auf wichtige Entscheidungen,
wie auch zur Unterdrückung missliebiger Forschungsergebnisse berichtet.
Das Form Rauchfrei hatte bereits zum Weltnichtrauchertag 2004 zu einem
Boykott von Spenden der Tabakindustrie aufgerufen, und einen Kodex gegen
dieses zweifelhafte Sponsoring verfasst. Die Liste der Unterzeichner umfasst
inzwischen 40 namhafte Organisationen. Ende Oktober hatten unter anderem die
Berliner Gesundheitssenatorin und der Präsident der Ärztekammer für ihre
Organisationen den Kodex unterzeichnet.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist die erste Forschungseinrichtung
in Deutschland, die nun der moralisch äußerst zweifelhaften Einflussnahme
durch die Tabakmultis ein Ende setzt. Der Stiftungsvorstand hat zusammen mit
dem wissenschaftlichen Rat einstimmig einen Ethischen Kodex zur Ablehnung von
Geldern der Tabakindustrie verabschiedet. Das Krebsforschungszentrum und seine
Mitarbeiter werden "jegliche finanziellen Mittel der Tabakindustrie für
Forschungsförderung, Gutachterhonorare, Vortragshonorare, Reisekosten,
Wissenschafts- und andere Preise ablehnen".
Mit dieser Entscheidung der größten Gesundheitsforschungseinrichtung
Deutschlands ist auch der Wunsch verbunden, dass andere Einrichtungen und
Organisationen diesem Beispiel folgen. Dazu das DKFZ: "Die Tabakindustrie
kann kein Partner für die Gesundheitsforschung sein, denn sie ist die einzige
Industrie, die Produkte herstellt, vertreibt und bewirbt, die bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch einen großen Teil der Konsumenten süchtig und
krank machen sowie vorzeitig versterben lassen". In Deutschland sterben
jährlich mehr Menschen an den Folgen des Tabakdrogenkonsums, als durch
Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, AIDS, Morde und Selbstmorde
zusammen.
Die Tabakindustrie versucht durch Sponsoring und soziale Aktivitäten davon
abzulenken, dass sie durch ihre Produkte Krankheit und Tod verursacht. Soziale
Projekte, wie beispielsweise Obdachlosenförderung, sollen die
verantwortungslose Geschäftemacherei der Tabakdrogenindustrie übertünchen.
Die Unterstützung von Wissenschaftlern soll einen Hauch von Seriosität und
Glaubwürdigkeit verleihen, die Drogen-Dealer und -Hersteller üblicherweise
nicht besitzen.
Alleine Philip Morris produziert sich neben so genannten
Dialogveranstaltungen und festlichen Events mit über 30 Sponsoring-Projekten
als vermeintlicher Wohltäter. Dabei lässt sich auch Polit-Prominenz vor den
Karren spannen. Dazu gehören die amtierende Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt, Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der inzwischen als einer
der sechs Stellvertreter seines Nachfolgers in die zweite Reihe gerückt ist,
und weitere Namen wie Klaus Böger, Hans Zehetmair oder Ute Erdsiek.