Unverbindliche Politiker-Rhetorik ohne konkrete Folgen
[04.10.2008/pk]
Die Facharbeitsgruppe "Suchtprävention" im Auftrag des Drogen- und Suchtrates hatte am 9. Juni ihr "Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention" vorgelegt. Diese Empfehlungen diskutierten Vertreter von industriellen Drogenproduzenten (insbesondere Tabak und Alkohol), Werbung, Krankenkassen, Rentenversicherung, Sportverbänden, Bundesländern und der Suchtprävention anlässlich einer Anhörung, zu der die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, geladen hatte.
Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, "dass insbesondere der Schutz von Kindern und Jugendlichen verbessert werden muss". Die Drogenbeautragte kam gar zu der beachtlichen Erkenntnis "Die Anhörung hat bestätigt, dass wir besser vor den Gefahren des Tabak- und des übermäßigen Alkoholkonsums aufklären und schützen müssen". Angesichts der seit Jahrzehnten tendenziell steigenden Probleme des legalen Drogenkonsums, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist diese Zusammenfassung des Ergebnisses allerdings eher als dürftig zu bezeichnen.
So wie die Probleme im Wesentlichen nicht neu sind (siehe Forum Rauchfrei: "Aktionsprogramm Tabakprävention - BMGS - Stand 20.09.04"), so wenig Neues boten die Diskussionsthemen: Verbot von Plakataußenwerbung, bildgestützte Warnhinweise, Steuererhöhungen für Feinschnitt und die bestehenden Selbstverpflichtungen der Tabakindustrie zum Jugendschutz. Außer bei Allgemeinplätzen gab es wenig Einigkeit unter den Diskussionsteilnehmern. Angesichts der Tatsache, dass selbst die Produzenten von gesundheitsschädlichen und häufig tödlichen Drogen an einer derartigen Veranstaltung teilnehmen dürfen, verwundert dies jedoch kaum. Vor allem in der Gruppe der Drogenproduzenten haben sich Jugendschutz und Gesundheitsschutz dem Profitdenken unterzuordnen, so dass aus dieser Richtung zwar hehre Absichtserklärungen, aber keinerlei Zugeständnisse von praktischer Bedeutung kamen.
Auch die Drogenbeauftragte selbst hatte keine wirklichen Neuigkeiten zu präsentieren: "Im Bereich der Tabakprävention werde ich mich weiter verstärkt für die Fortsetzung und den Ausbau der Präventions- und Behandlungsangebote einsetzen. Eine wichtige Lücke in der bisherigen Tabakprävention ist ein Verbot der Plakatwerbung, welches die Tabakrahmenkonvention vorschreibt. Wir sind hierzu aufgrund internationaler Abkommen verpflichtet. Tabakentwöhnung ist mir ein wichtiges Anliegen. Die bestehenden Angebote müssen bekannter gemacht und ausgebaut werden. Die Vorschläge der Bundesärztekammer zur Finanzierung der Tabakentwöhnung sollten geprüft werden."
Die Reaktionen der Gesundheitsorganisationen auf die Anhörung fielen recht einheitlich aus: alle begrüßten die Bereitschaft zu handeln und die Notwendigkeit zu weiteren Aktionen. Ebenso einig waren sich die Gesundheitsorganisationen darin, dass die vielen unverbindlichen Absichtserklärungen kaum nennenswerte konkrete Aktivitäten hervorbringen. Die Verbände kritisieren fehlende konkrete Inhalte und Planungen, und sind nach den lange andauernden Vorbereitungen, Facharbeitsgruppendiskussionen usw. zu Recht von dem mageren Ergebnis enttäuscht.
Dem "Nationalen Aktionsprogramm" fehlt eine klare Prioritätensetzung. Die Bezeichnung "Aktionsprogramm" versetzt einen Normalbürger in die Erwartung, dass nun tatsächlich etwas passieren soll. Aktivitäten brauchen zuallererst einmal Verantwortliche für konkrete Aufgaben - das so genannte "Aktionsprogramm" lässt diesen Aspekt außen vor. Konkrete Aktivitäten müssen auch einen gewissen Zeitrahmen vorgeben, innerhalb dessen gewisse Ziele umgesetzt werden - das so genannte "Aktionsprogramm" legt sich auch hier nicht fest. Und zu guter Letzt funktioniert nichts ohne eine klare Budgetvorstellung - auch hier präsentiert das so genannte "Aktionsprogramm" nur eine Lücke.
Im Gegensatz zu den großen Gesundheitsverbänden, die noch mit vornehmer Zurückhaltung wenigstens die Bemühungen der Bundesregierung loben, findet das Forum Rauchfrei deutlichere Worte: "Die Anhörung der Empfehlungen des Drogen- und Suchtrates an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung für ein 'Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention' lässt keine wesentliche Verbesserung der strukturellen Tabakpräventionsanstrengungen der Bundesregierung erwarten". Die Bemühungen der Bundesregierung stellten lediglich eine formale Bemühung dar, ihren Verpflichtungen im Rahmen der internationalen Tabakrahmenkonvention nachzukommen.
Johannes Spatz, Sprecher des Forum Rauchfrei, kritisiert: "Der Drogen- und Suchtrat stellt kein Programm auf, das den anstehenden Forderungen nach umfassendem Tabakwerbeverbot, Abbau aller Zigarettenautomaten und spürbaren Steuererhöhungen gerecht wird." Die aktuelle Forderung nach rauchfreier Gastronomie ohne Ausnahmen ist nicht Bestandteil des Programms. Mit diesen Empfehlungen verliert die Bundesrepublik endgültig den Anschluss an die europäische Tabakkontrollpolitik.
Noch ein weiterer besonders wichtiger Punkt fehlt völlig. Die Empfehlung ignoriert die augenblickliche zentrale Forderung, den Passus der deutschen Arbeitstättenverordnung streichen zu lassen, der vor allem für die Gastronomie den Arbeitsschutz vor dem Passivrauchen verhindert. Anstatt einen rechtlich durchsetzbaren Schutz vor Passivberauchung zu fordern, wird nur ganz unverbindlich von einer "Unterstützung der Umsetzung der Arbeitsstättenverordnung" gesprochen.
Auch weitere zentrale Forderungen der WHO-Konvention werden nicht beherzt umgesetzt, sondern nur kleine kosmetische Anpassungen vorgenommen. Beispielsweise soll die Tabakwerbung in Kinos zukünftig erst ab 20 Uhr erlaubt sein, anstatt wie bisher ab 18 Uhr. Das Außenwerbeverbot soll sich nur auf Großplakate beschränken. Die wesentlich zahlreichere Werbung in Vitrinen, Bushaltestellen und auf den Außenfassaden von Tabakverkaufskiosken soll weiter erlaubt bleiben. Innenwerbung wie in Bahnhöfen, Flughäfen oder Tabakverkaufsstellen wird gar nicht erst angesprochen. Ein Verbot von Sponsoring, Promotion und Schleichwerbung taucht ebenfalls nicht auf.
Als weiteren Rückschritt sieht das Forum Rauchfrei die vom Drogen- und Suchtrat im Zusammenhang mit Zigarettenautomaten vorgeschlagene Erweiterung einer Selbstverpflichtung. Die Selbstverpflichtungen der Tabakindustrie dienten schon bisher nur der Tabakbranche zur Verhinderung rechtlich bindender und einklagbarer Regelungen. Noch Jahre nachdem die Tabakdrogenverkäufer diese so genannte Verpflichtung unterschrieben, verstießen Tausende Zigarettenautomaten im ganzen Land gegen diese Regelung.
Im "Nationalen Aktionsprogramm" fehlt weiterhin die dringend notwendige und seit langem überfällige Anerkennung der Tabakabhängigkeit als Krankheit. Sofern es in der Gastronomie nicht zu uneingeschränkten Rauchverboten kommt, muss auch Lungenkrebs als Berufskrankheit des Gastronomiepersonals anerkannt werden.
Das Forum Rauchfrei ist sich sicher, den Grund für das Versagen des Drogen- und Suchtrates zu kennen: "Die Halbherzigkeit des vorgeschlagenen Aktionsprogramms ist auf die Zusammensetzung des Drogen- und Suchtrates zurückzuführen. Die Mitglieder des Rats kommen zum größten Teil von der Regierung (Bund und Länder). Es ist keine einzige Nichtregierungsorganisation dort vertreten, die sich um Tabakprävention kümmert und nicht überwiegend von der Bundesregierung finanziert wird."
Ganz anders als die Gesundheitsorganisationen begrüßt jedoch die Tabakindustrie das Aktionsprogramm. In einer Pressemitteilung wird es von Philip Morris positiv bewertet, was auf den ersten Blick etwas verwundert. Bei genauer Betrachtung wird jedoch die Bedeutung dieser Aussage klar: für den Tabakmulti bedeutet dieses Aktionsprogramm letztendlich die Garantie, sich auch weiterhin mit einer tödlichen Droge dumm und dämlich verdienen zu dürfen, obwohl alleine in Deutschland Hunderttausende daran sterben.
Der Weltmarktführer will durch derartige Maßnahmen ganz offensichtlich vor allem die Konkurrenz weiter verdrängen und seine Marktführerschaft sichern. So ist die angeführte Aktion im Zusammenhang mit dem jüngsten Vorstoß von Philip Morris zur Festschreibung von Mindestpackungsgrößen zu sehen. Im Alleingang und gegen den erklärten Willen der Konkurrenz wollte der Konzern die Mindeststückzahl von 20 Zigaretten je Packung durchdrücken, war jedoch schließlich mit diesem Vorhaben gescheitert.
Fazit: Das geplante Aktionsprogramm zur Tabakprävention der Bundesregierung ruft nur bei der Tabakindustrie Begeisterung hervor. Im Gesundheitsbereicht tätige Verbände begrüßen zwar prinzipiell das Vorhaben, sind jedoch mangels konkreter Inhalte und Planungen zu Recht enttäuscht. Ohne klare Planungen und vor allem ein angemessenes Budget ist jedoch das ganze Programm absolut nutzlos. Die Selbstbeweihräucherung unserer Bundespolitiker über ihre angeblich so gelungene Leistung sollte endlich einer realistischen Selbstkritik Platz machen, und der Position der Gesundheitsverbände endlich das nötige Gewicht einräumen, anstatt weiterhin den egoistischen Behinderungsversuchen der Tabaklobbyisten nachzugeben.