Gute Aussichten für Tabakwerbeverbot in Deutschland
[23.06.2006/pk]
Die Stellungnahme des EU-Generalanwalts Philippe Léger zur Klage Deutschlands vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen das von der EU beschlossene Tabakwerbeverbot fand in Deutschland ein breites Echo. Dieses Plädoyer hat zwar für den EuGH keine bindende Wirkung, dennoch wird allgemein damit gerechnet, dass das höchste europäische Gericht diesem Vorschlag folgen wird. Das endgültige Urteil wird im Herbst erwartet.
Der Generalanwalt empfiehlt in seinem Gutachten, die deutsche Klage gegen die EU-Richtlinie zur Tabakwerbung abzuweisen. Folgt der Europäische Gerichtshof dieser Empfehlung, muss in Zukunft Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet unterlassen werden. Auch das Sponsoring von grenzüberschreitenden Veranstaltungen ist nach dieser Richtlinie nicht gestattet.
Von Gesundheitsorganisationen und Drogenexperten wurde die Stellungnahme einhellig begrüßt, mit der ein deutscher Sonderweg beim Tabakwerbeverbot klar verneint wird. Seit Jahren ist bekannt, dass Tabakwerbung sehr wohl einen starken Einfluss auf das Konsumverhalten und die konsumierte Menge ausübt, und ganz besonders auch für den immer früher statt findenden Einstieg von Kindern und Jugendlichen in die Nikotindroge maßgeblich verantwortlich ist. Deutschland hatte als einziger EU-Staat gegen die EU-Richtlinie geklagt, in allen anderen EU-Ländern wurde diese Richtlinie fristgemäß umgesetzt.
Die Tabaklobby beugt sich offiziell den rechtlichen Rahmenbedingungen. Unterschwellig versucht sie jedoch weiterhin irrationale Ängste vor dem Tabakwerbeverbot zu schüren, und mit Polemik die Entscheidung der Vernunft ins Lächerliche zu ziehen. Um der Kritik an massiven Verletzungen des Jugendschutzes den Wind aus den Segeln zu nehmen, behauptet die Tabakindustrie ganz dreist, dass die Werbung nur für die Verteilung der Marktanteile entscheidend sei, aber ansonsten hätte sie angeblich keinerlei Wirkung. Jegliche Argumente dafür, von Beweisen ganz zu schweigen, bleibt die Tabakindustrie schuldig.
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das von der Tabaklobby als Katastrophe hochstilisierte Tabakwerbeverbot als halbherzige und vollkommen unzureichende Maßnahme. Die Tabakindustrie erweckt den völlig unzutreffenden Eindruck, es würde in Zukunft keine Tabakwerbung mehr geben. Das EU-Tabakwerbeverbot bezieht sich jedoch nur auf Zeitungen, Zeitschriften und Internet. In Kinos und auf der Straße, an Bushaltestellen und auch in Schulnähe wird weiterhin mit massiver Tabakwerbung zu rechnen sein. Damit bleibt insbesondere hinsichtlich des Jugendschutzes eine deutliche Lücke in der Gesetzgebung bestehen.
Aus den Reihen der Politik kamen wie gewohnt uneinheitliche Reaktionen. Renate Künast, die sich bereits während ihrer Amtszeit als Verbraucherschutzministerin für das Tabakwerbeverbot engagiert hatte, begrüßte die Entscheidung des EU-Generalanwalts. Ihr amtierender Nachfolger Horst Seehofer überraschte durch einen plötzlichen Sinneswandel. Zu seinem Amtsantritt hatte er, unisono mit Justizministerin Zypries, verlauten lassen, das von seiner Amtsvorgängerin in die Wege geleitete Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie werde von ihm nicht mehr weiterverfolgt. Seehofer hatte sich bereits als Bundesgesundheitsminister als ausgesprochener Gegner eines Tabakwerbeverbots profiliert. Die von ihm selbst in Auftrag gegebene Studie zum Tabakwerbeverbot ließ er einfach in der Schublade verschwinden, weil ihm das Ergebnis nicht in den Kram passte. Die Studie hatte ergeben, dass ein Tabakwerbeverbot sich deutlich positiv auswirken würde.
Umso überraschender kommt nun die Verlautbarung Seehofers: "Der Nichtraucherschutz ist mir ein besonderes Anliegen". Seehofer erklärte, das geplante Tabakwerbeverbot unverzüglich umsetzen zu wollen, und schickte zur Demonstration seiner lauteren Absichten auch gleich noch die Forderung nach einem Rauchverbot in der Öffentlichkeit in die politische Diskussion. Bleibt zu hoffen, dass den hehren Worten dieses opportunistischen Politikers auch entsprechende Taten folgen.
Der Spiegel berichtet mit seiner Dokumentation "Rauchen: Das Ende der Toleranz" erstmals in derart umfassender Weise über den Sumpf der Tabaklobby und dessen Umfeld, wie bisher in der deutschen Presse noch nie dagewesen. Das kann auch als erster Erfolg der nahenden Einführung des Tabakwerbeverbots in Deutschland gesehen werden. Denn damit wird nicht nur die Reklame für ein Krebs erzeugendes Produkt reduziert. Der Einfluss der Tabakindustrie auf die Berichterstattung, der über Jahrzehnte die Verbreitung der schockierenden Tatsachen verhinderte, wird durch das Tabakwerbeverbot deutlich eingeschränkt. Entgegen den Behauptungen der Tabaklobby, ein Tabakwerbeverbot würde eine Einschränkung der Pressefreiheit darstellen, ist schon der Lichtblick der neuen Freiheit unserer Presse vor dem "Würgegriff der Tabakindustrie" (Zitat Spiegel) zu sehen.
Es zeichnet sich also ein Silberstreif am Horizont ab. Die bisherige Gesetzeslage in Deutschland ist absolut paradox. Tabakwerbung, die nichts anderes als Krebsreklame ist, unterliegt praktisch kaum Einschränkungen. Ärzte dagegen, die täglich mit den dramatischen Folgen des Nikotinkonsums konfrontiert sind, dürfen nicht einmal mit Kugelschreibern mit ihrer Praxisadresse in der Öffentlichkeit werben, ohne harte Sanktionen zu riskieren.
Abschließend ist trotz dieser positiven Entwicklung dennoch eine Warnung angebracht. Wer die Tabakindustrie kennt, der weiß, mit welcher Arroganz sie sich über gewisse Verpflichtungen hinwegsetzt. Bestes Beispiel hierfür sind anhaltende Verstöße gegen bereits existierende Werbebeschränkungen (die im Übrigen von der EU-Richtlinie gar nicht betroffen sind) oder die unerlaubte Aufstellung von Tabakautomaten in Schulnähe. Es gilt also, die Augen offen zu halten, und Verstöße nach dem Inkrafttreten der EU-Verordnung in Deutschland unverzüglich zur Anzeige zu bringen.