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Halbherziges Rauchverbot in England

[06.11.2005/pk] Nach langen Debatten einigte sich das englische Parlament auf ein Rauchverbot am Arbeitsplatz. In England konnte jedoch, anders als auf dem Rest der britischen Inseln, wo überall ein vollständiges Rauchverbot am Arbeitsplatz einschließlich der Gastronomie gilt, dieses Ziel trotz des Einlenkens von Regierungschef Tony Blair nicht erreicht werden. Gaststätten, die keine Speisen servieren, werden somit nicht rauchfrei, gleiches gilt für private Vereins- und Clubräume. Das Gesetz soll im Sommer 2007 in Kraft treten. Innerhalb von drei Jahren wird es einem Bewährungstest unterzogen und eventuell, so hoffen Befürworter, anschließend noch einmal nachgebessert.

Gesundheitsministerin Patricia Hewitt, die komplett rauchfreie Arbeitsplätze nach irischem Vorbild gefordert hatte, verteidigt dennoch die aktuelle Teillösung. Sie betonte, auch wenn viele gerne schneller und weiter gegangen wären, so würden damit trotz der Ausnahmen 99 Prozent aller Arbeitsplätze rauchfrei, "ein enormer Fortschritt für die Gesundheit aller".

Dennoch finden sich in allen Lagern Kritiker. Der Vorsitzende der British Medical Association, James Johnson, zeigte sich "vollkommen enttäuscht" und sprach von einer verpassten Chance für den Gesundheitsschutz der Allgemeinheit. Und der Gaststättenverband betet trotz der positiven Erfahrungen aus Irland stereotyp die Leier aller großen europäischen Gastronomenverbände herunter, dass jedes Rauchverbot unweigerlich einen Umsatzschwund nach sich ziehen würde, die Gäste später kämen und kürzer verweilten.

Die Folgen des unzureichenden und inkonsequenten Gesetzes treten schon jetzt zu Tage, obwohl bis zur tatsächlichen Umsetzung noch einige Zeit ins Land geht. Experten warnen bereits vor einer bevorstehenden Prozesswelle durch benachteiligte Gastronomiebeschäftigte, die nicht in den Genuss des Rauchverbots kommen. Die British Beer and Pub Association zeigt sich betont gelassen und befürchtet angeblich keine Klagen. Dennoch verlautete bereits von dieser Seite, dass sich die Situation nach dem ersten Musterprozess sicherlich drastisch ändern würde.

Die Times Online berichtet, dass seitens der Gastronomen indes immer häufiger die offene Drohung geäußert wird, zur Umgehung des Rauchverbots in Zukunft kein Essen mehr anbieten zu wollen. Nach Angaben der Gastronomenverbände wollen sich 20 Prozent der Pubs dieser Revolte gegen den Regierungsbeschluss anschließen. Das Industriemagazin "The Publican" kritisiert, dass dadurch eine Spaltung der Gastronomie in verqualmte Hinterhofspelunken und familienfreundliche "Gastro-Pubs" mit Speisenangebot stattfindet. Durch die Zunahme des Tabakkonsums in einem Teil der Einrichtungen werden zudem deren Mitarbeiter einer steigenden Gesundheitsgefährdung ausgesetzt.

Die Abschaffung der Speisen in vielen Pubs verschärft eine weitere negative Entwicklung, die bereits jetzt schon ein ernsthaftes Problem darstellt. Das "Koma-Trinken" wird zunehmen, wenn neben dem Alkohol keine Speisen mehr konsumiert werden können, und die Spirituosenflut ungebremst auf einen leeren Magen trifft. Vergessen wurde im Bericht der Times Online, dass mit der Abschaffung der Mahlzeiten in einer derart großen Zahl von Gastronomiebetrieben ein gewaltiger Arbeitsplatzabbau an Küchenpersonal verbunden ist.

In Anbetracht der englischen Entwicklung können sich die Beobachter von der grünen Insel eines gewissen Deja-Vu-Erlebnisses nicht erwehren. Denn die Republik Irland, wie auch der britsche nördliche Teil der Insel, hat diese Diskussionen und Auseinandersetzungen schon hinter sich gebracht. Und ist dabei nicht wie England auf halbem Wege stecken geblieben, sondern hat von Anfang an Nägel mit Köpfen gemacht, um seine Bürger vor den vielfältigen Gefahren des Tabakqualms umfassend zu schützen.

Die Iren haben das Rauchverbot am Arbeitsplatz sorgfältig vorbereitet und alle betroffenen Interessenverbände ebenso wie Gesundheitsorganisationen in die Planung und Umsetzung einbezogen. Damit haben sie von vornherein die nun in England zu beobachtenden Probleme vermieden. Sowohl auf den britischen Inseln, als auch auf dem europäischen Kontinent gibt es bereits eine Vielzahl von mehr oder weniger gelungenen Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor den schädlichen Folgen der Tabakdroge. England hat es leider versäumt, diese wertvollen Erfahrungen zu nutzen - zu Lasten seiner Bevölkerung.


Quellen und weitere Informationen

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