[13.10.2007/pk]
Schottland erfreut sich seit April 2006 einer neuen Lebensqualität. Weite Teile der Öffentlichkeit sind endlich rauchfrei. Wo die Kellner der schottischen Pubs zuvor noch heftig vom Tabakqualm geplagt waren, machte sich bereits wenige Monate nach der Einführung des Rauchverbots eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen bemerkbar.
Diese Verbesserung ist nicht nur subjektiv wahrbehmbar. Inzwischen liegen auch konkrete Zahlen über den erzielten gesundheitlichen Fortschritt vor. Forscher der Universität Glasgow ermittelten einen signifikanten Rückgang der Zahl der Herzinfarkte in Schottland. Innerhalb eines Jahres nach Einführung des Rauchverbots sank die Zahl der nicht aktiv rauchenden Infarktpatienten, die in den schottischen Herzkliniken behandelt werden mussten, um ganze 20 Prozent.
Das Rauchverbot hat definitiv einen gewaltigen Fortschritt im Gesundheitsschutz gebracht. "Das Wunder von Schottland", wie der Focus titelt, wurde auch mit vergleichsweise geringem Aufwand erzielt. Bisher konnte eine jährliche Senkung um etwa drei Prozent durch millionenteure Aufklärungskampagnen der Mediziner erreicht werden, was bereits eine durchaus beachtliche Leistung darstellt. Mit einem Schlag 20 Prozent weniger Herzinfarkte durch eine so einfache und auch konstengünstige Maßnahme wie einem Rauchverbot zu erreichen, bedeutet eine enorme Entlastung des gebeutelten Gesundheitssystems.
Die Quote von 20 Prozent bezieht sich übrigens nur auf die Nichtraucher, wobei wohl korrekter von Passivrauchern zu sprechen wäre. Immerhin profitierten auch die Raucher merklich vom Rauchverbot. Bei ihnen sank die Zahl der Herzinfarkte seit Beginn der rauchfreien Zeitrechnung immerhin um 17 Prozent.
Die durchschlagende Wirkung einer so einfachen Maßnahme, wie sie das Rauchverbot in der Öffentlichkeit darstellt, versetzte viele Briten in Erstaunen. Die bekannten Desinformationskampagnen der Tabaklobby schufen gezielt Wissenslücken. Welcher vom Passivrauch geplagte Mensch kennt nicht die pampige Antwort auf sachliche Argumente bezüglich der schädlichen Wirkung des Rauchens: "das Rauchen ist doch nicht an allem schuld". So mutmaßten einige, das Wetter wäre dafür verantwortlich. Der Londoner "Times" war der Erfolg dieser "besten und billigsten Gesundheitsmaßnahme seit Erfindung des Freizeitsports" ebenfalls nicht so ganz genehm, weshalb sie zu "gesundem Skeptizismus" aufrief.
Das Ergebnis ist jedoch nicht so erstaunlich (und auch ausreichend wissenschaftlich belegt, was insbesondere von hartgesottenen Tabaklobbyisten immer wieder verleugnet wird). Aus etlichen Ländern, die bereits wesentlich früher eine fortschrittliche Tabakkontrollpolitik entwickelt hatten, liegen ebenfalls Forschungsergebnisse vor, die das schottische Resultat bestätigen.
Irische Gesundheitsexperten berichteten auf dem Kardiologenkongress in Wien, dass die Zahl der Herzinfarkte seit dem Rauchverbot im März 2004 um 11 Prozent abgenommen hat. Im italienischen Piemont sank die Zahl der unter 60-Jährigen Infarktopfer nach Einführung des Rauchverbots im Januar 2005 ebenfalls um 11 Prozent, nachdem die Zahl zuvor stetig gestiegen war. In Pueblo im US-Bundesstaat Colorado führte das Rauchverbot im vergangenen Jahr zu einer 27-prozentigen Senkung der Herzinfarktrate.
Die eindrucksvollsten Zahlen kann die Kleinstadt Helena im US-Bundesstaat Montana vorweisen. Dort sank die Zahl der Herzinfarkte nach einem Rauchverbot im Jahr 2002 um ganze 40 Prozent. Nachdem ein (nicht gerade verantwortungsvoller) Richter die Wiedereinführung der rücksichtslosen Qualmerei erzwungen hatte, stiegen die Myokard-Infarkte wieder auf das ursprüngliche Niveau.
Rauchverbotsgegner machten geltend, dass eine derart schnelle Reaktion auf vermindertes Rauchverhalten in der Praxis angeblich überhaupt nicht möglich sei. Gerne wird bei tabakrauchbedingten Erkrankungen der Vergleich mit Lungenkrebs herangezogen, dessen Wahrscheinlichkeit mit der Anzahl der konsumierten Glimmstängel ansteigt. Auch der bekannte Zusammenhang von Rauchen mit Arteriosklerose liefert hier keine Erklärung für die schnelle Wirkung, da sich die Ablagerungen an den Innenwänden der Blutgefäße sich nur langsam aufbauen.
Nach den Erkenntnissen der Medizin verhält es sich jedoch bei tabakrauchbedingten Herzinfarkten anders. Hier gibt es diese "lineare Dosis-Wirkung-Beziehung" nicht, bereits nach wenigen Stunden des Passivrauchens sind messbare Veränderungen im Blut nachweisbar. Dazu zitiert Der Spiegel Tobias Raupach, wissenschaftlicher Leiter der Raucherentwöhnungsambulanz an der Universitätsklinik Göttingen: "Das Gespenstische daran sei, dass beim Rauchen, ob aktiv oder passiv, eine minimale Dosis bereits einen maximalen Effekt nach sich ziehen könne. Ähnlich wie bei einer Schneelawine reicht schon ein kleiner Anstoß zu einer Kaskade von Ereignissen."
Forscher der Universität Edinburgh ermittelten einen direkten Einfluss von Abgasen auf die Herzfunktion. Entsprechende Resultate konnten ebenfalls beim Einatmen von Tabakrauch nachgewiesen werden. Das Herz wird nur noch unzulänglich durchblutet und mit weniger Sauerstoff versorgt. Ein Infakt wird dadurch begünstigt.
Als besonders gefährlicher Infarktauslöser hat sich Feinstaub erwiesen, so Annette Peters vom Institut für Epidemiologie des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit im Gespräch mit FOCUS-Online: "Offenbar erhöht sich durch die eingeatmeten Partikel unmittelbar die Blutgerinnungsneigung des Blutes. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sich Blutgerinnsel bilden, die letztendlich den Infarkt auslösen."
Besonders die Feinstaubbelastung durch Tabakqualm in Innenräumen, die häufig über den zehnfachen Wert der Belastung an den meistbefahrenen Stadtautobahnen ansteigt, ist also ein herausragender Risikofaktor zur Ausbildung eines Herzinfarkts. Wie eine Mailänder Studie ermittelt hatte, ist die Feinstaubbelastung einer Zigarette im Vergleich zu einem Dieselmotor erschreckend hoch. Höchste Eisenbahn also, auch in Deutschland endlich einen umfassenden und wirksamen Schutz vor dem Luftschadstoff Tabakrauch einzuführen und durchzusetzten. Warum sollen nur Dieselmotoren ohne Filter aus den Innenstädten verbannt werden, die vielfach schädlicheren und gerfährlicheren Tabakschadstoffe aber weiterhin den Mitmenschen ungehindert um die Nase wehen...?