Kinder müssen im Auto ganz besonders vor Passivrauch geschützt werden
Griechenlands Vorstoß ermutigt zu EU-weitem Rauchverbot im PKW
[02.07.2011/pk]
Die EU unternimmt einen neuen Vorstoß zum Schutz der Kinder vor Passivrauchen im Auto. Natürlich müssen Kinder überall und ausnahmslos vor dem gesundheitsschädlichen Tabakqualm geschützt werden. Auf engstem Raum im PKW ist jedoch die Feinstaub- und Schadstoffbelastung extrem hoch, so dass hier vordringlicher Handlungsbedarf besteht. Die irische Gesundheitsexpertin im EU-Parlament, Nessa Childers, forderte daher die EU-Komission auf, den Schutz vor Zwangsberauchung in Europa zu verbessern.
Insbesondere der Kinderschutz müsse verbessert werden, so die Forderung der Gesundheitsexpertin, die auch von EU-Gesundheitskommissar John Dalli mitgetragen wird. Ein wichtiger Punkt ist ein Rauchverbot in Privatfahrzeugen, wenn sich Kinder an Bord befinden. Auch weitere Gesetze sollen angepasst werden, um den Schutz vor Passivrauchen voranzubringen. Wie die Gesundheitsexpertin erklärte, könne die Belastung durch Passivrauch im Auto 23-mal höher als in Wohnräumen sein. In der praktischen Umsetzbarkeit sieht Childers ebenfalls kein Problem: "Wenn die europäischen Bürger in der Lage sind, während der Fahrt nicht mit dem Handy zu telefonieren und nahtlos die Gurtpflicht zu übernehmen, dann können sie auch aufhören zu rauchen, wenn Kinder im Auto mitfahren."
Zeitungsberichten zufolge werden die Pläne von der EU-Kommission unterstützt. Angesichts möglicher Kompetenzstreitigkeiten sieht die EU-Kommission insbesondere die Mitgliedsstaaten in der Pflicht. EU-Gesundheitskommissar Dalli erklärte auf Childers' Anfrage im EU-Parlament, "die Kommission ermutigt die Mitgliedsländer, Gesetze zu beschließen oder zu verschärfen, um die Bürger, insbesondere Kinder, vor Tabakrauch zu schützen".
Griechenland hat diesen Schritt bereits vollzogen, im Dezember 2010 trat eine entsprechende gesetzliche Regelung in Kraft. Das Qualmen ist nun in allen Kraftfahrzeugen in der Gegenwart von Kindern unter 12 Jahren untersagt. Der ADAC weist darauf hin, dass diese Regelung nicht nur Privatfahrzeuge betrifft, sondern auch Taxen und Busse. Ein Verstoß im Privatfahrzeug wird mit Geldbußen von 1.500 Euro geahndet, wobei das Rauchverbot selbstverständlich für alle Personen gilt, nicht nur für den Fahrer. Bei öffentlichen Verkehrsmitteln trägt der Fahrer die Verantwortung dafür, dass in seinem Fahrzeug in Gegenwart von Kindern niemand raucht. Zuwiderhandlungen werden hier mit einer Geldbuße bis zu 3.000 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot geahndet.
Wie der ADAC erläutert, haben ausländische Urlauber keine Narrenfreiheit. Wer sich nicht an das Gesetz hält, wird von der Polizei vor Ort zur Kasse gebeten oder muss alternativ eine Kaution leisten. Wie jeder andere Verkehrsverstoß im EU-Ausland kann die Verletzung des griechischen Rauchverbots im PKW seit dem vergangenen Jahr nachträglich in Deutschland vollstreckt werden.
Die Notwendigkeit rauchfreier Kraftfahrzeuge zum Schutz der nichtrauchenden Mitfarher zeigt eine zu Beginn des Jahres veröffentlichte Studie aus Schottland. Die Forscher verwendeten eine kindgroße Puppe und verbanden deren Mund mit der neuesten Technik zur Messung der Rauchbelastung. Auf dem Rücksitz eines Fahrzeugs "atmete" diese "Testperson" derart hohe Passivrauchkonzentrationen ein, wie sie vor Einführung des Rauchverbots in den verqualmtesten Pubs anzutreffen war.
Die Studie räumte auch die weit verbreitete irrige Meinung auf, dass das Öffnen der Autofenster die Kinder vor den Gefahren des Tabakqualms schützen würde. Dadurch lässt sich nur eine minimale Senkung der Giftkonzentration erreichen, von einem sicheren Niveau sind die gemessenen Werte jedoch Welten entfernt. Kinder sind auf Grund einer Reihe von Faktoren weitaus stärker gefährdet als Erwachsene. Durch die schnellere Atmung nehmen sie deutlich mehr Schadstoffe auf. Die Atemorgane befinden sich noch in der Entwicklung und sind deshalb anfälliger und auch das Immunsystem ist noch nicht ausreichend entwickelt. Letztendlich ist es insbesondere Kindern nicht möglich beziehungsweise wird ihnen nicht gestattet, sich selbst aus der Gefahrenzone zu entfernen.
Der Leiter der Studie erläutert, die Luftqualität in Fahrzeugen in denen geraucht werde, ist deutlich schlechter als das übliche Niveau der Luftverschmutzung im Freien. Die Schadstoffbelastung ist vergleichbar mit der höchsten Smog-Alarmstufe in einer großen Industriestadt. Da diese Schadstoffe auch noch lange nach der letzten Zigarette im Auto festhängen, sollte auf die Kippe im Fahrzeug generell verzichtet werden, auch wenn sich gerade kein Kind mit an Bord befindet.
Eine an der Studie beteiligte Gesundheitsexpertin äußerte, niemand käme heute mehr auf die Idee, ein Kind in eine verqualmte Kneipe mitzunehmen. Autofahrer hingegen wären sich der Gefahr durch ihren Tabakkonsum jedoch meist nicht bewusst, oder glaubten fälschlicherweise an Abhilfe durch völlig unwirksame Maßnahmen. Im Vereinigten Königreich ist es schockierende Realität, dass immer noch 15 Prozent aller Raucher ihre Minderjährigen im Fahrzeug durch Tabakrauch gefährden.
Die erschreckenden Ergebnisse zur Passivrauchbelastung von Minderjährigen lässt sich mit entsprechenden Fakten untermauern. Jährlich müssen deswegen in Großbritannien nach Angaben der Gesundheitsbehörden 10.000 Kinder stationär im Krankenhaus behandelt werden. Die zu behandelnden Symptome reichen von Atemwegserkrankungen (Asthma, Bronchitis, Lungenentzündung usw.) bis hin zur schweren Mittelohrentzündung, die sogar Taubheit zur Folge haben kann. Insgesamt müssen Kinder im Vereinigten Königreich jährlich 300.000 Arztbesuche wegen tabakrauchbedingter Erkrankungen über sich ergehen lassen.
Die nationalen Gesundheitsbehörden starteten deshalb umgehend eine Aufklärungskampagne, um Kinder vor der extremen Passivrauchbelastung in Kraftfahrzeugen besser zu schützen. Im Rahmen der Aktion wurden auch 15.000 Aufkleber mit dem Slogan "Unser Auto ist rauchfrei" verteilt.
In Deutschland macht die Raucherlobby, deren Interessen insbesondere von der FDP lautstark vertreten werden, massiv Stimmung gegen ein Rauchverbot im Auto. Gerade die Liberalen fordern gerne die uneingeschränkte bürgerliche Freiheit, wobei ihnen rücksichtsloser Drogenkonsum besonders wichtig zu sein scheint. Darunter leiden Kinder am allermeisten, denn sie können sich am allerwenigstens gegen die Körperverletzung durch Zwangsmitrauchen zur Wehr setzen. Die Gesundheit nicht wahlberechtigter Minderjähriger ist der FDP jedoch offensichtlich völlig gleichgültig.
Als Totschlagargument gegen rauchfreie PKWs muss weiterhin die angebliche Unmöglichkeit von Kontrollen herhalten. Das gleiche Argument träfe sicherlich gleichermaßen auf die Gurtanlegepflicht oder das Handyverbot am Steuer zu - beide wurden trotzdem gesetzlich eingeführt und werden seitdem polizeilich kontrolliert. Bei den ohnehin stattfindenden stichprobenartigen Polizeikontrollen sind auch ein Alkoholtest oder die Prüfung des Verfallsdatums des Verbandskastens die Regel. Es gibt keinerlei stichhaltigen Grund, warum rücksichtslose Qualmer im Beisein von Kindern nicht zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Ein Zeitungsbericht des Telegraph aus Wales zeigt, wie einfach und effizient derartige Kontrollen durchführbar sind.
Fazit: Solange das Rauchen im Auto nicht gesetzlich verboten ist - zumindest in Gegenwart von Kindern - missbraucht die Mehrheit der Raucher dieses Argument als Ausrede für eine rücksichtslose Zwangsberauchung ihrer minderjährigen Mitfahrer. Mit der Pseudologik aller (Nikotin-)Süchtigen wird aus einem fehlenden Verbot die Schlussfolgerung gezogen, dass die gesundheitsschädliche Wirkung nicht so schlimm sein könne. Andernfalls wäre das Rauchen im Auto ja sicherlich verboten. Ungeachtet aller Kontrollen ist deshalb das Rauchverbot im Auto dringend erforderlich, um selbst hoffnungslos nikotinvernebelten Eltern klarzumachen, dass ihr Tabakkonsum den Kindern dort ganz besonders schadet.