Bayerisches Gesundheitsschutzgesetz besteht erneute Bewährungsprobe
Ausnahmsloses Rauchverbot vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof bestätigt
[23.04.2011/pk]
Am 4. Juli 2010 feierte Bayern mit dem gewonnenen Volksentscheid "JA zum Nichtraucherschutz" seinen Unabhängigkeitstag. Diese symbolträchtige Befreiung vom Diktat einer nikotinsüchtigen Minderheit ist natürlich dem rücksichtslosen Gewinnstreben der Tabakindustrie ein Dorn im Auge. So kämpft seit diesem Unabhängigkeitstag eine kleine Meute von Tabakabhängigen, aufgestachelt von der Tabaklobby, verbissen um ihre uneingeschränkte Suchtausübung. Die erste Feuerprobe bestand das bayerische Gesundheitsschutzgesetz bereits einen Monat nach dem Volksentscheid, als es vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform abgesegnet wurde. Insbesondere sei eine Höherbewertung des Gesundheitsschutzes vorrangig gegenüber der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher.
Dennoch versuchen die Tabakjünger weiterhin mit allen Tricks, dieses Gesetz zu Fall zu bringen. Eine Wirtin beschäftigte seit geraumer Zeit den Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) mittels einer Popularklage gegen das Gesundheitsschutzgesetz. Die oberste Instanz der Bayerischen Rechtssprechung wies diese nun ab. Teilweise sei die Popularklage unzulässig, da beanstandete Vorschriften bereits in früheren ähnlichen Verfahren abschließend behandelt worden waren - wobei nebenbei bemerkt in allen Fällen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen festgestellt wurde. Die aktuelle Popularklage, soweit sie für zulässig befunden wurde, sei jedoch ebenfalls unbegründet. Das einheitliche Rauchverbot in bayerischen Gaststätten sei mit der Verfassung des Freistaats uneingeschränkt vereinbar.
Laut Urteilsbegründung sind die Einschränkungen des Tabakkonsums "angesichts der andernfalls drohenden Gesundheitsgefährdung unbeteiligter Dritter in jedem Fall zumutbar" und "nicht unverhältnismäßig". Wie bereits zuvor das Bundesverfassungsgericht bewertete auch der Bayerische Verfassungsgerichtshof den "schwerwiegenden Eingriff in die freie Berufsausübung" der Gastwirte in diesem Zusammenhang als gerechtfertigt und zumutbar. Der Gesetzgeber erfülle, so die Richter weiter, mit dem Rauchverbot seinen "grundrechtlichen Schutzauftrag" und verfolge "überragend wichtige Gemeinwohlbelange".
Getreu der Verunsicherungs- und Hinhaltetaktik der Tabaklobby (Stichwort "Passivrauchlüge") hatte die klagende Wirtin den "sicheren Nachweis" der erheblichen Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen, und bis zu dessen Erbringung die Aussetzung des Gesundheitsschutzgesetzes, gefordert. Die Richter sahen diese jedoch (u.a. durch Studien des Deutschen Krebsforschungszentrums in Zusammenarbeit mit weiteren renommierten Forschungsinstituten) ausreichend belegt und deren Voraussetzung als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es "keine ausreichende Lösung, Raucherlokale oder abgetrennte Nichtraucherbereiche auszuweisen", denn der Gesetzgeber verfolge schließlich das Ziel, "die Gefahren durch Passivrauchen in Gaststätten generell auszuschließen". Bemerkenswert ist in den Ausführungen der bayerischen Verfassungsrichter der Nachsatz, mit dieser gesetzlichen Regelung "auch Nichtrauchern die uneingeschränkte Teilnahme am dort stattfindenden gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen."
Einige Wirte, so auch die Urheberin der Popularklage, argumentieren immer wieder mit angeblichen Umsatzrückgängen durch das Rauchverbot (bemerkenswerterweise ohne dafür bisher einen Nachweis erbracht zu haben). Hierzu nahm der Bayerische Verfassungsgerichtshof ebenfalls Stellung, wobei er zu Gunsten der Tabaklobbyisten sogar die Möglichkeit von Umsatzrückgängen bei den Wirtshäusern bis hin zu Schließungen einräumte. Diese müssten jedoch angesichts der zuvor bereits erwähnten "überragend wichtigen Gemeinwohlbelange" in den Hintergrund rücken. Dabei bezogen die Verfassungsrichter in ihrer Urteilsbegründung ausdrücklich Lokale wie Shisha-Cafés, Zigarren-Lounges und Einraumgaststätten ("Eckkneipen") mit ein. Die Richter bestätigten die Notwendigkeit des Verbots, "weil ein anderes, gleich wirksames, aber die Handlungsfreiheit der Betroffenen weniger einschränkendes Mittel nicht zur Verfügung steht".
Eine Unverhältnismäßigkeit dieser gesetzlichen Regelung vermochten die Richter ebenfalls nicht zu erkennen. Sie waren dem (insbesondere von militanten Rauchern gerne geäußerten) Vorwurf auf den Grund gegangen, dass es sich hier angeblich um ein "totales" oder gar "totalitäres" Rauchverbot handeln würde. Dies verneinte das Gremium jedoch eindeutig: es handele sich bei diesem Rauchverbot nicht um ein generelles Glimmstängelverbot, sondern um ein lokal beschränktes. Per Gesetz rauchfrei sind nur öffentlich zugängliche Orte, an denen Dritte anderenfalls dem Zwangsmitrauchen ausgesetzt wären. Den Rauchern bleibe noch ausreichend Raum, ihrer Suchtbefriedigung nachzugehen. Sie würden durch das Rauchverbot "weder unzulässig bevormundet noch wird ihnen ein ungewollter Schutz vor Selbstgefährdung aufgedrängt", so die Richter des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.
Zur angeblichen Ausgrenzung von Rauchern erläuterten die obersten bayerischen Richter in ihrer ausführlichen Urteilsbegründung: "Rauchwillige Personen werden auch nicht von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen, zumal sie die Möglichkeit haben, die vom Rauchverbot erfassten Innenräume zum Rauchen vorübergehend zu verlassen. Der damit verbundene Aufwand ist ihnen angesichts der andernfalls drohenden Gesundheitsgefährdung unbeteiligter Dritter in jedem Fall zumutbar."
Das Argument, nicht rauchende Gaststättenbesucher würden sich freiwillig der Belastung durch Tabakrauch aussetzen, ließen die Richter ebenfalls nicht gelten: "Auch der freiwillige Besuch solcher Lokale bedeutet typischerweise kein Einverständnis mit einer Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen, sondern nur die faktisch unvermeidbare Inkaufnahme dieses Risikos, um uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben durch den Besuch einer ausgewählten Örtlichkeit teilnehmen zu können." Für die Verfassungsmäßigkeit sei weiterhin, so die Richter, ein empirischer Nachweis der Verfügbarkeit ausreichender Ausweichmöglichkeiten für Nichtraucher - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht relevant. Kurz zusammengefasst bedeutet das, Nichtraucher müssen sich nicht zwangsberauchen lassen, um einer gesellschaftlichen Ausgrenzung zu entgehen.
Die bayerischen Verfassungsrichter erteilten auch weiteren von Tabakanhängern gerne benutzten Tatsachenverdrehungen eine klare Absage. Es handelt sich hierbei insbesondere um Verleumdungen, mit denen sich der Täter (Raucher als Verursacher von Luftverschmutzung und Gesundheitsgefährdung durch Tabakrauchschadstoffe) zum Opfer stilisiert. So würden Raucher durch die gesetzliche Regelung "weder unzulässig bevormundet noch werde ihnen ein ungewollter Schutz vor Selbstgefährdung aufgedrängt". Nebenbei bemerkt, auch diese von der klagenden Wirtin vorgetragenen Argumente sind gerne gebrauchte Phrasen von Tabaklobbyisten in der Rauchverbotsdiskussion.
Anmerkungen: In seiner ausführlichen Urteilsbegründung hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit einer Reihe von Vorurteilen aufgeräumt, mittels derer Raucher letztendlich ihre Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Mitmenschen zu rechtfertigen versuchten. Das Dokument ist damit für alle, die immer noch anderweitig Zwangsberauchung ausgesetzt werden, äußerst lesenswert. Es ist durchaus verständlich formuliert, und nicht von unverständlichem Juristenkauderwelsch geprägt.