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Fotodokumentationen

Bayern sagt JA zum Nichtraucherschutz

Das Volk lässt sich nicht von der Tabaklobby kaufen

[04.07.2010/pk] Im heutigen Volksentscheid hat sich Bayern für einen echten Nichtraucherschutz in der Gastronomie entschieden. Mit einer deutlichen Mehrheit von 61 Prozent stimmten die Bürger für den Gesetzesentwurf der ÖDP. Damit gilt in Bayern ab dem 1. August ein Reinheitsgebot für die Wirtshausluft. Sebastian Frankenberger, Sprecher des Volksbegehrens und stellvertretender Landesgeschäftsführer der ÖDP: "Gesundheitsschutz, Jugendprävention und mehr Lebensqualität für uns alle haben sich durchgesetzt gegen die Interessen der Tabaklobby. 'Bayern atmet auf', stand auf unseren Plakaten und genau das tun wir jetzt: Aufamten!"

Frankenberger unterstreicht, dass diesmal weder Politiker noch Lobbyisten entschieden haben, sondern das Volk: "Noch nie haben so viele Bürger bei einem Volksbegehren unterschrieben beziehungsweise bei einem Volksentscheid von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht." Damit haben die Wähler den Fehler der Politik korrigiert, der mit der Aufweichung des bayerischen Gesundheitsschutzgesetzes durch Raucherklubs begann und in der Rücknahme des ursprünglichen Gesetzes auf Druck des Koalitionspartners FDP gipfelte.

Der erfolgreiche Volksentscheid sorgt nun für einheitliche und eindeutige Verhältnisse ohne Ausnahmen. Damit sind die Ausreden der zuständigen Behörden hinfällig, dass komplizierte gesetzliche Regelungen eine wirksame Kontrolle verhindern würden. Aufatmen können nun die Beschäftigten in der Gastronomie, die nicht einfach wie die Gäste zu Hause bleiben konnten, um dem gesundheitsschädlichen Qualm zu entgehen. Aufatmen können jetzt insbesondere auch Familien mit Kindern, die bislang vor allem auf dem Land meist keinerlei Alternative zu verqualmten Wirtshäusern und Festzelten fanden.

In der vorangegangenen Diskussion um den Volksentscheid hatte sich immer deutlicher herauskristallisiert, dass die Tabakindustrie die Gastronomie als vorgeschobenen Vertreter ihrer eigenen Interessen benutzte. In der Tabakzeitung Ausgabe 13/10 vom April ist die Warnung des Vorstands der Mittelständischen Tabakunternehmen zu lesen: "Wenn Bayern fällt, fällt nicht nur ein großer Konsumentenmarkt, sondern es kann Signalwirkung auf das gesamte Bundesgebiet haben." Eine klare Kampfansage der Tabaklobby, dass das Volksbegehren für einen konsequenten Nichtraucherschutz ohne Ausnahmen nicht erfolgreich sein dürfe.

Erst kurz vor dem Wahltag enthüllte der Deutschlandfunk, dass insgesamt drei Viertel des Etats der Kampagne "Bayern sagt Nein" von der Tabaklobby stammen. Die Gegner des Volksbegehrens hatten immer behauptet, sie würden in erster Linie die Interessen der Gastronomie vertreten, die bei einem Rauchverbot angeblich ihre Existenzgrundlage verlieren würde. Die Verantwortlichen der Kampagne "Bayern sagt Nein" erweckten bisher den Eindruck, es würde nur ein Viertel ihres Etats von der Tabakindustrie zur Verfügung gestellt.

Bislang war nur der Beitrag des Deutschen Zigarettenverbandes bekannt, der 150.000 Euro für den Kampf gegen ein konsequentes Rauchverbot zur Verfügung stellte. Weitere 100.000 Euro stammen jeweils vom Verband der Tabakgroßhändler und vom Verband der Rauchtabakindustrie. Der Verband der mittelständischen Tabakunternehmen sponserte 1,7 Millionen Feuerzeuge im Wert von 100.000 Euro. Vergleichsweise bescheiden fiel der Beitrag des Zigarrenverbands für den Kampf der Lobbyorganisation gegen die rauchfreie Gastronomie mit 10.000 Euro aus. Der aufsummierte Betrag von 460.000 Euro entspricht drei Vierteln des Budgets von "Bayern sagt Nein", das im März auf 615.000 Euro beziffert wurde. Nicht enthalten sind in dieser Summe beispielsweise die unentgeltliche Betreuung des Internet-Auftritts der Kampagne durch die Raucherzeitschrift "Fine Tobacco".

Sebastian Frankenberger kommentiert den Bericht wie folgt: "Es wird immer deutlicher, in welchem Ausmaß die Kampagne gegen die rauchfreie Gastronomie in Bayern von der Tabaklobby finanziert und gesteuert wird. Im Gegensatz zu den Rauchverbotsgegnern haben wir unser Budget auf unserer Internetseite offengelegt. Es gibt einige Ärzteverbände, Kinderstiftungen, Umweltinitiativen und andere Einrichtungen, die von sich aus aktiv geworden sind, um für ein Ja zum Nichtraucherschutz zu werben. Darüber haben wir aber keinen Überblick und können deshalb dazu auch keine Angaben machen. Solche Parallelaktionen tauchen aber auch bei der Gegenseite nicht im Budget auf. Die FDP zum Beispiel fährt eine eigene massive Kampagne gegen den konsequenten Nichtraucherschutz, sie hat dazu sogar einen landesweiten Aktionstag veranstaltet."

Die Nein-Sager unterstellten der ÖDP sogar, das Volksbegehren durch großzügige Industriespenden von der Pharmaindustrie finanzieren zu lassen. Die ÖDP nimmt jedoch satzungsgemäß keine Mittel aus der Wirtschaft an, um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Nach einem anwaltlichen Schreiben musste die Gegenseite diese Behauptung wieder zurück nehmen.

Die Kampagne "Bayern sagt Nein" zog mit unautorisierten Fotos und missbräuchlichen Zitaten auch den Ärger von Prominenten auf sich. Der Münchner Kabarettist und Schriftsteller Helmut Ruge, der auf der Internetseite "Stimmen der Prominenz" zur Stimmungsmache gegen die rauchfreie Gastronomie instrumentalisiert wurde: "Das ist ja wohl ne Verarschung! Die haben mich ohne mein Wissen für ihre Kampagne benutzt." Ruge bekennt sich zum Nichtraucherschutz: "Ich halte es für empörend, dass diese Kampagne im Namen der Freiheit geführt wird. Die Freiheit hat da ihre Grenzen, wo anderen geschadet wird. Darum bin ich ganz klar für den Nichtraucherschutz."

Reinhold Messner, Lisa Fitz und Werner Schneyder wurden ebenfalls ungefragt von der Kampagne "Bayern sagt Nein" als Kronzeugen im Kampf für Freiheit und Toleranz benutzt. Der Bergsteiger engagiert sich für die Nikotinentwöhnung und ist ein erklärter Gegner des Rauchens. Lisa Fitz zählt zu den Unterstützern das Volksbegehrens für echten Nichtraucherschutz. Beide ließen ihre Fotos von der Webseite der Kampagne entfernen.

Der österreichische Kabarettist Werner Schneyder, der sich als Nichtraucher bezeichnet der sich gelegentlich eine Zigarre gönnt, hält zwar eine friedliche Koexistenz von Raucher- und Nichtraucherlokalen "durchaus für möglich". Die Vereinnahmung durch die Kampagne "Bayern sagt Nein" weist Schneyder jedoch empört zurück: "Mein Bekenntnis zu 'Freiheit und Toleranz' bedeutet keineswegs, dass ich eine Gesetzgebung gegen das Rauchen in Lokalen und öffentlichen Gebäuden nicht für geboten halte. [...] Die Verwendung meiner Meinung im Rahmen einer Wahlwerbung ist nicht autorisiert. Der Wortlaut des Textes zu meinem Bild ist redaktionell ergänzt."

Fazit: Trotz dieser Diffamierungs- und Vertuschungsstrategien und ihres finanziellen Übergewichts konnte die Tabaklobby das Volk nicht kaufen. Anders als die Liberalen und die so genannten christlichen Parteien CDU und CSU, die entgegen den Verpflichtungen aus der WHO-Tabakkonvention immer noch mit der Tabakindustrie klüngeln, beugte sich das Volk nicht länger dem Diktat und den Unheilsdrohungen der Nikotindrogenindustrie. Vor dem Internet-Zeitalter hatte die Tabaklobby noch weitgehend die Herrschaft über die Berichterstattung in den Medien. Dank Internet, Facebook und Twitter hat das Volk endlich eine reelle Chance gegen den Klüngel von Politikern und Lobbyisten. Somit stellt der erfolgreiche Volksentscheid ein positives Zeugnis für die Funktionsfähigkeit der Demokratie dar.


Quellen und weitere Informationen

Anmerkungen:

Nachtrag vom 04.08.2010
Das Bundesverfassungsgericht hat einstimmig das per Volksentscheid verabschiedete Rauchverbot in einem heute veröffentlichen Beschluss als verfassungskonform beurteilt. Es sei völlig in Ordnung, dass der Gesetzgeber den Gesundheitsschutz höher bewertet als die Berufsfreiheit der Gastwirte und die Verhaltensfreiheit der Raucher. Auch sei ein generelles Rauchverbot nicht unverhältnismäßig. Die obersten Verfassungrichter teilten mit, Ausnahmeregelungen seien "praktisch nicht zu kontrollieren und würden geradezu zur Umgehung des Verbots einladen". Außerdem sei es "von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber zugleich einen konsequenten Schutz sämtlicher Beschäftigter in der Gastronomie anstrebt". Geklagt hatten eine Raucherin und zwei Wirte, die das Rauchverbot wieder kippen wollten.

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