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Tabaklobbyisten hetzen gegen Mediziner

Presse verbreitet ungeprüfte Lügengeschichten

[17.07.2008/pk] In den vergangenen Wochen und Monaten geisterte bereits so mancherlei abstruse Meldung durch die deutsche Presselandschaft, mit der Stimmung gegen Nichtraucher und gegen Rauchverbote gemacht wurde. Einen neuen Höhepunkt erreichten nun die Hetztiraden von Tabakdrogenverfechtern mit einer Kampagne gegen einen Soltauer Chefarzt. Der Mediziner hatte es gewagt, einer starken Raucherin vor der geplanten Operation nahe zu legen, das Rauchen entweder ganz aufzuhören, oder wenigstens deutlich einzuschränken.

Laut Ärzte Zeitung trug sich die Angelegenheit wie folgt zu. Nach einem Skiunfall sollte eine 38-Jährige am Kreuzband operiert werden. Die Frau hatte bereits einen Termin mit der Soltauer Klinik für den medizinischen Eingriff vereinbart. Wegen einer starken Bronchitis der Patientin, die nach unterschiedlichen Angaben etwa 40 bis 50 Zigaretten raucht, sagte der Chefarzt die Operation am Tag vor dem geplanten Termin ab. Er wollte die Frau drei Wochen später operieren, und empfahl ihr, bis dahin das Rauchen am besten ganz zu lassen, oder zumindestens stark einzuschränken. Entsprechendes riet er ihr auch für eine gewisse Zeit nach der Operation.

Der Arzt hatte neben der Bronchitis als Begründung für die Einschränkung des Tabakkonsums auf geringere Heilungschancen bei Rauchern hingewiesen, ebenso auf die größere Gefahr von Komplikationen. Hinweise auf Studien aus den USA sollten der Patientin die medizinische Notwendigkeit des eingeschränkten Tabakkonsums vermitteln. Nach Aussage des Klinik-Geschäftsführers hätte der Arzt einen Wiederholungseingriff riskiert, die Verschiebung des Termins und die Ermahnungen bezüglich des Zigarettenkonsums seien somit eine verantwortungsvolle und vernünftige Entscheidung.

Die Patientin war offensichtlich so schockiert von der Forderung, ihre Drogensucht aus medizinischen Gründen einschränken zu müssen, dass sie gleich die Bild-Zeitung informierte. Das Boulevard-Blatt verbreitete die Story unter dem reißerischen Titel "Zigaretten-Zoff immer irrer - Erster Arzt operiert keine Raucher". Nach Darstellung der Bild-Zeitung hatte der Arzt der Kette rauchenden Patientin angeblich mitgeteilt, er würde sie nicht operieren weil sie Raucherin sei. Sie sollte zuerst einen Raucherentwöhnungskurs machen, und könnte dann als Nichtraucherin wiederkommen. Das Blatt stellte den Mediziner wörtlich als "Deutschlands ersten Arzt, der keine Raucher mehr operiert" dar.

Die Bild-Zeitung zitiert den Arzt weiter mit den Worten "Ein Arzt hat den Auftrag, nicht zu schaden. Deshalb operiere ich grundsätzlich keine Raucher, nur im akuten Notfall." Dieser Darstellung widerspricht das Soltauer Klinikum. Der Geschäftsführer der Klinik, der bei dem Gespräch mit dem Redakteur der Bild-Zeitung zugegen war, bestätigte, dass der Chefarzt keine derartige Äußerung getätigt hätte.

Das Boulevard-Blatt setzte noch eins drauf. Auf den Einwand der vertrösteten Patientin, ihr Mann wäre vor zwei Jahren von demselben Arzt am Kreuzband operiert worden, obwohl er sogar 60 Zigaretten täglich qualmt, soll der Chefarzt angeblich erwidert haben: "Das wusste ich damals nicht. Er muss durchgerutscht sein." Die Bild-Zeitung scheint hier ganz gezielt den Eindruck erwecken zu wollen, dass es sich bei der angeblichen Verweigerung des Arztes nicht erst um eine einmalige Vorgehensweise handele, sondern bereits seit Jahren eine Diskriminierung von Rauchern praktiziert würde.

Die Reaktionen zeigen, dass die Bild-Zeitung mit dieser Polemik erfolgreich zur Diffamierung von Nichtrauchern beigetragen hat. Die Internet-Seite Rauchen-Bayern.de ereifert sich: "Rauchende Menschen sollten sich gut überlegen, ob sie das Heidekreis-Klinikum auswählen. Denn dieser Fall dort scheint keine Ausnahme zu sein, sondern Methode in der derzeit immer weiter fortschreitenden Stigmatisierung von rauchenden Menschen." In anderen Foren wird gefordert, dem Arzt die Approbation zu entziehen; in Dutzenden von Foren wird gegen den Arzt gestänkert.

Auf raucherdiskriminierung.eu wird ebenfalls Stimmung gegen den angeblichen "Antiraucher" unter den Ärzten gemacht. Mit ausführlichen Kontaktdaten, inklusive Telefonnummern und E-Mail-Adressen, wird dazu aufgerufen, dem betreffenden Arzt und der Klinik die "Meinung" zu sagen. Im genannten Kontext sieht das ganz gewaltig nach einem nur schlecht kaschierten öffentlichen Aufruf zum Mobbing aus, das sich ganz gezielt gegen die Person des Arztes richtet. In einem Flash-Mob-Forum schlägt ein Teilnehmer für den "vernebelten Doctor, der sich weigert Raucher zu behandeln" vor, "das Büro des Deppen voll zu qualmen - dann hat er wenigstens Grund sich derart benebelt zu verhalten".

Bedenklich bei dieser Geschichte ist, dass diese Tatsachenverdrehungen nicht nur von der Bild-Zeitung - die ohnehin nicht gerade den Ruf einer seriösen Berichterstattung genießt - veröffentlicht wurden. Auch weitere Presseorgane griffen diese Chance nur allzu bereitwillig auf, um ihrem heiligen Krieg gegen Nichtraucher neue Rechtfertigung zu liefern.

Das internationale Nachrichtenportal "DCRS ONLINE" ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie sehr sich Teile der Presse in der Realität von ihrem Ehrenkodex entfernt haben. Unter Nennung des vollen Namens, der Position und dem Wirkungsort des betreffenden Arztes werden völlig verdrehte Tatsachen über ihn und seine Arbeitsweise veröffentlicht, die ganz offensichtlich nicht überprüft oder wenigstens hinterfragt worden waren. Der Gipfel ist jedoch, dass die Verfasserin dieses unsäglichen Artikels (die nebenbei bemerkt noch nicht einmal die deutsche Rechtschreibung beherrscht) trotz mangelhafter Recherche zum Schluss auch noch die Unverfrorenheit besitzt, dem betreffenden Arzt in Oberlehrermanier gute Ratschläge erteilen zu wollen.

Wer sich weiter auf der Webseite von "DCRS ONLINE" umsieht, dem präsentiert sich ein Bild von überzogener Selbstdarstellung und Selbstüberschätzung. Stolz schreibt das Presseportal über sich selbst "DCRS ONLINE steht für Verlässlichkeit, Seriosität und Ehrlichkeit...". Um diesen Eigenschaften gerecht zu werden ist jedoch auch eine gewisse Sorgfalt vonnöten, die zuallererst eine Überprüfung der Fakten beinhaltet.

Nicht umsonst steht in Ziffer 1 des Pressekodex "Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse." Und Ziffer 2 nennt "Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben." Und weiter heißt es: "Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen." Es würde an dieser Stelle zu weit gehen, alle weiteren Passagen des Pressekodex aufzulisten, die in der vorliegenden Angelegenheit relevant sind. Zum Abschluss daher nur noch ein Zitat aus Ziffer 14: "Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte."

Es entsteht der Eindruck, dass bei "DCRS ONLINE" der "Ehrenkodex der Presse" nur aus Imagegründen aufgeführt wird. Die Verfasserin des zuvor zitierten Artikels scheint die hehren Worte jedoch noch nie zu Gesicht bekommen zu haben. Die Chefredaktion ist ihrer Kontrollpflicht und der Verantwortung für den veröffentlichten Artikel nicht nachgekommen. Ein derartiger Missbrauch der Medienmacht stellt einen mehrfachen Verstoß gegen den Pressekodex dar, der nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Keinesfalls kann die Angelegenheit als Lapsus einer ungebildeten Praktikantin oder Alleingang einer schwer nikotinsüchtigen Redakteurin abgetan werden, die ohne Folgen für das betreffende verantwortungslose Presseorgan bleibt. Gleiches gilt für die übrigen Medien, die sich hier ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert haben.

Fazit: Die Marktmacht der Tabakindustrie gegenüber der Presse und den Medien scheint ungebrochen. Werbeeinnahmen aus den Milliardengewinnen einer ethisch zweifelhaften Tabakdrogenindustrie sorgen augenscheinlich bei so manchen Chefredakteur dafür, die Forderungen des Ehrenkodex der deutschen Presse großzügig zu ignorieren, wenn es um das Thema Tabakdrogen geht.

Ein wirklich unabhängige und freie Presse, die sich nicht von Drogenherstellern instrumentalisieren lässt, wird es in Deutschland erst dann geben, wenn Tabakwerbung ohne Ausnahmen verboten ist. Solange dies nicht der Fall ist, werden ahnungslose Menschen weiter durch verharmlosende Fehlinformationen in die Fänge einer tödlichen Sucht getrieben, der jährlich in Deutschland 140.000 Menschenleben zum Opfer fallen.


Quellen und weitere Informationen

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Beschwerde beim Deutschen Presserat über Berichterstattung
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