Kommentar zur Drogenpolitik der deutschen Bundesregierung
[07.04.2005/pk]
Einen Tag vor dem Weltgesundheitstag veröffentlichte das
Bundesgesundheitsministerium gestern eine Presseerklärung, in der eine
tabakrauchfreie Kindheit für alle propagiert wird.
Es ist für die Bundesregierung ein Leichtes, einmal im Jahr zum
Weltgesundheitstag eine vollmundige Presseerklärung herauszugeben, und
sich beispielsweise mit den bedauernswerten Kindern rauchender Eltern
zu solidarisieren. Anscheinend gibt es doch Menschen, die sich dadurch
über die mangelhaften Ergebnisse an den restlichen 364 Tagen des Jahres
hinwegtäuschen lassen.
Fakt ist, und das zeigt eine etwas eingehendere Betrachtung der
Realität im Vergleich mit den politisch opportunen Äußerungen von
Marion Caspers-Merk in der o.g. Presseerklärung, dass die reale
Drogenpolitik der Bundesregierung die Mehrheit der angeprangerten
Probleme weitestgehend ignoriert, und Aktivitäten nur spärlich und viel
zu zögerlich angepackt werden.
Die Bundesdrogenbeauftragte ist bereits in ihren Zielsetzungen
so bescheiden, dass man sich immer wieder fragen muss, auf welcher
Seite sie denn nun steht. Beispielsweise die absolut banale
Vereinbarung mit dem DEHOGA über "Nichtraucherzonen", die letztendlich
nur einen geringen Anteil aller Gastronomiebetriebe betrifft, und nicht
einmal den Begriff der Rauchfreiheit beinhaltet (siehe auch Artikel
"Nutzlose Vereinbarung über Nichtraucherbereiche in der Gastronomie").
Wer sich auch nur gelegentlich in einem deutschen Gastronomiebetrieb
aufhält weiß aus eigener Erfahrung, wieviele Kinder absolut gedankenlos
in völlig verqualmte Restaurants geschleppt werden. Hier hätte die
Bundesregierung problemlos durch ein Rauchverbot nach irischem Vorbild
für die betroffenen Kinder (und nicht nur für sie) eine der
Schutzmaßnahmen umsetzen können, die Frau Caspers-Merk in der
Presseerklärung als so wichtiges Ziel propagiert.
Auch andere wichtige Maßnahmen werden von der Bundesregierung mit
fadenscheinigen Ausreden torpediert, wie beispielsweise das von EU und
WHO geforderte Tabakwerbeverbot. Die Bundesregierung hätte auch durch
ein generelles Rauchverbot an Schulen klare Verhältnisse schaffen
können, die die in der Presseerklärung genannten Ziele enorm gefördert
hätten.
Wenn der Bundesregierung tatsächlich so viel am Schutz der Jugend
liegen würde, wie sie in ihrer vollmundigen Presseerklärung behauptet,
dann hätte sie einfach die verschleppten Maßnahmen umsetzen müssen.
Aber auch in den zuvor genannten Fällen wurde jedoch leider wieder
einmal nur im Sinne der Tabaklobby gehandelt, und das Wohl unserer
zukünftigen Generationen leichtfertig dem Profit einiger Tabakmultis
geopfert.
Damit ist die Diskussion der Kritikpunkte leider noch nicht erschöpft.
Marion Caspers-Merk hatte am 6. April in Berlin anlässlich einer
Veranstaltung zum Weltgesundheitstag gefordert, die gesetzlichen
Krankenkassen sollten kostenlose Entwöhnungsprogramme für Schwangere
finanzieren (siehe Deutsches Ärzteblatt).
Eine derartige Forderung der Bundesregierung erscheint angesichts der
Milliardeneinnahmen aus der Tabaksteuer reichlich deplatziert. Anstatt
diese Mittel weiterhin zweckfremd einzusetzen, müssen sie für
Präventionsmaßnahmen, Entwöhnungsprogramme usw. aufgebracht werden.
Es ist schon ein Armutszeugnis, dass die Bundesregierung für
Tabakprävention geringere Mittel zur Verfügung stellt, als die
wesentlich kleinere Republik Irland mit einem Bruchteil der
Bevölkerung. Ein Teil der deutschen Mittel wird sogar von der
Tabakindustrie beigesteuert, die sich dadurch die Zusage erkauft hat,
keine negativen Aussagen über Tabakdrogen zu verbreiten. Im Endeffekt
ist das nichts anderes als erkauftes Schweigen über die unangenehme
Wahrheit.
Entsprechend schlecht schneidet die Bundesrepublik im europäischen
Vergleich ab (niedriges Einstiegsalter, hohe Raucherquote bei
Jugendlichen, Atemwegsschädigungen wie Asthma und COPD u.v.a.m.). Noch
eine Anregung zum Nachdenken, um wieder zum Schwerpunkthema Schutz der
Kinder vor Tabakdrogen zurückzukommen: es wäre sicherlich interessant,
im Rahmen der PISA-Studie auch den Tabakdrogenkonsum zu untersuchen.
Wobei sowohl der Einfluss rauchender Eltern berücksichtigt werden
sollte, als auch der aktive Konsum der Schüler.
Deshalb der Aufruf an das Bundesgesundheitsministerium und insbesondere
die Drogenbeauftragte: es gibt viel zu tun, fangt endlich an, Eure
Arbeit zu erledigen!
Quellen und weitere Informationen
PresseerklÀrung des Bundesgesundheitsministerium vom 6.4.2005