Vergiftungsgefahr und weitere Risiken der Alternativdroge
[28.04.2012/pk]
Unlängst berichteten die Medien von einem US-Amerikaner, der durch den Gebrauch seiner elektrischen Zigarette schwer verletzt worden war. Das Gerät war auf Grund einer defekten Batterie in seinem Gesicht explodiert, wobei der Mann mehrere Zähne und ein Stück der Zunge verlor. Das Opfer erlitt Verbrennungen an Mund und Gesicht und musste in eine Spezialklinik eingeliefert werden.
Nach Aussage des Chefs der zuständigen Feuerwehr war die Detonation derart stark, "dass die Batterie aus der Röhre geschossen sei und einen Schrank in dem Haus des Mannes in Brand gesetzt habe". Ein Sitzkissen fing dabei Feuer, eine Chemikalie aus der E-Zigarette brannte sich in den Teppich. Wie die Feuerwehr mitteilte, war das Gerät "bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und geschmolzen".
Ein nicht näher genannter Sprecher des Ende 2011 gegründeten deutschen Verbands des eZigarettenhandels (VdeH) äußerte gegenüber der WirtschaftsWoche, "in dem vorliegenden Fall gehen wir von einer unsachgemäßen Nutzung der E-Zigarette aus". Er behauptete weiter, dass die Ursache der Explosion "eine Bastelei" sei, die "hierzulande absolut nicht gängig ist". Die E-Drogen-Profiteure setzen offensichtlich die altbekannte Taktik der Tabakindustrie fort, unbewiesene Behauptungen ohne Belege in die Öffentlichkeit zu tragen, um ihre Kunden in eine trügerische Sicherheit zu wiegen und Kritiker auszuschalten.
Während die Hersteller und Händler von elektrischen Zigaretten "die gesündere Alternative zum Rauchen" versprechen, bestätigt dieser Vorfall die Kritiker in ihrer Einschätzung unabsehbarer Gefahren der neuen Modedroge. Sie bemängeln insbesondere, dass die Qualitätsstandards mangelhaft sind und eine nachvollziehbare Qualitätskontrolle nicht stattfindet. Den erwähnten werbewirksamen Lobeshymnen fehlt eine sachliche Objektivität, sie sind allesamt weder bewiesen noch nachprüfbar.
Die im Gesicht explodierte E-Zigarette mag durchaus einen außergewöhnlichen Fall darstellen, wie er nur selten auftritt. Angesichts zunehmender Zahlen von E-Zigaretten-Dampfern kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es dabei bleibt. Darüber hinaus sind weitere Gefahren der elektrischen Zigarette durchaus bekannt, auch wenn die E-Drogen-Profiteure diese gerne unter den Teppich kehren und verharmlosen.
Am bekanntesten dürften die Risiken der verwendeten Lösungsmittel Propylenglykol und Glycerin sein, beides als Frostschutzmittel bekannte Substanzen. Diese Substanzen können mit einem Anteil von bis zu 90 Prozent des inhalierten Dampfs akute Reizungen der oberen Atemwege und Augen herbeiführen, die in schweren Fällen sogar die Atemfunktion beeinträchtigen können. Zudem wurden beim Verdampfen der Liquide Krebs erzeugende Substanzen wie Formaldehyd, Acetaldehyd und Acrolein nachgewiesen, deren Konzentrationen im eingeatmeten Dampf über den zulässigen Innenraumgrenzwerten lagen. Es handelt sich also keineswegs nur um "harmlosen Wasserdampf", wie Anhänger der E-Zigarette gerne behaupten.
In Deutschland wurden bereits Fälle akuter Nikotinvergiftungen bekannt, die durch die ausschweifende Nutzung von elektrischen Zigaretten verursacht wurden. Vergiftungsfälle durch Liquids von E-Zigaretten wurden dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auch von den Giftinformationszentren Erfurt und Göttingen gemeldet. Eine Nikotinvergiftung führt innerhalb einer Stunde zu Atemversagen durch Lähmung der Atemmuskulatur. Bei Erwachsenen beträgt die tödliche Dosis etwa 40 bis 60 mg. In leichteren Fällen treten Symptome wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall, Bluthochdruck, Kopfschmerzen und Krampfanfälle auf.
Eine besondere Gefahr der E-Zigarette, die durch fehlende Qualitätsstandards noch verschärft wird, besteht in undichten und auslaufenden Kartuschen. In diesem Fall kann die volle Dosis des Liquids ungehindert in den Mund gelangen und sehr schnell vom Körper aufgenommen werden. Diese Gefahr besteht sowohl für die Konsumenten der elektrischen Zigarette als auch ganz besonders für kleine Kinder. Es ist bereits von der herkömmlichen Zigarette bekannt, dass diese die häufigste Vergiftungsquelle bei Kleinkindern darstellt, obwohl jeder Glimmstängel-Liebhaber über deren Gefahr für den Nachwuchs informiert sein müsste.
Bei oraler Aufnahme des Propylenglykols können Symptome wie nach Alkoholgenuss auftreten. Das Lösungsmittel weist eine systemische Toxizität auf, die ganz besonders bei Kleinkindern oder Patienten mit Nierenversagen schwerwiegende Symptome hervorrufen kann. Dazu gehören Beeinträchtigung der Leber- und Nierenfunktion, intravaskuläre Hämolyse, Krampfanfälle, Hypoglykämie, Koma, Arrhythmie und kardio-respiratorisches Versagen. Daneben kann in den Liquids Ethanol enthalten sein, was bei der meist fehlenden Deklaration insbesonders für ehemalige Alkoholiker ein ernsthaftes Problem darstellt.
Als besonders gefährlich erweist sich die orale Aufnahme des Nervengifts Nikotin. Dieses wurde sogar schon in angeblich nikotinfreien Kartuschen nachgewiesen. Auch die nikotinhaltigen Liquids erwiesen sich bereits in etlichen Fällen als inkorrekt deklariert. Auf dem Markt sind Depots mit einem Nikotingehalt von bis zu 36 mg/ml erhältlich. Eine gängige Patrone mit 10 ml dieser Flüssigkeit genügt bereits, um eine ganze Stammtischrunde umzubringen.
Bei Kindern führt schon eine weitaus geringere Dosis an Nikotin zum Tod. Nach Angaben des Gemeinsamen Giftinformationszentrums Erfurt (GGIZ) der Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen können bereits die schwächsten dosierten Liquids mit 6 mg Nikotin für ein Kleinkind tödlich sein. Bei einem zweijährigen Kind mit 12 kg Körpergewicht können ein bis zwei dieser Kartuschen die letale Dosis enthalten. Bei den erhältlichen höheren Dosierungen bis zu 36 mg/ml führt schon eine kleiner Teil eines 10 ml Fläschchens unweigerlich zum Tod.
Die Gefahr des Verschluckens von Flüssigkeit für E-Zigaretten ist im Vergleich zu herkömmlichen Tabakwaren weitaus größer. Während der strenge Tabakgeschmack für viele Kinder abschreckend wirkt, machen Geschmacksrichtungen wie Schokolade, Marzipan oder beliebige Fruchtaromen die E-Droge für Kinder erst so richtig attraktiv.
Die Giftexperten des GGIZ weisen darauf hin, dass schwere Nikotinvergiftungen besonders problematisch sind, weil kein Gegenmittel zur Aufhebung von allen Nikotinsymptomen verfügbar ist. Das Nikotin in den Liquids entfaltet sein Wirkung zudem unmittelbar, wesentlich schneller als beim Verschlucken einer Zigarettenkippe.