[09.10.2010/pk]
Im Jahr 1957 erschien die erste Studie, die ein verringertes Geburtsgewicht bei Kindern rauchender Mütter nachwies. In den folgenden Jahrzehnten erschienen fast 10.000 weitere medizinische Publikationen, die den Zusammenhang zwischen dem Rauchen und fetalem Wachstum und der weiteren kindlichen Entwicklung beschreiben. Jüngere Studien zeigen auch Verbindungen zwischen Tabakkonsum während der Schwangerschaft und Atemwegserkrankungen, Mittelohrentzündungen, Übergewicht, sowie Verhaltensauffälligkeiten und Sozialisierungsprobleme auf, zu denen auch Depressionen, Missbrauch von Alkohol und anderen Substanzen zählen. Das Rauchen ist ebenfalls eine der Ursachen für Früh- und Fehlgeburten, perinatale Sterblichkeit und Plötzlichen Kindstod.
In einer 1985 erschienenen wissenschaftlichen Veröffentlichung erwähnten die Autoren Nieburg et al. erstmalig einen neuen Oberbegriff für die vielfältigen Krankheitsbilder, die eine gemeinsame Ursache besitzen: das Rauchen während der Schwangerschaft. Unter dem Begriff "Fetales Tabaksyndrom" (FTS) gaben sie dem Leiden der jüngsten Opfer des Passivrauchens einen Namen.
Die Risiken des Rauchens während der Schwangerschaft nehmen dabei mit steigendem Zigarettenkonsum zu und sind auch vom Zeitpunkt des Tabakkonsums abhängig. Die Studien zeigen, dass durch eine Reduzierung der Rauchens die schädlichen Wirkungen schwächer werden. Dennoch bedeutet selbst ein leichter Zigarettenkonsum während der Schwangerschaft immer noch ein deutlich erhöhtes Risiko für den Nachwuchs gegenüber verantwortungsvollen Müttern, die überhaupt nicht rauchen oder spätestens bei Bekanntwerden einer Schwangerschaft den Glimmstängel aus ihrem Leben verbannen.
Erschreckend ist, dass ein relativ großer Teil der schwangeren Raucherinnen ihren Tabakkonsum bei einer Schwangerschaft nicht einstellt, oft nicht einmal reduziert. Die Betreffenden verheimlichen ihren Tabakkonsum sogar häufig dem betreuenden Arzt, um unerwünschten Ratschlägen zum Aufhören zu entgehen. Unabhängig davon, ob man als Ursache dafür reinen Egoismus zur ungehemmten Suchtbefriedigung oder doch ein schlechtes Gewissen erkennen mag, so scheint doch in jedem Falle die Äufklärung über die gravierenden Folgen mangelhaft zu sein.
An dieser Stelle darf die Umgebung als wesentlicher Einflussfaktor auf diese höchst wichtige Entscheidung zum Schutz des Nachwuchses vor und nach der Geburt nicht vergessen werden. Rauchende Partner sind bei den nicht abstinenten Frauen überdurchschnittlich häufig anzutreffen. Aber selbst wenn sich die werdende Mutter rechtzeitig von der Nikotinsucht befreit, so schadet auch Passivrauchexposition durch qualmende Partner, Verwandte oder Kollegen dem ungeborenen Nachwuchs.
Eine hinreichende Kenntnis über das Fetale Tabaksyndrom würde bei jeder Mutter mit einem bisschen Herz und einem Funken Verstand sofort die Alarmglocken schrillen lassen. Denn die Folgen sind in manchen Fällen tödlich, aber auch lebenslängliche Schädigungen durch elterlichen Tabakkonsum stellen eine Tortur für die Betroffenen dar. Diese Aufklärung wird jedoch unter anderem durch gezielte Desinformation durch die Tabaklobby hintertrieben, die mit aller Macht und exorbitanten Werbebudgets ihre tödlichen Nikotindrogen gegen den Widerstand der Vernunft auf den Markt drückt.
Aber auch zu viele Ärzte scheuen sich häufig davor, rauchenden Schwangeren die ungeschönte Wahrheit des Fetalen Tabaksyndroms zu präsentieren. Sei es, weil sie selbst am Glimmstängel hängen und deshalb die nikotinrosa Brille tragen, sei es, weil sie aus kalter Berechnung die Abwanderung einer zahlenden Kundin fürchten. Geradezu zynisch ist der Gedanke, dass ein krankes Kind dem Arzt auch langfristig eine lukrative Einnahmequelle sichern könnte.
Häufig sind es aber gar nicht diese Extremfälle, die eine optimale ärztliche Betreuung verhindern. Bürokratie und Sparzwänge, lange Nachtschichten und Notdienste, aber auch mangelnde Schulung und Ausbildung des medizinischen Personals sind ein Problem. Dadurch wird Tabakdrogen nicht die erforderliche Beachtung geschenkt. Als Konsequenz können diese immer noch in zu großem Maße ihre tödliche und gesundheitsschädliche Wirkung entfalten.
Fazit: Rauchen in der Schwangerschaft ist kein Kavaliersdelikt. Rauchende Mütter und Familienangehörige dürfen mit ihrer Sucht jedoch nicht auf sich alleine gestellt bleiben. Sie benötigen dringend kompetente Hilfe, die niemand besser leisten könnte als die betreuenden Ärztinnen und Ärzte. Deshalb müssen Mediziner, die Schwangere betreuen, besser über die Auswirkungen informiert werden. Damit sie dieses Wissen gezielt an die werdenden Mütter weitergeben und auch Entzugsmöglichkeiten während der Schwangerschaft anbieten können.