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Irland: Neuauflage der "Gesundheitsnazis"

[03.08.2004/pk] Wie bereits berichtet (siehe Artikel "Irland: Warum ist das Rauchverbot so erfolgreich? - Teil 1") trieben auch in Irland fanatische Raucher und Tabaklobbyisten ihr Unwesen und treiben es auch weiterhin. Während meines Irland-Aufenthaltes fiel mir ein Leserbrief an die "Irish Times" in die Finger, den ich unseren Lesern in ungekürzter Ausgabe (aber natürlich ins Deutsche übersetzt) präsentieren möchte:

"Die zentrale Wahrheit über das Rauchverbot wird übergangen: die Motivation liegt ausschließlich in der Intoleranz begründet.

Jegliche Behauptung, dass sein Sinn die "Rettung von Leben" sei, ist nur politisch korrekte Heuchelei: das Rauchen am Arbeitsplatz zu verbieten war einfach diejenige Formulierung, die mit größter Wahrscheinlichkeit ein wasserdichtes Gesetzes ermöglichte.

Wenn es der Regierung mit der Förderung der Gesundheit ernst wäre, dann würde sie sich auf eine Verbesserung des Gesundheitswesens konzentrieren, und die statistisch vernachlässigbare (und unbeweisbare) Bedrohung durch Passivrauchen ignorieren.

Die Intoleranten verlangen immer einen totalen Sieg und die vollständige Unterwerfung unter ihren Willen.

Somit muss das Diktat der offenkundig frommen, insgeheim aber faschistischen Gesundheitsnazis, die hinter dem Rauchverbot stecken, überall durchgesetzt werden, und nicht nur da, wo sich zufällig seine Befürworter aufhalten."

"Wenn es nicht so wäre, dann hätte "Big Brother" recht einfach den nahe liegenden Kompromiss ermöglichen können: 70 Prozent aller Bars definitiv rauchfrei, 30 Prozent mit der Erlaubnis zu rauchen. Das Personal hätte dabei die Möglichkeit zu wählen, wo es bedienen möchte.

Für die Intoleranz stand in Irland einst die Religion. Heute ist sie weltlich, aber nicht weniger unerträglich (das Wortspiel ist unbeabsichtigt).

Mit freundlichen Grüßen, CONOR SEXTON, Castleside Drive, Rathfarnham, Dublin 14."

Der Leserbrief erschien am 17. Juli 2004 in der irischen Tageszeitung The Irish Times.

Anmerkungen:

  • Die in Irland gewählte Formulierung des Arbeitsschutzgesetzes gewährt allen Beschäftigten das gleiche Recht auf Gesundheit. In Irland werden Mitarbeiter der Gastronomie nicht als Menschen zweiter Klasse behandelt - im Gegensatz zu Deutschland, wo deren Gesundheit einem fragwürdigen Profit einzelner Tabaklobbyisten untergeordnet wird.
  • Die Bedrohung durch Passivrauchen ist nicht "statistisch vernachlässigbar und unbeweisbar", sondern nachgewiesen. Darüber hinaus geht es der irischen Regierung nicht nur darum, die Folgen des Passivrauchens einzudämmen, sondern einen Kollaps des irischen Gesundheitssystems durch zunehmende tabakkonsumbedingte Krankheiten zu verhindern.
  • Auch in Deutschland werden in Deutschland die Krankheitskosten durch Rauchen im Durchschnitt um 50 Prozent in die Höhe getrieben. Diese Kosten können nicht ansatzweise von den Einnahmen der Tabaksteuer gedeckt werden.
  • Der Begriff "Gesundheitsnazi" wurde wörtlich übersetzt (vom englischen Begriff "health-nazi").
  • Der "einfache und nahe liegende Kompromiss" von 70/30 für rauchfreie Pubs ist nicht praktisch umsetzbar. Wer legt fest, welches Pub nun rauchfrei ist und welches nicht? Der irische Gastronomenverband VFI lehnte rauchfreie Pubs kategorisch ab (so wie auch der DEHOGA in Deutschland), und verbaute sich und seinen Mitgliedern somit diesen Weg selbst.
  • Die angebliche Wahlfreiheit des Personals ist in der Praxis ebenfalls nicht existent.
  • Die Argumentation, ausgerechnet durch Vergleiche mit Nazis und Faschismus angeblich für Toleranz zu werben ist höchst unseriös, populistisch und unglaubwürdig.
  • Für eine bewusste gesundheitliche Schädigung der Mitmenschen (egal ob durch Industrieabgase oder Tabakrauch) darf es keine Toleranz geben. Dies würde einen Missbrauch des Toleranzbegriffs darstellen, so wie er in der Vergangenheit durch die herrschenden Inquisitoren praktiziert wurde.


Nach diesem Leserbrief ist also festzustellen, dass die Agressivität und Perversion einiger irischer Tabakfetischisten nicht geringer ist, als der in Deutschland auftretenden. Trotzdem hat Irland es geschafft, ein vernünftiges Gesetz zum Schutz vor dem Zwangsmitrauchen zu schaffen und erfolgreich umzusetzen.

Damit besteht aber auch Hoffnung für Deutschland. Aus den gleichen Grundvoraussetzungen können wir das gleiche Ergebnis schaffen. Wir müssen nur noch die Hürde der korrupten Politiker überwinden. Deshalb müssen wir unseren Politikern - egal auf lokaler, deutscher oder europäischer Ebene - immer und immer wieder klar machen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen ein Politiker trotz Ignoranz (oder gar Verneinung) der Probleme durch den Tabakkonsum erfolgreich sein konnte.


Quellen und weitere Informationen

Beschwerdeautomat
Aufforderung zur Ablehnung von Ehrungen und Preisen der Tabakindustrie
Raucher werden weder diskriminiert noch ausgeschlossen
Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen
Petition und Politikeranschreiben für Kinderschutz im Auto
Beschwerde über verqualmte Veranstaltungsstätten (Theater, Konzertsäle, Kinos, ...)
Beschwerde beim Deutschen Presserat über Berichterstattung
Feinstaub wird nicht nur von Kraftfahrzeugen produziert
Anfrage wegen Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften etc.
Anfrage wegen Sponsoring durch Tabakindustrie (Verbände und Parteien)
Bitte um Begleichung der Reinigungskosten für Garderobe
Irland
Deutschland Schlusslicht bei Tabakkontrolle
Irland intensiviert Kampf gegen Schmuggel
Wie dumm sind rauchende Jugendliche?
Irland: Jugendliche kommen viel zu leicht illegal an Tabakdrogen
Fünf Jahre gesetzlicher Nichtraucherschutz in Irland
Irische Kids qualmen weniger
Nordirland beschließt Rauchverbot
Arbeitsplatz
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Kein Anspruch auf Zigarettenpause am Arbeitsplatz
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Nichtraucherschutz nicht verhandelbar
Fünf Jahre gesetzlicher Nichtraucherschutz in Irland
Gastronomie
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Seit 2011 keine Subventionen mehr für Tabakanbau in Europa
Bayern feiert einjähriges Nichtraucherschutzgesetz
Nichtraucherschutz in der deutschen Gastronomie
Bayerisches Gesundheitsschutzgesetz besteht erneute Bewährungsprobe
Aktuelles
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Grünes Licht für Einheitsverpackung in Australien
Sponsoring des ZDF-Sommerfests durch Philip Morris