Ärztliche Repräsentanten im Dienst der Tabakindustrie
[05.12.2005/Forum Rauchfrei]
Das Forum Rauchfrei fordert Sabine Bergmann-Pohl auf, von ihrem Posten als stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrates der Körber-Stiftung zurückzutreten. Johannes Spatz, Sprecher des Forum Rauchfrei, verlangt von Bergmann-Pohl, dass sie sich als Lungenfachärztin und Präsidentin des Berliner Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzt. Er kritisiert, dass sie mit ihrem Amt in der Körber-Stiftung, deren Fördergelder von dem Zigarettenmaschinenhersteller Körber AG stammen, Krankheit und Tod fördert.
Als Bergmann-Pohl angesprochen wurde, sah sie keinerlei Widersprüche zwischen ihrem ärztlichen Auftrag und ihrem Amt bei der Körber-Stiftung. Die Haltung von Frau Bergmann-Pohl, die der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie angehört und lange Jahre als Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium tätig war, ist durchaus weit verbreitet. Viel Geld, das von der Tabakindustrie oder dem weltweit größten Hersteller von Zigarettenmaschinen (Körber AG) stammt, ist im Spiel, wenn es um handfesten Einfluss geht bzw. das Ansehen dieser todbringenden Industrie aufpoliert werden soll.
Diese Interessen hat der Spiegel enthüllt. In seiner neuesten Ausgabe nennt der Spiegel Namen führender Ärzte der Fachbereiche Lungenheilkunde und Toxikologie, die Gelder von der Tabakindustrie angenommen haben. Aus dem Bericht geht hervor, dass in deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten regelrechte Netzwerke aufgebaut worden sind, um die öffentliche Meinung und die politische Willensbildung in Sachen Nichtraucherschutz zu manipulieren. Spatz "Es wundert daher nicht, dass in der Bundesrepublik das Thema Tabak in der Prävention vollkommen vernachlässigt wurde."
Der Spiegel berichtet, dass der Verband der Cigarettenindustrie (VdC) allein in den Jahren 1977 bis 1991 insgesamt 110 Projekte finanziert hat. Mehr als 60 Wissenschaftler waren an diesen Forschungsprojekten beteiligt, darunter auch Koryphäen wie der Hamburger Pneumologe Helgo Magnussen oder der Münsteraner Toxikologe Fritz H. Kemper. Mit Vorliebe wurden Experten rekrutiert, die über gute Beziehungen zu Politikern und Journalisten verfügten. Ihre Aufgabe war es, industriekritische Studien in Zweifel zu ziehen. Unliebsame eigene Forschungsergebnisse wurden verschwiegen, der Kontakt der Forscher zur Zigarettenbranche verschleiert. Was das Ausmaß der Eingriffe in den Wissenschaftsbetrieb angeht, nimmt Deutschland einen unrühmlichen Spitzenplatz ein, so der Spiegel.
Bereits vor einem halben Jahr wurde im Spiegel aufgedeckt, wie eng die Tabakkonzerne hierzulande mit namhaften Gesundheitswissenschaftlern zusammengearbeitet haben. Der Medizinsoziologe Jürgen von Troschke leitet noch immer die nationale Koordinierungsstelle der Gesundheitswissenschaften in Freiburg, obwohl er im Auftrag der Tabakindustrie die "psychosozialen Vorteile des Rauchens" propagiert hat. Der Statistiker Karl Überla, der für Gefälligkeitsgutachten zum Thema Passivrauchen bezahlt wurde, ist weiterhin Vorsitzender des Forschungsverbundes Public Health in Bayern. Und Johannes Gostomzyk, der als Schriftleiter der Zeitschrift "Das Gesundheitswesen" eine ganze Reihe von dubiosen Publikationen zu verantworten hat, ist auch heute noch Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention.
Die medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland haben bislang nichts unternommen, um ihre schleichende Unterwanderung durch die Zigarettenindustrie abzuwehren. Das Forum Rauchfrei fordert daher dringend die Einrichtung von Untersuchungskommissionen nach dem Vorbild der Schweiz, wo der Fall des Tabaklobbyisten Ragnar Rylander von der betroffenen Medizinfakultät detailliert aufgearbeitet worden ist.
Spatz: "Die Diskussion über die Zusammenarbeit von Ärzten, Wissenschaftlern und Politikern mit der Zigarettenindustrie muss endlich auch in Deutschland geführt werden."
Weitere Informationen: 030/90299-4703; 0176/24419964