[27.09.2004/pk]
Anlässlich des 7. Deutschen Lungentags am 25. September 2004 machten Fachleute
darauf aufmerksam, dass sich Atemwegs- und Lungenerkrankungen, von der
Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, zu Volkskrankheiten entwickelt
haben. In Deutschland haben sich Erkrankungen der Atemorgane bereits
zur dritthäufigsten Todesursache herausgebildet, mit steigender Tendenz.
Asthma und chronisch obstruktive Bronchitis (COPD = Chronic Obstructive
Pulmonary Disease) sind die traurigen Spitzenreiter dieser weit
verbreiteten Krankheiten. Mehr als zehn Prozent der deutschen
Bevölkerung sind bereits davon betroffen. Damit ist ein großer
Bevölkerungsanteil von weiten Teilen des öffentlichen Lebens
ausgeschlossen. Denn in vielen Bereichen, insbesondere in der
Gastronomie, gibt es keinerlei Schutz vor Tabakrauch, der sehr schnell
in einen lebensbedrohlichen Asthmaanfall münden kann.
Die Hofheimer Klinik, die zum 7. Deutschen Lungentag einen Tag der
offenen Tür veranstaltete (siehe hierzu auch den Artikel des
Wiesbadener Kuriers),
informierte ihre Besucher über Fragen rund um das Thema Asthma. Bereits
fünf Millionen Deutsche leiden unter Asthma; sechs Prozent der
Erwachsenen sind betroffen, bei den Kindern liegt die Quote bereits bei
zwölf Prozent. Tendenz steigend - bis zum Jahr 2020 wird sich die Zahl
der Patienten nach Angaben des leitenden Oberarztes Dr. Müller
voraussichtlich um 15 Prozent erhöhen. Wichtigste Ursache ist
Tabakrauch, der bei der schädlichen Luftverschmutzung eine
herausragende Stellung einnimmt. Asthma wird auch durch Allergien,
Feinstaub, Haus- und Staubmilben, Tierhaare, ungesunde Ernährung oder
Schimmelpilze gefördet.
In einer Telefonaktion des Mindener Tageblattes stellte sich ein
Expertenteam den Fragen interessierter Anrufer über COPD. Hiervon sind
nach Angaben der MEDIZINauskunft
bereits fast fünf Millionen Menschen in Deutschland betroffen.
Bedenklich ist besonders, dass neben der Zunahme der Krankheitsfälle
die Krankheit immer früher auftritt. Nach jüngsten europäischen Studien
sind bereits 15 Prozent der jungen Europäer im Alter von 20 bis 44
Jahren an frühen Stadien der COPD erkrankt. Betroffen sind in
zunehmendem Maße weibliche Patienten, da immer mehr Frauen und junge
Mädchen regelmäßig Tabakdrogen konsumieren.
Das Expertenteam der Mindener Telefonaktion konstatiert den
Tabakdrogenkonsum "als Hauptrisiko für die Entwicklung einer COPD, die
mit einer chronischen Bronchitis und verengten Atemwegen beginnt und
später Lungenbläschen vernichtet". Und weiter: "Bei Rauchern ist das
Risiko an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung zu erkranken
gegenüber Nichtrauchern um den Faktor sechs erhöht". Wobei sich auch
Passivraucher über ihr deutlich erhöhtes Risiko im Klaren sein sollten.
Das Ärzteteam betont die Wichtigkeit von Präventionsmaßnahmen, "die vor
allem den Verzicht auf Tabak beinhalten", wobei ein Tabakwerbeverbot im
Fernsehen allein nicht ausreicht. Aktive Präventionsmaßnahmen seien
dringend notwendig: "In Kalifornien habe man zum Beispiel die Gelder
einer Tabaksteuererhöhung in eine Antirauchkampagne fließen lassen. Das
Ergebnis war, dass es bereits drei Jahre später deutlich weniger
Raucher gab und somit weniger Kranke. ... Hier herrsche in der
Bundesrepublik noch erheblicher Handlungsbedarf".
Auf der Website netdoktor.de gibt es eine interessante Übersicht zur
Klärung der Frage "Ist es Asthma oder eine COPD?"
Betroffene sollten sich jedoch keineswegs auf eine Selbstdiagnose
anhand dieser Aufstellung verlassen, sondern auf jeden Fall ihren Arzt
zu Rate ziehen.
Der Gemeinsame Bundesausschuss beschloss laut einer Presseerklärung vom
21. September 2004 Empfehlungen für ein strukturiertes Behandlungsprogramm
(Disease-Management-Programm, DMP) zur Bekämpfung von Asthma und COPD.
Die beschlossene Empfehlung ist die Grundlage für eine entsprechende
Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales
(BMGS). Damit werden die Behandlungsprogramme zur Berücksichtigung im
Risikostrukturausgleich zugelassen. Die Verordnung soll voraussichtlich
zum 1. Januar 2005 in Kraft treten.
Das DMP Asthma/COPD war bereits im Frühjahr heftig kritisiert worden,
da trotz der bekannten Hauptursache (Tabakrauch) "Maßnahmen zur
Raucherentwöhnung nicht klar im DMP geregelt sind" (siehe hierzu
BSMO-Meldung).
Dennoch konnte sich der Gemeinsame Bundesausschuss offensichtlich nicht
zu einer entsprechenden Anpassung seiner Empfehlungen durchringen.
Wobei zum Schluss die Frage im Raum stehen bleibt, ob sich der
Bundesausschuss wie auch die Bundesregierung hier wieder einmal dem
Diktat der Tabakindustrie beugten?