[15.11.2012/ÄARG]
"Rund 97 in Vollzeit tätige Lobbyisten verteidigen die Interessen der Tabakindustrie in Brüssel. Das jährliche Budget für das Lobbying übersteigt 5,3 Millionen Euro. Dies ist den Einträgen in das europäische freiwillige 'Transparency Register' und konservativen Abschätzungen zu entnehmen. Damit wird aber nur die Spitze des Eisbergs sichtbar."
Mit diesen Feststellungen beginnt das Corporate Observatory Register seinen Bericht vom 6. November 2012 zur Einflussnahme der Tabakbranche auf die politischen Entscheidungsträger in Brüssel. Das Folgende gibt den Inhalt des englisch gefassten Berichtes auszugsweise wieder:
Mindestens 9 Tabakkonzerne und 22 Organisationen der Tabakbranche versuchen, Einfluss auf die Gestaltung von Tabakgesetzen durch die Europäischen Institutionen zu nehmen. Hinzu kommen 12 Public Relations Agenturen und andere auf das Lobbying spezialisierte Firmen.
2011 gab Philip Morris International allein 125.000 Euro für das Lobbying auf der EU-Ebene aus. Unter den Organisationen der Tabakbranche lag die European Association of Tobacco Growers (UNITAB) mit 875.000 Euro an der Spitze der Aufwendungen.
Die gesamte Kette der Tabakbranche, von den Tabakbauern und -produzenten bis zu den Groß- und Einzelhändler ist in Brüssel präsent.
Die wirkliche Zahl der Tabaklobbyisten und die Höhe des Gesamtbudgets für das Lobbying ist sicherlich größer, als offiziell angegeben wird.
Einige Tabakkonzerne, darunter Reemtsma, eine der größten Tabakproduzenten in Europa, haben sich nicht in das Transparency Register eingetragen. Reemtsma hat anlässlich der Revision der Tabakprodukt-Richtlinie nachweislich einen Brüsseler Lobbyisten in Auftrag genommen.
Ebenso fehlt die Eintragung ganzer Lobbyorganisationen wie die Electronic Cigarette Industry Trade Association (ECITA), die eindeutig versucht hat, auf die politischen Entscheidungsprozesse zur Regulierung von E-Zigaretten Einfluss zu nehmen.
Mehrere promintente Public Relations Agenturen, die nicht im Transparency Register stehen, leisten offensichtlich Lobbyarbeit für die Tabakindustrie. Wer ihre Auftraggeber sind und wie viel sie dafür erhalten, lässt sich nicht ermitteln. Auch Agenturen, die registriert sind, geben nicht immer die Namen ihrer Klienten preis.
Tabakkonzerne und ihre Frontorganisationen - registriert oder nicht registriert - stellen Rechtsanwaltskanzleien in ihren Dienst, die generell das Transparency Register boykottieren und weder die Namen der Klienten noch die betreffenden Auftragsvolumina offenbaren.
Nach Untersuchungen der Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation (ALTER-EU) sind viele der im EU Transparency Register veröffentlichten Ausgabenposten unrealistisch niedrig. Die wirklichen Ausgaben betrügen in einigen Fällen das 10-Fache der angegebenen Zahlen. Das Gleiche gelte für die Zahl der Lobbyisten.
Der Malteser Silvio Zammit, dessen Lobbyaktivitäten den vormaligen EU-Kommissar John Dalli zu Fall gebracht haben, wollte den geplanten Bestechungsversuch mit Hilfe einer Agentur abwickeln. Die Preisfrage in Brüssel ist gegenwärtig, um welche Agentur es sich handelt und ob diese im Transparency Register eingetragen ist.
Corporate Europe Observatory (CEO) ist eine gemeinnützige Stiftung, die zum Ziel hat, den privilegierten Zugang von Großkonzernen und ihren Lobbyorganisationen zu EU-Politikern und ihren Einfluss auf die EU-Politik aufzudecken und einzudämmen.