Angebliche Risikominimierung nicht wissenschaftlich belegt
[26.11.2011/pk]
E-Zigarettenhändler preisen ihre elektronische Zigaretten gerne als "gesündere" Alternative im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten an. Diese Behauptung ist zwar nicht absolut falsch, aber dennoch irreführend. Genauso gut ließe sich anführen, die E-Zigarette sei "gesünder" als sich vor einen fahrenden Zug zu werfen, oder mit WC-Reiniger zu gurgeln.
Tabakkonsum gilt heute als größte vermeidbare Gesundheitsgefährdung. Zigaretten enthalten neben dem Suchtstoff und Nervengift Nikotin einen gewaltigen Chemiecocktail aus Krebs erregenden und giftigen Substanzen. Diese Giftmischung als Referenz für die Gefährlichkeit anderer Produkte heranzuziehen ist geradezu abstrus. Wenn Rauchen den Maßstab für Gesundheitsgefährung darstellen würde, dann würde es kaum noch giftige Substanzen geben. Tabakrauch in gängiger Konzentration enthält ein Vielfaches der Menge an Feinstaub, die für Asbest als Grenzwert für Gesundheitsschädlichkeit eingestuft wird - ganz zu schweigen von hunderten weiteren Krebs erregenden und giftigen Substanzen. Müssen wir deshalb Asbest wieder erlauben?
Die E-Nikotindrogenindustrie behauptet in ihren Marketingkampagnen unter anderem, "die E-Zigarette erzeugt keinen Rauch sondern Wasserdampf". Dabei enthalten die darin verdampften Liquide praktisch so gut wie kein Wasser. Hauptbestandteile der Flüssigkeit sind Diethylenglykol und vor allem Propylenglykol, beides als Frostschutzmittel bekannte Substanzen. Diese Stoffe, die bis zu 90 Prozent des inhalierten Dampfs ausmachen, können akute Reizungen der oberen Atemwege und Augen herbeiführen. In schweren Fällen treten Beeinträchtigungen der Atemfunktion auf. Dieses Gefahrenpotenzial als "Wasserdampf" zu bezeichnen ist nicht nur eine gefährliche Verharmlosung, sondern grenzt bereits an vorsätzlichen Betrug.
Die Hersteller alternativer Nikotindrogen wie der E-Zigarette oder rauchlosen Tabakwaren vermarkten ihre Produkte genauso aggressiv und mit den gleichen zweifelhaften Methoden wie bisher von der konventionellen Tabakindustrie bekannt. Das zeigt eine Untersuchung der Universität in San Francisco (UCSF). Teilweise handelt es sich bei den Produzenten der Alternativdrogen und den konventionellen Kippenherstellern sogar um die gleichen Firmen. Für die etablierten Tabakfirmen, denen das Potenzial der Nikotindroge bestens geläufig ist, stellen die rauchfreien Produkte nur ein weiteres Standbein dar. Damit sollen die Konsumenten trotz der Nichtraucherschutzgesetze weiter im Bann der Nikotindrogen gehalten werden.
Wie die Forscher der UCSF ermittelten, können die als weniger schädlich vermarkteten rauchlosen Tabakwaren die euphorischen Werbeversprechen nicht erfüllen. Die Bevölkerung würde weder insgesamt davon profitieren, noch die Gefährdung des Einzelnen dadurch nachweislich verhindert. Im Gegenteil, wie die Wissenschaftler berichten, können all diese angeblich sichereren Produkte durchaus Schaden anrichten.
Eine Longitudinalstudie mit Rekruten der US-amerikanischen Luftwaffe zeigte, dass rauchlose Tabakwaren das Risiko ihrer Konsumenten keineswegs minimierten. 87 Prozent der Probanden stiegen später auf Zigaretten um, oder konsumierten beiden Formen. Die Risikoerhöhung war damit mehr als fünfmal häufiger zu beobachten, als die Minimierung, also den Umstieg vom Rauchen zu rauchlosen Tabakprodukten. Umgangssprachlich ausgedrückt bedeutet das, rauchlose Tabakwaren funktionieren als Einstiegsdrogen. Sie erhöhen die Gefahr, zum Raucher zu werden - also genau das Gegenteil der von den Händlern versprochenen Wirkung.
Auch Snus als angeblich sicherste Form rauchlosen Tabaks sind nach neuesten Erkenntnissen deutlich gefährlicher als bislang bekannt. Eine Longitudinalstudie mit Snus-Konsumenten in Schweden ergab beispielsweise ein mehr als verdoppeltes Risiko für Herzversagen.
Für die E-Zigarette als jüngste Erfindung der Nikotindrogenindustrie gibt es bislang keine aussagekräftigen Studien, weder in Bezug auf deren gesundheitliche Auswirkungen noch hinsichtlich der behaupteten Unterstützung der Raucherentwöhnung. Entsprechende Forderungen der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA nach klinischen Tests zum Nachweis für die beworbenen Wirkungen hatte die E-Zigaretten-Industrie erfolgreich gerichtlich bekämpft.
Statt dessen werden von den E-Zigaretten-Profiteuren gesponserte "Studien", die nicht einmal von unabhängigen Forschern durch so genanntes Peer-Reviews bestätigt sind, mit großem Marketing-Getöse in die Öffentlichkeit getragen. Beispielsweise in kürzlich veröffentlichten Artikeln der USA Today und der New York Times, die von den UCSF-Wissenschaftlern für ihre unkritische und einseitige Darstellung scharf kritisiert werden. Die Forscher bemängeln, dass die in der New York Times veröffentlichte Studie auf einer sehr kleinen Datenbasis beruht. Der größte Mangel bestehe jedoch darin, dass diese Untersuchung von der betroffenen E-Zigarettenindustrie gesponsert, und zudem von einem durch diese beauftragten Berater geleitet werde. Dieser Interessenkonflikt und die damit einhergehende mangelnde Unabhängkeit der Studie werden jedoch im Artikel der NY Times unterschlagen.
Weniger zurückhaltend ist die New York Times in ihrem Artikel jedoch, wenn es um die Kritiker der E-Zigarette geht. Es wird von einer "mächtigen Gruppe" erzählt, die "gegen diese Innovation arbeitet". Das hört sich mächtig nach Verschwörungstheorie an. Auffällig ist, dass das Blatt als allererstes "die Tabakindustrie" in Schutz nimmt. So verwundert es schließlich kaum noch, dass der Feind in dem Artikel wieder einmal als "Koalition von Regierungsvertretern und Anti-Raucher-Gruppierungen" ausgemacht wird, die sich als militante "Prohibitionisten" betätigten und den Verkauf der E-Zigaretten verbieten wollten.
Um die angebliche Harmlosigkeit der E-Zigaretten zu unterstreichen, kramt die New Yorkt Times sogar die alten Marketing-Ideen der Tabakindustrie wieder hervor. Demzufolge würden die 50 Millionen rauchenden Amerikaner nicht etwa deshalb weiter rauchen, weil sie zu dumm wären die Gefahren zu erkennen. Die Zeitung führt einen besseren Grund an, der Rauchern und Wissenschaftlern gleichermaßen geläufig sei: Nikotin sei angeblich eine Droge mit vielen Vorteilen. Nach Aussage der Zeitung hätte Nikotin eine beruhigende und Stress abbauende Wirkung, fördere ein niedrigeres Körpergewicht, kürzere Reaktionszeiten und bessere Konzentration. Im Gegensatz dazu gäbe es angeblich keinen einzigen Nachweis, dass bisher auch nur ein einziger Mensch durch die E-Zigarette zu Schaden gekommen sei.
Wie bereits über Jahrzehnte mit Tabakwaren praktiziert, werden die bestehenden Risiken der elektrischen Zigarette heruntergespielt. Die E-Zigarettenindustrie versucht, dieses Produkt in den Markt zu drücken und eine breite Kundenbasis von Süchtigen aufzubauen. Wenn erst einmal Fakten geschaffen sind, dann lässt sich eine weit verbreitete Droge nicht mehr so einfach wieder abschaffen, wie bereits die Tabakindustrie mit ihren Zigaretten (leider) höchst erfolgreich demonstriert hat.
Ergänzend seien hier noch einmal einige Fakten aufgeführt, die von der New York Times mit flapsigen Worten einfach beiseite gewischt werden. Die E-Zigarette enthält vor allem als Frostschutz bekannte Lösungsmittel und kaum Wasser. Dafür wies die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine Reihe weiterer gesundheitsgefährdender Substanzen in diversen E-Zigaretten nach, beispielsweise Krebs erregende Nitrosamine. Nicht zuletzt ist Nikotin ein hochwirksames Nervengift, das bereits in kleinsten Mengen tödlich wirkt und unter anderem als Insektizid verwendet wird.
Einer der wichtigsten Punkte wird bei derartigen Diskussionen um die E-Zigarette jedoch ebenso häufig vernachlässigt, wie bei herkömmlichen Tabakprodukten. Es sind keinesfalls nur die Konsumenten derartiger gesundheitsschädlicher Genussmittel, die sich selbst damit schädigen. Auch die von der E-Zigarette inhalierten Schadstoffe werden nicht vollständig aufgenommen, sondern nachweislich auch wieder in die Umgebung ausgeatmet. Entsprechend besteht, analog zum Passivrauchen, auch für die "Passivdampfer" eine Gesundheitsgefahr. Durch die Behauptung, dass angeblich nur Wasserdampf in die Umgebung gelangen würde, werden die tatsächlichen Risiken heruntergespielt.