[11.07.2006/pk]
Nach unzähligen Kundenbeschwerden hat sich die Bahn endlich entschlossen, auch die Bistros ihrer Züge rauchfrei zu machen. Aus den etwa 380 Bistros der ICE- und IC/EC-Züge, wo bisher das Rauchen offiziell noch erlaubt war, wird der blaue Dunst ab 1. Oktober 2006 verschwinden. In den rund 200 Speisewagen der Bahn ist der Tabakkonsum bereits seit 1991 nicht mehr gestattet.
Dr. Nikolaus Breuel, Vorstandsvorsitzender der DB Fernverkehr AG, sieht die Bahn damit als Vorreiter einer rauchfreien Gastronomie in Deutschland. Die Bahn erwartet nach seinen Worten, mit dieser Maßnahme neue Kunden zu gewinnen. Vor allem für Familien mit Kindern sei die Tabakrauchbelastung bisher ein Grund, auf die Benutzung der Bahn zu verzichten.
Konsequent ist die Bahn allerdings beim Rauchverbot nicht. Sie beabsichtigt nicht, die vorhandenen Raucherabteile abzuschaffen, obwohl sich nach einer repräsentativen Umfrage der Zeitschrift "Focus" 75 Prozent der Bevölkerung für ein generelles Rauchverbot im Bahnverkehr aussprechen. Die Bahn will hier nur im Fall einer eventuellen gesetzlichen Regelung aktiv werden.
Die von der Bahn vorgeschobene Behauptung, ein komplettes Rauchverbot würde eine Abwanderung rauchender Kunden zum Auto nach sich ziehen, wird durch die Erfahrungen aus anderen Ländern entkräftet. So gilt beispielsweise in Italien, Schweden, Frankreich und der Schweiz bereits ein generelles Rauchverbot in den Zügen. Trotz niedrigerer Straßenverkehrsdichte als in Deutschland sind den dortigen Eisenbahnen die Fahrgäste wegen des Rauchverbots aber nicht auf die Straße davongelaufen. Übrigens, auch in den deutschen Zügen darf nicht geraucht werden, sobald sie die Grenze überschreiten.
Der Wunsch nach einem kompletten Rauchverbot in den Zügen hat handfeste Gründe. Nicht rauchende Bahnfahrer sind häufig mit dem Problem konfrontiert, eine Platzreservierung nur noch in einem Raucherabteil zu erhalten.
Aber auch die so genannten Nichtraucherabteile sind alles andere als rauchfrei. Messungen haben dort hohe Belastungen durch Tabakfeinstaub ermittelt. Die eher symbolisch zu sehende Trennung der Raucherabteile in ICs und ECs, die ohne Tür eine völlig ungehinderte Ausbreitung des Qualms ins so genannte Nichtraucherabteil gestattet, ist eine Quelle ständigen Ärgernisses. Selbst die abgetrennten Raucherwägen mit Türen bietet keinen ausreichenden Schutz vor Passivrauch in den übrigen Abteilen.
Der Lüftungskreislauf in den Zügen stellt einen besonderen Kritikpunkt dar. Auf Anfrage äußerte die Bahn, dass die Lüftungskreisläufe von Raucher- und Nichtraucherbereichen sehr wohl getrennt werden könnten. Warum dies dennoch nicht geschieht konnte die Bahn bis heute nicht erklären.
Nach eigenen Aussagen auf ihrer Webseite ist die Bahn äußerst behindertenfreundlich:
"Menschen mit Behinderungen stellen für die Deutsche Bahn AG eine bedeutende Kunden- und damit Zielgruppe dar, deren spezifische Bedürfnisse bei der strategischen Ausrichtung, der Produktentwicklung und Serviceimplementierung jetzt und in Zukunft grundsätzlich berücksichtigt werden."
Im Widerspruch dazu stehen die obigen Fakten, mit denen die Bahn die Bedürfnisse der etwa 10 Millionen Atemwegserkrankten in Deutschland weiterhin ignoriert. Für Asthmatiker stellt sich meist die Frage gar nicht, ob sie vielleicht auch mit der Bahn fahren wollen. Diese Option bleibt ihnen durch die Sturheit oder Ignoranz des Bahn-Managements verwehrt, die den Egoismus Nikotinsüchtiger immer noch höher bewertet, als das Gesundheitsbedürfnis dieser großen Bevölkerungsgruppe. Raucher können durchaus für die Dauer einer Bahnfahrt auf den Glimmstängel verzichten, Asthmatiker aber nicht auf das Atmen.
Fazit: Trotz gewisser Anstrengungen der Bahn, Fahrgäste und Personal vor gesundheitsschädlichem Passivrauch zu schützen, bleibt noch viel zu tun, um dieses Ziel in den Zügen tatsächlich zu erreichen. Und vom rauchfreien Bahnhof kann man weiterhin nur träumen, solange nicht einmal das Sicherheitspersonal der Bahn in der Lage und willens ist, existierende Rauchverbote durchzusetzen.