Skandalträchtiger Antrag einer Münchner FDP-Stadträtin
Münchner FDP-Stadträtin Gabriele Neff will Dienstanweisung zum Nichtraucherschutz aushöhlen
[18.01.2005/pk]
Erst im vergangenen Herbst schaffte es die Landeshauptstadt München,
eine Dienstanweisung zum Nichtraucherschutz für die städtischen
Beschäftigten zu etablieren. Sie ist noch keine drei Monate in Kraft
(seit dem 1. November 2004), schon versucht die Tabaklobby eifrig,
diese Errungenschaft mit Hilfe der FDP wieder zu zerstören. Das
Werkzeug ist in diesem Fall die Münchner FDP-Stadträtin Gabriele Neff.
In ihrem Antrag vom 17. Januar 2005 an Oberbürgermeister Ude fordert
sie die "Errichtung von Raucherzonen in städtischen Gebäuden".
Alle Münchner Mitglieder und Freunde sind deshalb aufgerufen, diesem
FDP-Antrag entschieden entgegenzutreten, und sich bei den von ihnen
gewählten Stadträten für eine vollständige Ablehnung dieses Antrags
stark zu machen. Denn die Stadt München ist trotz einiger guter Ansätze
im Großen und Ganzen immer noch als nichtraucherfeindlich zu bezeichnen.
Oberbürgermeister Ude (SPD) scheinen die Interessen des Tabakgiganten Philip
Morris, der in München seinen deutschen Firmensitz hat, immer noch
näher zu sein, als seine Münchner Mitarbeiter, für die er als oberster
Dienstherr verantwortlich ist. Wie sonst ist es zu erklären, dass er
sich strikt weigerte, die Dienstanweisung der Stadt München zum Schutz
vor dem Passivrauch am Arbeitsplatz zu unterschreiben? Zum Glück für
die nicht rauchende Mehrheit der Beschäftigten der Stadt München fand
sich mit Dr. Böhle, Leiter des Personal- und Organisationsreferates,
nach einiger Suche doch noch ein vernünftiger städtischer
Funktionsträger, der seiner Verantwortung gerecht wurde, und durch
seine Unterschrift das Inkrafttreten dieser Dienstanweisung ermöglichte.
Diese Dienstanweisung soll nun, geht es nach dem Willen der Münchner FDP,
weitgehend rückgängig gemacht werden. Dazu stellte sie am 17. Januar
2005 an Oberbürgermeister Ude den Antrag, der Stadtrat möge
beschließen, dass die Landeshauptstadt in ihren Gebäuden Raucherzonen
errichtet. Der Antrag im vollständigen Wortlaut ist auf der offiziellen
Münchenseite im Rats-Informationssystem zu finden.
In der Begründung ihres Antrags baut die FDP-Stadträtin zu Beginn auf
das Argument auf, "Rauchen ist ein Ausdruck der persönlichen Freiheit
und Selbstbestimmung (Art. 2 GG)." Weiterhin behauptet sie, dass
eigenverantwortliches und rücksichtsvolles Handeln der Raucher/innen
gegenüber Nichtraucher/innen selbstverständlich sei, und schlussfolgert
sogar "Raucher haben ein Recht auf Raucherzonen".
Dabei gibt es kein Recht auf Drogenkonsum, was die weitgehenden Verbote
der allermeisten Drogen belegen. Und die Tabakdroge ist erwiesenermaßen
nicht weniger wirksam, schädlich und gefährlich als beispielsweise
Heroin. Das angeblich selbstverständliche "eigenverantwortliche und
rücksichtsvolle Handeln der Raucher" ist schon seit Urzeiten der
Wunschtraum aller Nichtraucher, der jedoch trotz vielfältiger
Bemühungen immer noch weitgehend der Märchenwelt angehört.
Die FDP-Angehörige Gabriele Neff versteigt sich weiter in ihre
abenteuerliche Fehlinterpretation der Dienstanweisung, indem sie
behauptet, Nichtangehörige der betroffenenen Einrichtungen wie Besucher
und ehrenamtliche Stadträte (zu denen auch Frau Neff gehört) würden
entsprechenden Rauchverboten nicht unterliegen. Diese Äußerungen
schließt sie mit dem Satz "diese unterschiedliche Behandlung ist den
Beschäftigten nur schwer vermittelbar".
Die Argumentation von Frau Neff ist an dieser Stelle etwas kindlich
geraten. Wenn Besucher gegenüber Arbeitnehmern in Bezug auf den Schutz
vor Passivrauchen benachteiligt werden, oder gar Beschäftigte durch
Zwangsberauchung von Besuchern (FDP-Stadträtinnen!?) belästigt werden,
dann muss nicht die Benachteiligung auf alle ausgeweitet werden,
sondern die bestehenden Rauchverbote müssen konsequent auf alle
angewendet werden.
Ein Höhepunkt der Argumentation der FDP-Stadträtin ist jedoch ihre
Darstellung der Folgen für die "armen Nikotinabhängigen", die nun zum
Rauchen ins Freie gehen müssten:
"Viele MitarbeiterInnen werden durch die Nichtraucherregelung
gezwungen, ihren Arbeitsplatz kurzfristig zu verlassen, wenn sie ihrem
Bedürfnis zu rauchen im Freien nachkommen wollen. Besonders in den
Wintermonaten ist ein erhöhtes Erkältungsrisiko gegeben. Dies führt in
Summe zu beachtlichen Wege- und damit Ausfallszeiten. Grundsätzlich
wird durch die ausschließlich aufs Freie begrenzte Rauchmöglichkeit
(aufgrund teilweiser langer Wege nach unten) eine Senkung der
Produktivität bewirkt und die Erreichbarkeit verschlechtert. Die
Produktivitätsminderung und die Verschlechterung der Erreichbarkeit
kann durch eine Raucherzone im Haus, z.B. im 2. Stock zwischen WC und
Gang-Nische, auf ein Minimum reduziert werden."
Diese unqualifizierten Äußerungen sind sehr leicht durch unzählige Argumente zu widerlegen. Hier einige zur Auswahl:
Die
Regelung, dass Raucher zum Rauchen vor die Tür gehen, ist zumutbar und
üblich. Beispielsweise gilt gemäß einer Betriebsvereinbarung bei der
Siemens AG am Standort Hofmannstraße: Rauchen ist in allen Büroräumen
bereits seit 1988 verboten. Ähnches gilt übrigens in zunehmenden Maße
für viele andere Firmen.
Kein Mensch wird zum Rauchen gezwungen, und damit auch nicht zum Verlassen des Arbeitsplatzes zum Rauchen.
Wegen
der Beschränkung des Rauchens auf die Bereiche außerhalb geschlossener
Gebäude ein erhöhtes Erkältungsrisiko anzuführen ist absurd. Nicht nur,
dass jeder Arbeitnehmer durch das persönliche Erscheinen an seinem
Arbeitsplatz täglich diesem "Risiko" ausgesetzt wird. Das Risiko, durch
das Rauchen an Krebs, Herz-Kreislauf-Schäden etc. zu erkranken ist
wesentlich dramatischer, insbesondere in seinen Langzeitfolgen.
Die
Ausfallzeiten sind in erster Linie durch die Dauer des Rauchens (die so
genannte "Zigarettenlänge") bestimmt, die wesentlich länger als ein
Gang ins Freie dauert. Ausfallzeiten durch Rauchpausen sind ohnehin
nicht tragbar. Sie bedeuten Ungleichbehandlung der nicht rauchenden
Kollegen und belasten diese zusätzlich. Sinnvoller (und
verursachergerecht) wären Regelungen, die bereits in vielen anderen
Betrieben diskutiert, und teilweise schon angewandt werden.
Beispielsweise Ausstempeln während der Rauchpausen, oder längere
Wochenarbeitszeiten für diejenigen, die während der Arbeitszeit ihrer
Nikotinsucht nachgeben wollen.
Die Produktivität wird durch
Rauchen am Arbeitsplatz deutlich vermindert. Wie häufig beobachtet
werden kann, haben Raucher häufig nur eine Hand frei, weil sie mit der
anderen ihre Kippe halten und bedienen müssen. Allen Rauchern das
Rauchen am Arbeitsplatz zu erlauben wäre ein Bärendienst für jeden
Arbeitgeber.
Den krönenden Abschluss des Antrags der FDP-Stadträtin Gabriele Neff
bildet folgender Absatz:
"Im Sinne eines gerechten Interessenausgleiches (wie vergleichsweise
auch bei anderen Minderheiten, wie z.B. Schwerbehinderte, gegeben)
sollte die Landeshauptstadt München, entsprechend den Bedürfnissen
ihrer MitarbeiterInnen Raucherzonen schaffen und Nichtraucherzonen
ausweisen, wie z.B. bei der Siemens AG oder BMW AG geschehen, und
Arbeitszimmer, die ausschließlich von rauchenden Beschäftigten besetzt
sind, als Raucher-Arbeitszimmer zulassen."
Was ist nun hieran auszusetzen?
Raucher
"im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs" mit Schwerbehinderten
zu vergleichen ist paradox. Rauchen ist kein Schicksal, eine
Behinderung dagegen schon.
Mehr als zehn Prozent unserer
Bevölkerung leiden unter Atemwegserkrankungen. Diese müssen vor
schädlichem Tabakrauch in geschlossenen Räumen geschützt werden, und
nicht notorische Raucher vor der Gefahr einer Erkältung.
Die verqualmten Arbeitszimmer bei der Siemens AG gehören bereits seit langem der Vergangenheit an (s.o.)
Unabhängig
von der Legalität des Rauchens ist bekannt, dass Rauchen das größte
vermeidbare Gesundheitsrisiko darstellt, Raucher häufiger krank sind,
das Rauchen eine gefährliche Sucht ist usw. Es ist deshalb keinem
Arbeitgeber zuzumuten, dieses Verhalten auch noch durch Raucherräume zu
unterstützen.
Ein Drittel aller Raucher würde sich gerne von der Nikotinsucht befreien (siehe Artikel "6 Millionen Deutsche wollen aufhören zu rauchen").
Werden diese nun von vornherein in ein Raucherbüro gesteckt, dann
würden sie benachteiligt, weil ihnen die Überwindung der Nikotinsucht
damit praktisch unmöglich gemacht wird. Eine solche Regelung kann also
nur im Sinne der Tabakindustrie sein, die möglichst viele Menschen
möglichst tief (unumkehrbar) in die Sucht treiben möchte, aber niemals
im Interesse eines verantwortungsbewussten Menschen!
Diese Aufzählung enthält nur einige der wichtigsten Argumente gegen die
Aufhebung der aktuellen Regelung und die Einführung von Raucherzimmern
in den Dienstgebäuden der Stadt München. Es gibt jedoch noch eine
Vielzahl weiterer sachlicher und finanzieller Gründe gegen diesen
Antrag der FDP.
Die Einrichtung von Raucherbereichen kostet auch eine Stange Geld, ebenso
der erhöhte Reinigungs- und Renovierungsaufwand.
Wenn in Arbeitsräumen geraucht werden darf, ist zusätzlicher
Verwaltungsaufwand nötig, um Raucher und Nichtraucher zu erfassen und
zu trennen. Zudem will sicherlich auch so mancher Raucher nicht den
ganzen Tag in einem verqualmten Büro verbringen, nur weil er während
eines Arbeitstags vielleicht selbst ein oder zwei Zigaretten raucht -
ein häufiger Wunsch, der sich auch gut an der Nutzung der
Raucherabteile der Bahn beobachten lässt.
Nicht zuletzt ist die Mobbinggefahr der von der FDP geforderten
Regelung extrem hoch. Die stetige unkontrollierte Ausbreitung der
Qualmzonen in vielen Bereichen des (Arbeits-)Lebens über Jahrzehnte
hinweg haben deutlich gezeigt, dass umfassende Maßnahmen zum Schutz vor
dem Zwangsmitrauchen dringend notwendig sind.