[07.08.2004/pk]
Die erste Bewährungsprobe für ein Gesetz ist, ob und in welchem Maß es
eingehalten wird. Dass das Rauchverbot in Irland am Arbeitsplatz
(insbesondere in Pubs und Restaurants) die ersten 100 Tage bereits
erfolgreich absolviert hat, wurde in unserem Irland-Special bereits
berichtet. Die Akzeptanz liegt selbst in Bars, Pubs und Restaurants bei
97 Prozent. Nur so als Bemerkung am Rande: nach einer ähnlich guten
Akzeptanz der Verkehrsregeln kann sich jeder Verkehrsminister nur
sehnen.
Die zweite, wesentlich schwierigere Bewährungsprobe ist die
Zerreißprobe: kann das Gesetz, die betroffenen Institutionen und
letztendlich die Regierung dem Druck im Falle eines vorsätzlichen
Gesetzesbruchs Stand halten? Wobei auch die grundsätzlichere Frage von
Bedeutung ist: Wie groß ist dieser Druck?
Der Druck der Raucher und Tabaklobbyisten ist zweifellos auch in Irland
vorhanden. Darüber haben wir bereits in den Artikeln "Irland: Warum ist
das Rauchverbot so erfolgreich? - Teil 1" und "Irland: Neuauflage der
'Gesundheitsnazis'"
berichtet. Aber zwischen (politischem) Säbelrasseln und einem
ernsthaften Gesetzesbruch mit weit reichenden Konsequenzen besteht
jedoch ein gewaltiger Unterschied. Die Revolte des "Fibber Magees" in
Galway erregte bisher das größte Aufsehen, nicht zuletzt, weil die
Besitzer selbst einen enormen Medienrummel veranstalteten, um die
Regierung unter Druck zu setzen.
Pub-Besitzer Ronan Lawless versuchte wohl, seinem Namen alle
Ehre zu machen (lawless heißt soviel wie gesetzlos), als er sich mit
seinem Partner Ciaran Levanzin dazu entschloss, in ihrem gemeinsamen
Pub "Fibber Magees" eine Raucherrevolte anzuzetteln. In offener
Missachtung des Gesetzes prangten am Pub die Schilder, dass dort das
Rauchen erlaubt sei. Entsprechend verqualmt zeigte sich den Gästen das
Etablissement, das etliche uneinsichtige Raucher damit offensichtlich
als gesetzesfreie Zone betrachteten. Der von Lawless und Levanzin
initiierte Medienrummel inspirierte eine Gruppe von 22 rauchenden
Freunden aus Cork, sich einen Minibus zu mieten, und dem aufsässigen
Pub in Galway einen Besuch abzustatten.
Die Regierung ließ sich von den aufsässigen Pub-Besitzern, die sich mit
ihrem Treiben eines ernsthaften Gesetzesbruchs schuldig machten, jedoch
nicht unter Druck setzen. Entsprechend der für diesen Fall des
Gesetzesbruchs definierten Standardprozedur erhielten die Revoluzzer
zuerst eine förmliche Verwarnung. Daraufhin folgte eine zweite, die
ebenfalls erfolglos blieb. Nachdem im "Fibber Magees" weiter munter
geraucht wurde, ebenso wie der der "Cooke's Bar" des gleichen
Eigentümers, schritt die zuständige Gesundheitsbehörde ein, und stellte
den Besitzern ein letztes Ultimatum, nach dessen Ablauf die Verhandlung
des Falles vor dem obersten irischen Zivilgericht angedroht wurde.
Unterstützung erhielt Gesundheitsminister Martin, der selbst "jeden
legalen Weg" zur Durchsetzung des Rauchverbots am Arbeitsplatz gehen
wollte, von Regierungschef Ahern. Dieser zeigte sich "verärgert und
enttäuscht" über seine aufsässigen Landsleute. Nach Angaben der
Regierungssprecherin sprach er den Verantwortlichen sein vollstes
Vertrauen in ihre Fähigkeiten aus, dieses Problem in den Griff zu
bekommen, und gesetzesbrecherische Pub-Besitzer zur Rechenschaft zu
ziehen.
Die Pub-Besitzer, die in ihrem ursprünglichen Nikotinrausch
offensichtlich in eine derartige Hochstimmung verfallen waren, dass sie
sogar anboten, für jeden einzelnen Verstoß die in diesem Fall mögliche
Höchststrafe von 3.000,- Euro klaglos zu bezahlen, konnten letztlich
dem massiven öffentlichen Druck nicht Stand halten. In letzter Minute
unterzeichneten sie eine Erklärung, dass sie sich in Zukunft dem Gesetz
beugen würden. Das Raucher-Pub wurde geschlossen, und würde es auch bis
auf weiteres bleiben, so die Eigentümer.
Der Rückzug der Aufständischen wurde mit Sicherheit durch die weiteren
Strafverfolgungsoptionen unterstützt. Denn ihnen drohte nicht nur die
zuvor genannte Geldstraße für die einzelnen Verstöße gegen das
Rauchverbot. Weitaus existenzieller dürfte sie der drohende Entzug der
Alkohollizenz motiviert haben, doch wieder auf die gesetzestreue Linie
zurück zu schwenken. Denn von den Inhabern einer Alkohollizenz wird
besondere Verantwortung erwartet, die sich nicht mit einem derartigen
Gesetzesbruch in Einklang bringen lässt. Justizminister McDowell ließ
die Warnung verlauten, dass im Falle derartiger Verstöße die Polizei
beim zuständigen Bezirksgericht gegen eine Verlängerung der Lizenz
Einspruch erheben würde.
Wie die Irish Times mitteilte, hätte eine Vorstrafe im Zusammenhang mit
diesem Verstoß für die Betreffenden noch eine weitere Konsequenz
bedeutet. Dadurch könnte ihnen möglicherweise die Einreise in die USA
und andere Staaten verwehrt werden, was für viele Iren durch ihre
Verwandschaft in Nordamerika sicherlich weitaus schmerzlicher als für
die meisten Deutschen wäre.
Gesundheitminister Martin äußerte, er sei sich im Klaren darüber,
welche Rolle die Tabakindustrie spiele, und dass er sich keine
Illusionen über deren tiefste Besorgnis angesichts des irischen
Rauchverbots mache. Bezug nehmend auf die mögliche Ausbreitung der
Revolte von Galway sagte er, dass jeder Versuch, das Gesetz zu
unterwandern, ein Grund zur Besorgnis sei. Das Leben der Beschäftigten
in Bars und Restaurants hätte jedoch einen positiven Wandel durch das
Rauchverbot erfahren, was er als wichtigen persönlichen Erfolg sieht,
der auch herausgestellt werden müsse.
Eine bedauerliche Rolle spielte bei dieser Aktion wieder einmal die
Tagespresse. Während in Irland auch über die Schattenseiten dieser
Revolte und deren Ausgang berichtet wurde, musste sich der Rest der
Welt mit einseitigen Berichten zufrieden geben, die nur die Interessen
der Tabaklobbyisten widerspiegelten.
Die großspurigen Ankündigungen der Pub-Besitzer wurden weltweit
verbreitet. Die Berichte darüber füllten nicht nur in Irland und Europa
die Zeitungen, sondern auch in Australien, Taiwan und anderen Ländern.
Aber fast alle Zeitungen, die sich an dieser tendenziösen
Berichterstattung beteiligten, verschwiegen hinterher die Fortsetzung
der Geschichte. Denn die ursprünglich großmäulig aufgetretenen
Pub-Besitzer gaben plötzlich angesichts der (für sie unangenehmen)
Realität und den Folgen ihres Handelns klein bei, schlossen ihr Pub bis
auf weiteres, und unterschrieben eine Unterwerfungserklärung. Diese
Erfolgsmeldung war der abhängigen und unfreien Presse wohl nicht genehm.