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Fotodokumentationen

Kein Anspruch auf Zigarettenpause am Arbeitsplatz

Nichtraucherschutz hat Vorrang

[01.10.2011/pk] Seit 2004 haben Arbeitnehmer in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf Schutz vor gesundheitsschädlichem Tabakqualm. Anders als beispielsweise in Irland übernimmt der Gesetzgeber jedoch keine Verantwortung für den Nichtraucherschutz. Das bedeutet, dass sich jeder Mitarbeiter im Zweifelsfall sein in der Arbeitsstättenverordnung festgelegtes Recht auf rauchfreie Atemluft selbst erstreiten muss, notfalls vor Gericht. Erschwerend kommt hinzu, dass der Gesetzgeber im Einklang mit der Tabaklobby kein ausnahmsloses Rauchverbot am Arbeitsplatz verfügt hat. Streitigkeiten sind dadurch vorprogrammiert.

Eine aggressive Tabaklobby trägt mit offenbar gezielt gestreuten Fehlinformationen zur Verschärfung der Tabakrauchproblems am Arbeitsplatz bei. So hält sich hartnäckig das Gerücht, Rauchern müsse eine Zigarettenpause gewährt werden. Tabakdrogenabhängige pochen häufig auf ihr vermeintliches Recht auf einen Raucherraum oder einen überdachten Unterstand, sofern das Rauchen nur im Außenbereich des Betriebsgeländes gestattet wird. Angesichts dieses Selbstverständnisses der Nikotinsüchtigen verwundert es nicht besonders, dass immer noch etwa 8,5 Millionen Nichtraucher am Arbeitsplatz zwangsberaucht werden, wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ermittelte.

Trotz einer anfänglich recht zögerlichen Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen qualmfreien Arbeitsplatz durch die Justiz hat sich die Lage inzwischen etwas gebessert. Bei vielen Richtern ist inzwischen die Erkenntnis durchgesickert, dass der Nichtraucherschutz Vorrang hat. Denn die Folgen des Passivrauchens sind gravierend. Nach 10 bis 15 Jahren erkranken die Betroffenen doppelt so häufig an Lungenkrebs wie in einem rauchfreien Büro.

Über Jahrzehnte hinweg wurde den Nichtrauchern gebetsmühlenhaft eingetrichtert, es wäre völlig normal, dass Nikotinsüchtige sich auch am Arbeitsplatz nach Belieben ihre Kippen anzündeten. Der uneinsichtige Oberqualmer der Nation, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmitt, ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass diese Form der Rücksichtslosigkeit leider immer noch nicht ausgestorben ist. Dennoch sind die Zeiten des uneingeschränkten Qualmens vorbei, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Das Blatt zitiert Marcus Portz, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln: "Wenn ein Raucher während der Arbeitszeit partout nicht auf seine Zigarette verzichten will, muss er schon froh sein, wenn er zumindest draußen vor der Tür rauchen darf. Das Gesetz sei da eindeutig."

Entsprechend müsse es niemand mehr akzeptieren, von Kollegen zwangsberaucht zu werden. Wie der Fachanwalt betont, "komme der Chef kaum um ein generelles Rauchverbot in Büros, Pausenräumen, Umkleidekabinen oder Toiletten herum", da in fast allen Betrieben Nichtraucher beschäftigt werden, die es zu schützen gelte. Die Einrichtung eines reinen Raucherbüros stellt in der Regel keine Abhilfe dar. Der Rauch macht naturgemäß nicht vor Schildern halt, sondern breitet sich nach den Gesetzen der Physik über alle sich bietenden Schlupflöcher aus. Entsprechend kommt Portz zu der Schlussfolgerung: "Durch ein Rauchverbot beschränkt auf einen Einzelraum ist ein effektiver Nichtraucherschutz faktisch nicht zu gewährleisten."

Somit ist es nur konsequent, dass auch der vermeintliche Anspruch auf einen Raucherraum eindeutig einen Irrglauben der Nikotinsüchtigen darstellt. Dazu stellt Hans Jürgen Kotz, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Kreuztal bei Siegen, fest, "einen Anspruch auf einen Raucherraum gibt es nicht". Die damit verbundenen Kosten, insbesondere für eine professionelle Entlüftung, sind für viele Firmen nicht tragbar. Ohnehin ist die Wirksamkeit derartiger technischer Maßnahmen meist äußerst zweifelhaft.

Folgerichtig müssen Raucher zur Suchtbefriedigung ins Freie. Dabei rechtfertigen Wind und Wetter keine Ausnahmen. Der Arbeitgeber muss auch keine Maßnahmen gegen schlechtes Wetter ergreifen, wie beispielsweise die Einrichtung eines überdachten Unterstands. Ohnehin machen sich Raucher geradezu lächerlich, wenn sie einerseits einen Chemiecocktail aus gesundheitsschädlichen und Krebs erregenden Substanzen einschließlich des hochwirksamen Nervengifts Nikotin zu sich nehmen, andererseits aber über angeblich gesundheitsschädliche Wettereinflüsse beim Rauchen auf dem Hof lamentieren.

Der Gesetzgeber trägt leider keine Sorge dafür, dass Arbeitnehmer generell vor gesundheitsschädlichem Tabakqualm geschützt werden. Somit muss jeder Mitarbeiter, der durch rauchende Kollegen belästigt wird, selbst die Initiative ergreifen. Da inzwischen viele Raucher mehr Rücksicht nehmen, "weil sie verstanden haben, dass Passivrauchen eine Gesundheitsgefahr für ihre Familie und Kollegen darstellt", sollten Passivrauchgeschädigte laut Expertenrat zuerst das Gespräch mit den betreffenden rauchenden Kollegen suchen. Falls dieses erfolglos und der Raucher uneinsichtig bleibt, so kann der Betriebsrat um Hilfe ersucht werden. Wenn sich auch dieser unwillig zeigt - weil er beispielsweise von Rauchern dominiert wird - dann ist die Gewerbeaufsicht der nächste Ansprechpartner.

Leider werden selbst in den Behörden offensichtlich immer noch uneinsichtige Raucher beschäftigt, die nur ihren eigenen Suchtinteressen oberste Priorität einräumen. Bleibt die Gewerbeaufsicht untätig oder lässt sie das Problem nicht wirksam abstellen, so bleibt dem geplagten Passivraucher nur noch der Gang zum Gericht.

Damit hat der Gesetzgeber einem wirklich funktionierenden Nichtraucherschutz hohe Hürden in den Weg gestellt. Wer im Supermarkt einen Schokoriegel stiehlt wird bestraft. Eine vergessene Fahrkarte in der U-Bahn wird ebenfalls als Straftat geahndet. 3.300 Passivrauchtote jährlich alleine Deutschland oder Körperverletzung durch Zwangsberauchung hingegen werden als Bagatellen verharmlost.

Bislang hatte die Gesundheit der Nichtraucher häufig unter dem agressiven Auftreten der Nikotinsüchtigen zu leiden. Inzwischen trägt die Aufklärung über die Folgen des Tabakkonsums indirekt zu einer Verbesserung des Nichtraucherschutzes am Arbeitsplatz bei. Denn die Qualmerei kommt die Betriebe teuer zu stehen, weshalb die Akzeptanz vieler Chefs gegenüber der Nikotinsucht deutlich zurück geht.

Raucher sind im Durchschnitt häufiger krank, und in der Regel auch weniger produktiv. Betriebliche Regelungen, nach denen beispielsweise für Raucherpausen ausgestempelt werden muss, werden gerne ignoriert wenn der Chef gerade nicht hinsieht. Raucherräumen müssen häufiger gelüftet werden, was die Heizkosten in die Höhe treibt, und zudem müssen sie öfter renoviert werden. Empfindliche technische Geräte, darunter auch der allgegenwärtige Rechner am Arbeitsplatz, sind anfällig für Feinstaub und nehmen durch den Tabakrauch häufiger Schaden.

Fazit: Auch wenn die Aachener Zeitung titelt, "Raucher sitzen im Job am kürzeren Hebel", so haben es Deutschlands nichtrauchende Arbeitnehmer immer noch deutlich schwerer, als ihre Kollegen in anderen, fortschrittlicheren europäischen Staaten. Es lässt sich leicht vorstellen was einem abhängig Beschäftigten blüht, wenn er seinen Hebel gegen rauchende Vorgesetzte ansetzt. Die große Zahl von Millionen Arbeitnehmern, die immer noch dem Zwangsmitrauchen ausgesetzt sind, spricht hier Bände. Deshalb muss der Staat ein ausnahmsloses Rauchverbot am Arbeitsplatz nach irischem Vorbild per Gesetz verfügen, und für dessen Durchsetzung gegenüber Hardcore-Rauchern die Verantwortung übernehmen. Andernfalls bleibt vielen Arbeitnehmern nur die Qual der Wahl zwischen Zwangsmitrauchen oder Mobbing. Das scheint jedoch leider von der Bundesregierung durchaus so gewollt zu sein, ein Zugeständnis an die finanzstarken Freunde von der Tabakindustrie.


Quellen und weitere Informationen

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