Etappensieg der Vernunft gegen eine übermächtige Tabaklobby
[04.07.2008/pk]
Seit dem 1. Juli ist nun das Rauchen in Deutschlands Gaststätten generell verboten. Nordrhein-Westfalen und Thüringen haben zum Stichtag als letzte Bundesländer eine entsprechende gesetzliche Regelung in Kraft gesetzt. Damit sind nun in allen Bundesländern gesetliche Regelungen in Kraft, die auch die Beschäftigten in der Gastronomie vor dem gesundheitsschädlichen Zwangsmitrauchen schützen sollen. Trotz flächendeckender Gesetzgebung kann jedoch in Deutschland noch nicht von einem umfassenden Nichtraucherschutz gesprochen werden, wie er in vielen europäischen Ländern bereits konsequent umgesetzt wird.
Nordrhein-Westfalen hatte bisher das Rauchen nur in Behörden und Krankenhäusern verboten. Nun ist dort der Tabakkonsum auch in der Gastronomie zumindest prinzipiell untersagt. Allerdings gibt es, ähnlich wie in Bayern und etlichen anderen Bundesländern, immer noch eine Reihe von Schlupflöchern, die von nikotinsüchtigen Wirten mit Hilfe der Tabaklobby ohne Rücksicht auf Verluste ausgenutzt werden. Zu den Hintertürchen gehören beispielsweise abgetrennte Räume oder Brauchtumsveranstaltungen, wo kein genereller Schutz vor Passivrauchen vorgeschrieben ist.
In Thüringen gilt nun ein gesetzliches Rauchverbot in Behörden, Gaststätten, Vereinshäusern, Spielkasinos sowie Sport- und Kultureinrichtungen. Auch hier bietet das Gesetz Schlupflöcher zur Umgehung des Rauchverbots. Nebenzimmer von Gaststätten können vom Rauchverbot ausgenommen werden. Das gleiche gilt für Diskotheken, solange sich in dem entsprechenden Bereich keine Tanzfläche befindet. Auch Behördenmitarbeiter haben Pech, wenn sie einen rauchenden Chef haben. Denn der kann nach eigenem Gutdünken Raucherzimmer einrichten, worunter bekanntermaßen vor allem die Mitarbeiter der benachbarten und der darüber liegenden Büros zu leiden haben.
Die Tabaklobby hatte bis zur letzten Minute versucht, den ohnehin nur unzulänglichen gesetzlichen Schutz vor dem Zwangsmitrauchen noch weiter auszuhöhlen. Die in Nordrhein-Westfalen mitregierende FDP, die wegen ihrer offensichtlichen Nähe zur Tabakindustrie auch schon als "Freie Drogen-Partei" kolportiert wird, hatte zuletzt gefordert, Ausnahmen vom Rauchverbot in Kneipen mit Luftfiltern zu gestatten. Diese Forderung war jedoch wegen der Wirkungslosigkeit derartiger Anlagen vom Gesundheitsministerium strikt zurückgewiesen geworden. Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) stellte dazu fest: "Es gibt nirgendwo Grenzwerte, und es gibt auch keine Anlage, die so funktioniert, als würde überhaupt nicht geraucht."
Somit stellt ein Verstoß gegen das Rauchverbot in Nordrhein-Westfalen wie auch in anderen Ländern ein Ordnungswidrigkeit dar, die mit Geldbußen zwischen 5 und 1000 Euro geahndet wird. Ebenso wie an weiteren Bundesländern werden die Behörden hier aber erst dann aktiv, wenn sie durch Beschwerden von Gästen dazu gezwungen werden. Beim Rauchverbot wird den Bürgern also wieder einmal das Bild von arbeitsscheuen Bürokraten dargeboten, die eine aktive Rolle zur Durchsetzung des gesetzlichen Nichtraucherschutzes verweigern.
Ende der Übergangsfrist in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt ist der Nichtraucherschutz rein theoretisch bereits seit Januar dieses Jahres gesetzlich verpflichtend. Den Wirten war jedoch eine großzügige Übergangsfrist bis Ende Juni gewährt worden, um "sich auf die neue Regelung einzustellen". Anstatt das neue rauchfreie Angebot unternehmerisch zu vermarkten, und die nicht rauchende Bevölkerungsmehrheit als Kunden zu gewinnen, schlossen sich viele Wirte jedoch der polemischen Linie des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) an. Abfällige Kommentare gegen Nichtraucher machte die Runde, die Wirte kämpften mit der Verbissenheit von (Nikotin-)Suchtkranken um jede Möglichkeit zur Umgehung und Aushebelung des Nichtraucherschutzgesetzes. Vielerorts war das Rauchverbot auch ganz offen ignoriert worden, weil weder uneinsichtige Wirte noch rücksichtslose Gäste bei Verstößen mit Bußgeldern rechnen mussten.
Mehrere anhaltinische Gastronomen hatten vesucht, das Gesetz gerichtlich per Eilantrag zu stoppen. Die drei Diskothekenbetreiber und die Wirtin einer Einraum-Kneipe hatten sich das DEHOGA-Märchen von den gewaltigen Umsatzeinbußen auf Grund des Rauchverbots anscheinend so sehr verinnerlicht, dass sie die vor Gericht erforderliche Nachweisbarkeit ihrer Behauptungen außer Acht ließen. Die von den umtriebigen Wirten vorgelegten angeblichen Beweise in Form von Umfragen und so genannten Studien ergaben nach Ansicht des Gerichts keine ausreichenden Hinweise darauf, dass den Gastronomen auf Grund des Rauchverbots irgendein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Schließlich befindet sich die Gastronomie ohnehin in einem langjährigen Abwärtstrend, der durch die aktuelle Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten nicht gerade gemildert wird.
Nach dieser gerichtlichen Bestätigung des Landesnichtraucherschutzgesetzes soll nun in Sachsen-Anhalt, anders als beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, die Regelung auch in der Praxis aktiv durchgesetzt werden. Diskothekenbesitzern und Kneipenwirten, die gegen das Gesetz verstoßen, drohen nun empfindliche Geldbußen. Der Ordnungsamtsleiter der Stadt Aschersleben, Jürgen Grzega, will die Umsetzung ab sofort verstärkt überprüfen: "Ab jetzt wird kontrolliert und ab jetzt wird mit Bußgeldern gearbeitet." Wenn man den Erfolg der bisherigen laxen Handhabung und die konsequente Umsetzung des Nichtraucherschutzes in Irland vergleicht, dann erweist sich die harte Linie als der einzige Erfolg versprechende Ansatz. Es sollte hier nicht vergessen werden, dass Rauchen eine Drogensucht ist. Wie verständnislos und teilweise sogar regelrecht aggressiv Süchtige auf eine Einschränkung ihrer Suchtgewohnheiten reagieren, ist inzwischen aus vielen Medienberichten leider allzu bekannt.
Mediziner fordern Rauchverbot
Aus Sicht der Ärzte ist das Rauchverbot in Kneipen ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Zigarettenqualm. Sozialmediziner Prof. Ulrich Keil sieht diesen Schutz in ständiger Gefahr durch die Sabotageversuche der Tabaklobby, so dass "bundesweit eine Verwässerung der Gesetze zu befürchten sei". Beispiele dafür sind die wie ein Krebsgeschwür ausufernde Umwandlung von Kneipen in Raucherklubs und die gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen nach Ausnahmeregelungen für Eckkneipen, für besondere Veranstaltungen, für Festzelte, für das Münchner Oktoberfest und viele andere mehr, die hier gar nicht komplett aufgelistet werden können.
Der Mediziner führt das Beispiel etlicher europäischer Staaten als Vorbild an, in denen das Rauchverbot ohne Ausnahmen durchgesetzt wird: Italien, Irland, Schweden, Finnland und Norwegen. Aus medizinischer Sicht stellt dies eine klare Verbesserung dar. So wurde beispielsweise in Italien eine deutliche Verringerung von Herzinfarkten nach der Einführung des Nichtraucherschutzgesetzes beobachtet. Ähnlich positive Ergebnisse sickerten unlängst aus England an die deutsche Öffentlichkeit durch.
Keil betont, es handele sich bei der gesetzlichen Regelung vorrangig um den Schutz der Nichtraucher vor dem gesundheitsschädlichen Tabakqualm. Dieser sei unstrittig als Gesundheitsgefahr anerkannt, an der jährlich in Deutschland 3.300 Menschen sterben, die den Rauch unfreiwillig einatmen müssen. Durch Passivrauchen steigt das Risiko für Lungenkrebs, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich an. Bereits seit 1964 ist nachgewiesen, dass Aktivrauchen schwerde Gesundheitsschäden verursacht. Die Gefährlichkeit des Passivrauchens ist seit Mitte der Achtzigerjahre erwiesen.