Freiwillige Selbstverpflichtung der Gastronomie klÀglich gescheitert
DEHOGA-Betriebe erfĂŒllen nicht einmal das fĂŒr den 1. MĂ€rz 2006 vereinbarte Ziel
[03.03.2007/pk]
Die freiwillige Selbstverpflichtung der Gastronomie zum Nichtraucherschutz in GaststÀtten ist gescheitert. Was die Spatzen schon lange von den DÀchern pfiffen ist nun offiziell. BestÀtigt durch eine Studie, deren Ergebnis am 26. Februar 2007 von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung und dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) veröffentlicht wurde.
Im MĂ€rz 2005 hatte sich der Deutsche Hotel- und GaststĂ€ttenverband (DEHOGA) gegenĂŒber dem Bundesgesundheitsministerium verpflichtet, in SpeisegaststĂ€tten fĂŒr eine ausreichende Zahl von so genannten NichtraucherplĂ€tzen zu sorgen. Bis zum 1. MĂ€rz 2008 sollten mindestens 90 Prozent aller Speisebetriebe die HĂ€lfe ihrer PlĂ€tze fĂŒr Nichtraucher zu reservieren. Laut Stufenplan war zum Stichtag 1. MĂ€rz 2007 vereinbart, dass "mindestens 60 Prozent der SpeisegaststĂ€tten mindestens 40 Prozent ihrer Sitzmöglichkeiten als reine NichtraucherplĂ€tze anbieten und als solche auch deutlich kennzeichnen".
Zum 1. MĂ€rz 2006, als die erste Stufe in Kraft getreten war, hatte der DEHOGA behauptet, die von ihm eingegangene Verpflichtung gerade erfĂŒllt zu haben. Kritiker hatten dem Verband jedoch eine TĂ€uschung der Ăffentlichkeit vorgeworfen. Die vom DEHOGA durchgefĂŒhrte Befragung könnte den wissenschaftlichen Standards reprĂ€sentativer Umfragen nicht standhalten, das Ergebnis hĂ€tte keine Aussagekraft. Totalerhebungen in mehreren deutschen StĂ€dten, die von verschiedenen Organisationen durchgefĂŒhrt worden waren, nĂ€hrten ebenfalls die Vermutung, dass der DEHOGA seine Verpflichtungen gegenĂŒber der Bundesregierung nicht annĂ€hernd erfĂŒllen konnte.
Damit geriet nicht nur der Deutsche Hotel- und GaststĂ€ttenverband unter Druck, sondern auch die Bundesdrogenbeauftragte, die das Bundesgesundheitsministerium bei dieser Vereinbarung vertritt. Noch recht neu in ihrem Amt akzeptierte Sabine BĂ€tzing das vom DEHOGA verkĂŒndete Ergebnis ohne jeglichen Nachweis und ohne jegliche PrĂŒfung. Diese naive Vorgehensweise hĂ€tte die Jungpolitikerin leicht ihr frisch erworbenes Amt kosten können, deutliche RĂŒcktrittsforderungen wurden laut. Derart unter Zugzwang rang sich die Bundesdrogenbeautragte dazu durch, eine Studie zur Ermittlung des tatsĂ€chlichen Standes bei der rauchfreien Gastronomie in Auftrag zu geben.
Aus Sicht des mit immer neuen Sparforderungen konfrontierten BĂŒrgers ist es allerdings unverstĂ€ndlich, dass die Bundesdrogenbeauftragte die Studie aus Steuermitteln finanzierte, und die Kosten nicht dem DEHOGA auferlegte. SchlieĂlich hatte der Verband falsche Versprechungen gemacht, um der Tabakindustrie gefĂ€llig zu sein, und ein Rauchverbot zu verhindern. Es darf an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass sich der DEHOGA bereits vor gut zwei Jahrzehnten, als ebenfalls ein allgemeines Rauchverbot in der politischen Diskussion war, vom Verband der Cigarettenindustrie (VdC) die Kampagne "Raucher sind die besseren GĂ€ste" hatte sponsern lassen.
Ungeachtet aller berechtigten Kritik an der Bundesdrogenbeautragten und der Finanzierung ihrer Studie konnte diese jedoch ihren Zweck voll erfĂŒllen. Das Ergebnis demonstrierte eindeutig, dass der gefĂŒhlte fehlende Nichtraucherschutz in der Gastronomie auch tatsĂ€chlich einer mangelnden Handlungsbereitschaft der Wirte entspricht. Selbst die Restaurants sind heute weitgehend genauso verqualmt wie eh und je, von der vielzitierten Eckkneipe ist hier noch nicht einmal die Rede.
Kurz zusammengefasst ergab die vom Gesundheitsministerium beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Auftrag gegebene Studie, dass es in zwei Drittel der betroffenen Betriebe keinerlei Nichtraucherangebote gibt. Im restlichen Drittel stellte das Institut fĂŒr angewandte Verbraucherforschung (IFAV) "sehr individuelle Nichtraucherregelungen" fest, "die den Angaben zufolge in den meisten FĂ€llen der freiwilligen Zielvereinbarung zuwiderliefen".
Bei der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Studie erklĂ€rte die Bundesdrogenbeauftragte im Hinblick auf den Stichtag 1. MĂ€rz 2007: "weniger als elf Prozent der SpeisegaststĂ€tten hielten ein ausreichendes Platzangebot fĂŒr Nichtraucher bereit". BĂ€tzing weiter: "Damit sei sogar die Zielvorgabe aus dem Jahr 2006 unterschritten worden, nach der mindestens 30 Prozent aller Speisebetriebe 30 Prozent ihrer PlĂ€tze fĂŒr Nichtraucher anbieten sollten".
Die Bundesdrogenbeauftragte wertete dieses Ă€uĂerst mangelhafte Ergebnis als "deutliches Signal an die MinisterprĂ€sidenten, beim Rauchverbot fĂŒr GaststĂ€tten eine umfassende und einheitliche Lösung anzustreben". Die SPD-Politikerin forderte, es dĂŒrfe keine Ausnahmen von einem generellen Rauchverbot geben, wie es einige Politiker der BundeslĂ€nder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen anstrebten. Im Einklang mit Siegfried Gallus, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Bayerischen Hotel- und GaststĂ€ttenverbandes (BHG), erklĂ€rte BĂ€tzing: "eine Wahlfreiheit werde am Ende dazu fĂŒhren, dass Nichtraucherlokale UmsatzeinbuĂen zu befĂŒrchten hĂ€tten". Ăhnlich bewertet die vzbv-Chefin Edda MĂŒller, die sich entsprechend gegen Ausnahmeregelungen aussprach, das Ergebnis der Studie: "Nach dem gescheiterten Experiment der Selbstverpflichtung sind jetzt klare und eindeutige Regeln dringend erforderlich."
Die Drogenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Eichhorn, erklĂ€rte anlĂ€sslich der Studie uber die Umsetzung der Freiwilligen Selbstverpflichtung des DEHOGA: "Die Selbstverpflichtung ist gescheitert! Die Ergebnisse der Verbraucherzentrale sprechen eine deutliche Sprache. Statt 60 Prozent bieten nur 10,9 Prozent der SpeisegaststĂ€tten, die unter die Vereinbarung fallen, eine ausreichende Zahl an NichtraucherplĂ€tzen an." Und weiter: "Angesichts der GesundheitsgefĂ€hrdungen, die erwiesenermaĂen vom Tabakrauch ausgehen, fordert die Mehrheit der Bevölkerung zu Recht, endlich besser vor dem Passivrauch geschĂŒtzt zu werden."
Der Gastronomenverband versuchte, das Ergebnis dieser Studie durch Verbalattacken zu untergraben. DEHOGA-PrĂ€sident Ernst Fischer schob der Bundesregierung das Scheitern der Zielvereinbarung in die Schuhe. Statt Selbstkritik am eigenen Scheitern zu ĂŒben, ereiferte sich der DEHOGA-Oberste, es sei "nicht nachvollziehbar, warum das Bundesgesundheitsministerium Geld fĂŒr eine Studie ausgibt, von deren Ergebnis nichts abhĂ€ngt". Dass der DEHOGA mit falschen Zahlen und nicht haltbaren Behauptungen die Ăffentlichkeit hinters Licht gefĂŒhrt hatte, verschwieg die FĂŒhrung des Deutschen Hotel- und GaststĂ€ttenverbandes schamhaft.
Im Rahmen der Studie wurden vom Institut fĂŒr angewandte Verbraucherforschung (IFAV) im gesamten Bundesgebiet 1.927 SpeisegaststĂ€tten in 150 Orten aller BundeslĂ€nder untersucht. Die ausgewĂ€hlten GaststĂ€tten stellen eine reprĂ€sentative Stichprobe der SpeisegaststĂ€tten Deutschlands dar, deren Gesamtzahl sich auf eine knappe Viertelmillion belĂ€uft, wobei auch bei der Einwohnerzahl der gewĂ€hlten Orte auf eine reprĂ€sentative Auswahl geachtet worden war. Die Datenermittlung erfolgte im Rahmen einer unangekĂŒndigten persönlichen Begehung und Beobachtung von qualifizierten Marktbeobachtern des IFAV. Sowohl die Methodik als auch die Struktur der Stichproben entsprechen den Vorgaben des Zentrums fĂŒr Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim, das in der Planungsphase der Studie methodisch beratend zur Seite stand.