[09.11.2006/pk]
Langsam setzt sich auch in Deutschland die Erkenntnis durch, dass Kinder besonders vor dem gesundheitsschädlichen Tabakrauch geschützt werden müssen. Kinder sind stärker als Erwachsene gefährdet, weil sie sich noch im Wachstum befinden. Sowohl die körperliche als auch die geistige Entwicklung werden durch Passivrauchen beeinträchtigt. Kinder nehmen durch ihre höhere Atemfrequenz deutlich mehr Tabakrauch und die darin enthalten Giftstoffe auf.
Besonders gefährdet sind Kinder rauchender Eltern. In Deutschland leiden etwa acht Millionen Kinder unter Passivrauch. Dabei ist nicht nur der Kneipenbesuch mit dem Nachwuchs gefährlich, auch zu Hause oder im Auto stellt der Tabakrauch eine nicht zu unterschätzende Belastung dar.
Wissenschaftler der Harvard School of Public Health untersuchten die Feinstaubbelastung durch Tabakrauch im Auto. Die Feinstaubwerte im Fahrzeug wurden vor, während und nach dem Rauchen gemessen, sowohl bei geöffnetem als auch bei geschlossenem Fenster. Der Spitzenwert lag bei 505 Mikrogramm, damit wurde der EU-Grenzwert um das zehnfache überschritten. Die Wissenschaftler kritisieren, dass Erwachsene ihre Kinder im Auto oft stärker gefährden, als ihnen bewusst sei.
Besonders dicke Luft herrscht in Raucherwohnungen. Tests des RTL-Magazins "Extra" ergaben Messwerte bis zu 2400 Mikrogramm Feinstaub je Kubikmeter Luft, und das sogar trotz vollständig geöffneter Fenster. Nach Angaben von Dr. Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg würde ein Industriebetrieb, der eine derart hohe Feinstaubbelastung an seinen Arbeitsplätzes aufweisen würde, sofort geschlossen werden.
Vereinzelt wird von Politikern das Credo der Tabaklobby wiedergegeben, dass Rauchen zu Hause und im Auto eine reine Privatsache sei, in die sich der Staat nicht einzumischen hätte. Eine derartige Sichtweise relativiert sich jedoch sofort, wenn man sich vor Augen führt, dass in Deutschland jährlich 60 Säuglinge durch Passivrauchen am Plötzlichen Kindstod sterben. Kinder von Rauchern leiden häufiger unter Asthma und Allergien, Mittelohrentzündungen und weiteren Krankheiten.
Dementsprechend sprechen sich Mediziner für die Vorschläge zum Schutz vor Passivrauchen aus. Martina Pötschke-Langer kritisiert die Politik: "Das Grundgesetz verpflichtet zum Schutz des geborenen und des ungeborenen Lebens. Dieser Aufgabe kommt der Gesetzgeber nur unzureichend nach." Dieser Auffassung haben sich inzwischen auch erste Kinderschutzorganisationen angeschlossen, die dieses Thema jahrzehntelang äußerst stiefmütterlich betrachteten. Dazu Irene Epple-Waigel, Schirmherrin der Stiftung Kindergesundheit: "Eigentlich müssten Kinder überall vor Rauch geschützt werden - auch zu Hause. Wer Kinder liebt, sollte ihnen die verheerenden Folgen des Passivrauchens ersparen. Die persönliche Freiheit von Erwachsenen habe dort ihre Grenzen, wo sie Leben und Gesundheit eines Kindes beeinträchtigt."
Der Auto Club Europa (ACE) hatte noch im Jahr 2005 in einer Pressemeldung "auf die Forderung nach einem Rauchverbot am Steuer mit Spott reagiert". Angesichts der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefahren des Passivrauchens hatte der ACE nun mit einer Studie die Meinung der Bevölkerung untersucht. Die diesbezügliche ACE-Pressemeldung versucht zwar, sich mit dem Titel "Rauchverzicht im Auto heftig umstritten" auf die Seite der Raucher zu schlagen, verschweigt aber auch nicht, dass sich eine klare Mehrheit von 64 Prozent der Befragten eindeutig für ein gesetzliches Rauchverbot am Steuer ausspricht. Laut Studie, so die ACE-Pressemitteilung, setzt sich nur eine Minderheit von rund 12 Prozent der Autofahrer differenziert mit der brisanten Raucher-Thematik auseinander.
Während die Politik noch über Konsequenzen nachdenkt und diskutiert, ergreift die Fastfood-Kette McDonald's die Initiative. Das Unternehmen teilte auf einer Pressekonferenz mit, es sei "ein wichtiges Anliegen, alle seine Gäste und insbesondere Familien und Kinder vor den schädlichen Folgen des Passivrauchens zu schützen". Deshalb werden spätestens zum 31. März 2007 alle 1260 Restaurants in Deutschland rauchfrei sein. McDonald's sieht sich bereits seit Jahren als Vorreiter im Nichtraucherschutz. Schon jetzt ist ein Drittel der Filialen völlig rauchfrei, in über der Hälfte sind mindestens die Hälfte der Plätze für Nichtraucher reserviert.