Regierung will angeblich Gastronomiebeschäftigte an die Tabakindustrie verkaufen
CDU-Politiker Röttgen versucht Öffentlichkeit und Bundestag zu übertölpeln
[28.09.2006/pk]
Entgegen allen Ratschlägen von Fachleuten aus den Bereichen Krebsforschung, Gesundheitsprävention und Jugendschutz will die Bundesregierung den Beschäftigten aus der Gastronomie angeblich auch weiterhin das Recht auf Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz vorenthalten. Dies hatte Norbert Röttgen, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Bundestag, gegenüber der Süddeutschen Zeitung verlauten lassen.
Nach Aussage Röttgens werden SPD und Union bei der Formulierung ihres Gesetzesantrags zwar die Gefahren des Passivrauchens berücksichtigen, gleichzeitig aber großzügigen Ausnahmeregelungen für die Gastronomie zustimmen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte weiterhin behauptet, dass sich die Koalitionsparteien bereits auf eine entsprechende Regelung verständigt hätten.
Die angeblich abgestimmte Vereinbarung war Norbert Röttgen vom Verband der Cigarettenindustrie (VdC) im Rahmen einer Einladung zu einem Parlamentarischen Abend des VdC übermittelt worden. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber seinen Freunden von der Tabakindustrie hatte der CDU-Abgeordnete Röttgen bereits am Dienstag versucht, durch seine öffentlichen Äußerungen vollendete Tatsachen zu Gunsten der von ihm favorisierten Tabaklobby zu schaffen.
Die Behauptungen Röttgens entsprechen jedoch nicht der Wahrheit. Marion Caspers-Merk und Carola Reimann (beide SPD) hatten sofort jegliche Verständigung über eine derartige Absprache dementiert. Dem VdC kann jedoch die durch die deplatzierten Äußerungen Röttgens entstandene Verwirrung nur Recht sein. Seit Jahrzehnten bekämpft die Tabakindustrie durch ihren so genannten "Dritten Weg" erfolgreich die Bemühungen um mehr Schutz vor der tödlichen Tabakdroge.
Wiederholt wurden Politiker der großen Parteien in jüngster Vergangenheit auf diversen Veranstaltungen der Tabakindustrie gesichtet: Klaus Uwe Benneter, SPD ("Die Zigaretten gehören wie das Bier zur Kneipenkultur"), Laurenz Meyer, CDU ("Ein gesetzliches Rauchverbot ist nicht nötig") und Detlef Parr, FDP ("Die freiwilligen Aktivitäten im Gastronomiebereich finden die ausdrückliche Unterstützung der FDP und zeigen Erfolg"), um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Ein Kommentator der Süddeutschen Zeitung betitelte die Tabaklobby äußerst treffend als "ein Musterbeispiel dafür, wie in einer Demokratie eine Minderheit die Mehrheit praktisch in Geiselhaft nehmen kann". Somit überrascht auch die Schlussfolgerung nicht: "Diese Lobby hat wieder einmal gut gearbeitet, denn die überfällige Initiative für einen wirksamen Nichtraucherschutz droht schon vor der parlamentarischen Beratung verwässert zu werden".
Aktiv Rauchfrei verurteilt diese Unterwanderung der demokratischen Grundsätze durch Tabaklobby und willfährige Politiker. Alle Bundestagsabgeordneten werden aufgefordert, sich von der Tabakindustrie und ihren Verbänden zu distanzieren, deren Veranstaltungen zu meiden, und ab sofort keine Geld- oder Sachzuwendungen mehr von diesem todbringenden Industriezweig anzunehmen.