Zigarettenindustrie erkauft sich Unterschriften für Petition
R.J. Reynolds spendiert Freibier und Zigaretten
[03.04.2006/pk]
Nach einem Bericht der Zeitung "The Post and Courier" trat der Tabakkonzern R.J. Reynolds im März mit Freibier, kostenlosen Zigaretten und leicht bekleideten Mädchen zum Kampf gegen eine geplante Tabaksteuererhöhung im Bundesstaat South Carolina an. Der aktuelle Steuersatz von 7 Cent pro Packung ist der niedrigste der USA. Die aus der Erhöhung gewonnenen Mittel sollen für die Gesundheitspflege nicht versicherter Bürger aufgewendet werden.
In Columbia, der Hauptstadt des US-Bundesstaats, startete die Kampagne gegen eine Tabaksteuererhöhung um 32 US-Cent in einer Bar. Die Marketing-Kolonne des Tabakkonzern bot allen Rauchern eine Schachtel kostenlose Zigaretten als Gegenleistung für die Unterschrift einer Petition gegen die geplante Steuererhöhung an. Nichtrauchern wurde als Alternative Freibier ausgegeben.
Die Vertreter des Tabakkonzerns überreichten die Petition den gesetzgebenden Repräsentanten im Kapitol. Ein Sprecher konnte die Zahl der Unterzeichner nicht exakt beziffern, sprach jedoch von etwa 100 Unterschriften.
Der Abgeordnete Paul Agnew, maßgeblich an dem Gesetzesentwurf zur Tabaksteuererhöhung beteiligt, bezeichnete diese Lobbyaktion als "zweifelhaft". Der Demokrat äußerte, diese Taktik sei verwerflich und äußerst unglücklich gewählt. Er kritisierte, dass die Tabakverfechter alles Erdenklich unternehmen, um Zigaretten Jugendlichen und anderen Personen anzubieten.
Firmenvertreter verteidigten ihre Werbeaktion, und bezeichneten jegliche Andeutungen eines Bestechungsversuchs als "Fehlinterpretation". Craig Fishel, bei diesem Event anwesender Sprecher der in Winston-Salem (North Carolina) ansässigen Firma, bezeichnete Freibier und kostenlose Zigaretten als "nicht unüblich" für Firmenereignisse.
Bei der Marketingveranstaltung wurden jedoch nicht nur Unterschriften gesammelt, sondern auch Flyer verteilt. Auf diesen als "Informationsbroschüre" getarnten Karten waren nach Angaben der bei der Petitionsübergabe anwesenden Abgeordneten sechs Aussagen über die Tabaksteuer in South Carolina enthalten, die zumindest als irreführend bezeichnet werden können.
Auf diesen Karten wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, der Staat South Carolina würde 164 Millionen US-Dollar an Tabaksteuern kassieren. Verschwiegen wird jedoch, dass der in dieser Summe enthaltene Betrag von 73 Millionen US-Dollar aus dem Vergleich der Tabakindustrie mit der Regierung ("tobacco lawsuit enforcement") stammt. Diese Summe ist also eine Art freiwillige Ablasszahlung der Tabakindustrie, um sich vor weitergehenden Regressforderungen in astronomischer Höhe zu schützen, die durch ihre gefährlichen, giftigen und Krebs erregenden Tabakprodukte ansonsten auf sie zukämen.
Die "Informationsbroschüre" der Tabaklobbyisten behauptet weiterhin fälschlicherweise, der Staat würde einen Einnahmenüberschuss von fast einer Milliarde US-Dollar erzielen. Damit soll offensichtlich der Eindruck erweckt werden, die ach-so-armen Raucher würden wieder einmal völlig ungerechtfertigt und aus reiner Gängelei zur Kasse gebeten.
Dieser angebliche Überschuss stellte auch für den vorsitzenden Kämmerer Dan Cooper eine überraschende Neuigkeit dar. Die genannte Summe stellt vielmehr das Haushaltsbudget des Bundesstaates dar, der die Regierung funktionsfähig erhalte.
Das Budget der US-Bundesstaaten nimmt sich jedoch vergleichsweise bescheiden aus, wenn man die Marketing-Ausgaben der Tabakindustrie gegenüber stellt. In Tennessee fließen jährlich 412 Millionen US-Dollar in die Tabakwerbung. Nach Angaben der Federal Trade Commission geben die Tabakkonzerne in den USA jährlich mehr als 15 Milliarden US-Dollar für die Werbung aus.
Besonders aggressiv ist das Marketing zur Gewinnung von Nachwuchs. Die neueste Taktik der Tabakindustrie zur Vermarktung von echten Zigaretten mit Bonbonaroma und Fruchtgeschmack, die besonders attraktiv für Kinder sind. R.J. Reynolds beispielsweise vermarktet seine derart aromatisierten Camel-Zigaretten unter den Bezeichnungen "Warm Winter Toffee", "Kauai Kolada" (Ananas und Kokosnuss) und "Twista Lime". Die Parallele zur Vermarktung von Alcopops bei Jugendlichen ist unverkennbar.