Vorsätzlich falsche Angaben über gefährliche Inhaltsstoffe
[10.02.2006/ls]
Ein Forscherteam um David Hammond von der kanadischen Universität Waterloo fand bei der Untersuchung interner Dokumente der Tabakindustrie heraus, dass diese bewusst falsche Angaben über den Nikotin- und Teergehalt verbreitete. Die tatsächlich inhalierten Mengen seien weitaus höher als die auf den Packungen angegebenen Werte. Nach der Studie wurden die Konsumenten bewusst über den tatsächlichen Gehalt getäuscht, und für die entsprechenden Tabakprodukte gezielt bei "gesundheitsbewussten Verbrauchern" geworben, da sie angeblich weniger schädlich seien.
Nach den ausgewerteten internen Dokumenten der Tabakindustrie hatten British American Tobacco (BAT) und deren Tochtergesellschaft Imperial Tobacco Limited (ITL) das Rauchverhalten untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass Raucher versuchen, einen bestimmten Nikotinpegel zu erreichen, wobei sie bei leichteren Zigaretten stärker inhalierten, um den geringeren Nikotin- und Kondensatgehalt auszugleichen.
Die am 8. Februar 2006 im Magazin "Lancet" veröffentlichte Studie stellte fest, dass die Werte, die auf den Zigarettenpackungen angegeben wurden, weitaus geringer als die tatsächliche Belastung sind. Die Mediziner kritisieren, dass die Zigarettenindustrie die Strategie verfolgt habe und weiterhin verfolgen würde, diese Diskrepanz zu maximieren. Die Forscher bemängeln, dass die angewandten Messmethoden und Grenzwerte, die zu den unrealistischen Ergebnissen führen würden, auch weiterhin angewendet werden. Wünschenswert wären solche, die den Verbrauchern dienten, und nicht der Tabakindustrie.
Die untersuchten Dokumente der Tabakindustrie ergaben, dass sich die Tabakindustrie den Unterschied zwischen der Messmethode und einem realen Raucher gezielt zu Nutze macht, in dem sie so genannte elastische Zigaretten entwickelte. Diese sind daraufhin optimiert, dass sie bei der Messung möglichst niedrige Werte liefern. Bei einem typischen Raucher hingegen, der stärker inhaliert als bei der Standardmessmethode berücksichtigt, betragen die genannten Werte ein Vielfaches.
Dass es sich dabei nicht um einen historischen Zufall handelt bestätigt eine Aussage des BAT-Wissenschaftlers Colin Grieg gegenüber seinen Kollegen. Dieser hatte in einer undatierten Präsentation als Zielsetzung geäußert, "... eine Zigarette zu entwickeln, die von der Testmaschine in einem bestimmten Teerbereich geraucht werden könne, in der Hand eines Menschen diesen Bereich jedoch überschreitet".
Die Forscher fanden in den Dokumenten der Tabakindustrie den Beweis, dass BAT und ITL bewusst die Strategie verfolgt hätten, Produkte zu entwickeln, die sowohl den Verbraucher als auch die Regulierungsbehörden täuschen, damit diese an eine geringere Schädlichkeit glaubten. Fachleute des britischen Krebsforschungszentrums Cancer Research UK kritisieren, dass die Zigarette weitaus weniger reguliert ist, als Lebensmittel oder Nikotinersatztherapien.
Die Experten fordern, dass verlässliche und realistische Messmethoden den Verbraucher über die tatsächlichen Risiken aufklären müssten, das derzeit angewandte ISO-Verfahren müsse schnellstens ersetzt werden. Die Tabakindustrie müsse an der Manipipulation ihrer Produkte und deren Marketing gehindert werden, um Verbraucher vor bewusster und vorsätzlicher Verharmlosung der damit verbundenen Gefahren zu schützen.