Warum unsere Kliniken nicht auf freiwilliger Basis rauchfrei werden
[17.12.2005/pk]
Wer sich aus gesundheitlichen Gründen ins Krankenhaus begeben muss, steht
meist vor der schwierigen Entscheidung, welche Klinik denn nun für die
notwendige Behandlung am besten geeignet ist. Noch schwieriger gestaltet sich
dieses Problem, wenn der Krankenhausaufenthalt ohne gesundheitsschädliche
Tabakrauchbelastung überstanden werden soll. Denn in ganz Deutschland sind
nur etwa 50 der insgesamt 2.200 Gesundheitseinrichtungen rauchfrei.
Dabei gibt es durchaus ernstzunehmende Bemühungen um rauchfreie Krankenhäuser.
Beispielsweise unterstützt das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit,
Umwelt und Verbraucherschutz (BayStMGUV) dieses Ziel im Rahmen der Initiative
"Gesund. Leben. Bayern.". In die gleiche Richtung geht das vom
Bundesgesundheitsministerium geförderte Modellprojekt "Aufbau eines Netzes
rauchfreier Krankenhäuser". Unlängst wurde der Bad Wildbader Sanaklinik von
dieser Initiative das Zertifikat "Rauchfreies Krankenhaus" verliehen.
Das erklärte Ziel dieser deutschlandweiten Initiative ist, bis 2008 etwa 20
bis 25 Prozent der über 2.000 deutschen Kliniken rauchfrei zu bekommen.
Diese Zielsetzung erscheint jedoch absurd niedrig angesetzt. Denn eine
große Bevölkerungsmehrheit raucht nicht, und ganz besonders von einer
Gesundheitseinrichtung würde jeder denkende Mensch maximale Anstrengungen
zum Schutze der Gesundheit erwarten.
Es wäre nun jedoch völlig falsch, den beteiligten Organisationen mangelndes
Engagement oder unzulängliche Ziele vorzuwerfen. Denn die traurige Wahrheit
ist, dass ein Erreichen dieser minimalistischen Ziele alles andere als
einfach ist, und damit tatsächlich einen gewaltigen Fortschritt gegenüber
den jetzigen unhaltbaren Zuständen in deutschen Krankenhäusern bedeutet.
Wobei sich natürlich die Frage stellt, warum in einem der angeblich besten
Gesundheitssysteme der Welt solche Zustände herrschen können?
In der Dokumentation "Schattenseiten", die am vergangenen Samstag vom
Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde, war ein Kamerateam zwei Wochen lang
in einem Frankfurter Krankenhaus sowohl mit den gesundheitlichen Folgen des
Tabakkonsums, als auch dem Umgang mit der Nikotinsucht im Krankenhausalltag
konfrontiert. Das erschreckende Ergebnis ist nicht nur grausames Leiden der
Opfer der Tabakdroge. Viel schockierender zeigen sich dem Zuschauer der
verantwortungslosen Regelungen des Krankenhausmanagements im Umgang mit
Nikotinkranken.
Beispielsweise erlauben Ärzte den Kranken und sogar frisch operierten
Patienten ohne Zögern den Tabakkonsum. Dabei sollten gerade diese Fachleute
des Gesundheitswesens besser wissen, dass Zigaretten nicht nur generell
äußerst gesundheitsschädlich sind, sondern insbesondere Wundheilung und
Genesung erheblich beeinträchtigen und verzögern, teilweise sogar ganz
verhindern. Zudem äußern viele rauchende Patienten, dass sie sich das
Rauchen sicherlich abgewöhnen würden, wenn es ihnen gerade in einer solchen
Lage von der ärztliche Autorität verboten würde, und die im wahrsten
Wortsinne tödlichen Folgen hautnah vor Augen geführt würden.
Sogar im Fernsehen äußern sich Ärzte ganz offen darüber, dass es sich kein
Krankenhaus leisten könne, Rauchern die Zigarette zu verbieten. Das geht
soweit, dass diese Ärzte sogar von Schwangeren berichten, die WÄHREND DER
GEBURT immer wieder rauchen. Obwohl diese Ärzte alle darüber informiert
sind, dass dies für das neugeborene Kind schlimme Folgen hat, angefangen
von akuten Nikotinentzugserscheinungen bis hin zum Tod. Eine Studie des
Deutschen Krebsforschungszentrums ermittelte, dass in Deutschland deswegen
jährlich mindestens 60 Säuglinge am plötzlichen Kindstod sterben. Dennoch
ist den verantwortlichen Klinikärzten die Chance auf ein Geschäft wichtiger,
als das Leben und die Gesundheit eines neugeborenen Kindes.
Die daraufhin angesprochenen rauchenden Mütter erzählen vor laufender
Kamera mit Gelächter über ihren Tabakkonsum während der Schwangerschaft,
als ob sie keinen besseren Witz kennen würden. Als Zuschauer kann man diesen
Äußerungen nur fassungslos folgen. Die Kinder solcher Eltern sind in mehrfacher
Beziehung für ihr Leben lang gestraft. Es drängt sich der Gedanke auf, wenn
es eine Erbsünde gibt, dann sind das die schockierendsten Beispiele dafür,
die sich in unserer angeblich fortschrittlichen Industrienation finden lassen.
So zeigt die grausame Realität wieder einmal, dass gerade in Deutschland
Verantwortungsbewusstsein, Rücksicht und Respekt vor dem Leben und der
Gesundheit der Mitmenschen in weiten Teilen der Bevölkerung nicht auf
freiwilliger Basis geschaffen werden können. Das Traurige daran ist, dass
nicht nur ungebildete Suchtkranke ein fehlendes Moralbewusstsein an den Tag
legen, sondern auch verantwortungslose Ärzte, die leider schon seit langem
keinen hippokratischen Eid mehr ablegen müssen.
Es gibt letztendlich nur eine Konsequenz, um diesem eklatanten Missstand
unseres Gesundheitswesens zu Leibe zu rücken: eine einheitliches und
verbindliches gesetzliches Rauchverbot. Damit würde all denjenigen die
Entscheidung abgenommen, die ohnehin selbst nicht willens oder in der Lage
sind, die ihnen auferlegte Entscheidungsfreiheit verantwortungsvoll zu
nutzen. Den ohnehin maroden Finanzen unseres Gesundheitssystems wäre damit
ebenfalls gedient. Und der äußerst schädliche Konkurrenzdruck unter den
Krankenhäusern, der diese unzumutbaren Verhältnisse überhaupt erst ermöglicht,
wäre damit ebenfalls auf einen Schlag beseitigt, weil dann Raucher und
Nichtraucher überall gleich behandelt werden. Dass dieses Ziel kein
unerreichbarer Traum ist, hat Irland bereits eindrucksvoll durch sein
umfassendes Rauchverbot am Arbeitsplatz bewiesen, das konsequenterweise
auch in den Krankenhäusern gilt.