[02.12.2005/ls]
Der Verband der deutschen Cigarettenindustrie (VdC) geht angesichts eines
rückläufigen Tabakkonsums und des jüngsten Urteils des Europäischen
Gerichtshof zur Besteuerung von Sticks wieder in die Marketing-Offensive.
Mit Schreckensmeldungen über ausufernden Zigarettenschmuggel versucht der
Verband der deutschen Nikotindrogendealer sowohl die Verbraucher zu
verunsichern, als auch Lobbyismus bei der Bundesregierung für einen
einfacheren Tabakdrogenhandel zu betreiben.
Als besonderen PR-Gag haben sich die Strategen der Zigarettenindustrie
diesmal eine "Studie" in Kooperation mit dem TÜV Berlin-Brandenburg
ausgedacht. Zusammen mit dem TÜV untersuchte der VdC monatlich 500
Zigarettenschachteln aus 21 mit Bedacht ausgewählten Entsorgungsgebieten
des Dualen Systems. Diese Zigarettenschachteln wurden sorgfältig anhand
ihrer Steuerbanderolen daraufhin überprüft, ob die Kippen in Deutschland
versteuert wurden.
Nach einem Focus-Bericht vom 12.11.2005, der sich auf VdC-Studie beruft,
ist inzwischen jeder sechste Glimmstängel nicht mehr in Deutschland
versteuert. Diese noch relativ klare Aussage wird jedoch immer verwaschener,
aus "nicht in Deutschland versteuert" wird sehr schnell die Sprechweise
"nicht versteuert", und am Ende wird nur noch "Schmuggelware" als Synonym
verwendet.
In unzähligen Zeitungs- und Zeitschriftenberichten wird seitdem die Panik
vor dem angeblichen Schmuggelwahn geschürt, ohne jedoch weitere Fakten zu
veröffentlichen. Das zeigt deutlich, dass der VdC diese Pseudo-Studie nur
als Vorwand für eine medienwirksame Selbstdarstellung nutzt, und keinesfalls
an einer sachlichen Aufklärung der Tatsachen interessiert ist. Die
untersuchte Datenmenge von durchschnittlich gerade einmal 24 Packungen
je Entsorgungsgebiet ist mit Sicherheit keine Basis für verlässliche
statistische Aussagen. Diese Argumentation der Tabaklobby bewegt sich auf
dem wissenschaftlichen Niveau von Kaffeesatzlesen.
Die Einbeziehung des TÜV in die Studie stellt dabei keinen Widerspruch dar,
sondern soll der Sache nur den Anschein von Seriosität vermitteln. Denn der
TÜV garantiert lediglich die Einhaltung gewisser Bedingungen bei der
Datenerhebung. Interessanterweise wird in einigen Berichten sogar erwähnt,
dass gewisse Schlussfolgerungen "nach Angaben des VdC zuverlässig" seien.
Wohlgemerkt, hier ist nicht der TÜV angesprochen. Denn die Interpretation
der durch die Studie gewonnenen Daten erfolgt durch den VdC, und ist durch
dessen voreingenommene Erwartungshaltung beeinflusst, die erhebliche Zweifel
an den bereits medienwirksam vermarkteten Resultaten aufkommen lassen.
Aus ausländischen Steuerbanderolen lässt sich nur ablesen, dass eine Packung
nicht in Deutschland versteuert wurde. Daraus abzuleiten, es würde sich um
Schmuggelware handeln, ist nicht nur unseriöse Spekulation, sondern blanker
Unsinn. Für diesbezügliche verlässliche Aussagen wären wesentlich weiter
gehende Informationen notwendig, die sich nicht aus den untersuchten
Müllsäcken ableiten lässt. Letztendlich garantiert der EU-Binnenmarkt einen
freien Warenverkehr, ohne Strafzölle und andere Restriktionen für (billigere)
Ware aus anderen EU-Ländern.
Dass der VdC seine Kunden des massiven Schmuggels bezichtigt ist ein
anschauliches Beispiel dafür, dass sich dieser Industriezweig nicht nur
verbal auf dem Niveau von Drogendealern bewegt. Die eigenen Kunden zu
kriminalisieren, um die eigenen zweifelhaften Geschäfte zu sichern, so
etwas kann sich nur die Tabakindustrie leisten. Das Bedrückende daran ist,
dass sich nicht nur die nikotinkranken Kunden dadurch blenden lassen,
sondern auch die Bundesregierung. Denn kein anderer Wirtschaftszweig wird
von höchster Stelle derart hofiert und mit Samthandschuhen angefasst.
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Details der Studie des VdC
niemals veröffentlicht werden. Daran kann die Tabaklobby gar kein Interesse
haben, denn mit konkreten Fakten würde sie sich nur noch weiter angreifbar
machen. Es handelt sich also um eine reine Alibistudie, mit der sich der
VdC medienwirksam schmückt. Wichtig sind nur die Schlagworte "Studie" und
"TÜV", der Rest ist nichts als Marketing der Tabaklobbyisten.
Einen ähnlichen Fall gab es bereits mit einer DEHOGA-Studie über rauchfreie
Gastronomie. Vom Bundesverband über die Landesverbände bis hinunter zum
kleinsten Regionalverband ertönte lautstark, dass bereits 40 Prozent aller
Gastronomiebetriebe über Nichtraucherbereiche verfügten. Wer jedoch dazu
vom DEHOGA nähere Informationen, oder gar konkrete rauchfreie
Gastronomieangebote in seiner Umgebung anforderte, der wurde mit
inhaltsleeren Floskeln abgespeist. Kein Wunder, denn wie jeder in seiner
persönlichen Umgebung leicht feststellen kann, liegt auch jetzt noch die
Quote rauchfreier Angebote der heimischen Wirte deutlich unter fünf Prozent.