[06.10.2005/ls]
Lange Zeit war die europäische Kommission für ihre doppelzüngige
Tabakpolitik gescholten worden. Einerseits wurden Abschreckungsmaßnahmen
gegen den Tabakdrogenkonsum gefordert und gefördert, wie beispielsweise
die inzwischen vorgeschriebenen Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen.
Andererseits wurden jedoch europäische Tabakbauern mit Milliardenbeträgen
subventioniert. Daraufhin hatte die EU-Kommission mit dem Abbau der äußerst
zweifelhaften Subventionen reagiert.
Damit ist nun nicht nur eine begrüßenswerte finanzielle Einsparung im
EU-Budget verbunden, sondern ein weiterer Schritt zur Förderung eines
drogenfreien Europas geschafft. Berichte aus Deutschland und Österreich
bestätigen, dass die Landwirte den gesundheitspolitisch, aber auch moralisch
nicht vertretbaren Anbau der vielfach tödlichen Tabakdroge zunehmend
einstellen. Dass die Motivation hierfür primär ein wirtschaftlicher Aspekt,
und weniger in moralische Skrupeln zu finden ist, kann die
Bedeutsamkeit dieser agrarpolitischen Entwicklung nicht schmälern.
Während die 43 noch verbliebenen österreichischen Tabakpflanzer in diesem
Jahr vermutlich alle ihre letzte Tabakdrogenernte eingefahren haben, können
sich offensichtlich noch nicht alle deutschen Landwirte vollständig von
diesem unsäglichen Produkt trennen. Einige deutsche Tabakbauern hoffen noch,
ihre Drogenproduktion durch Vollmechanisierung der Ernte- und
Trocknungsarbeiten weiterhin aufrecht zu erhalten.
Die rund 1.000 deutschen Tabakanbauern erhielten bisher jährlich über
33 Millionen Euro an staatlichen Zuschüssen. Die Förderung für den Tabakanbau
betrug bisher durchschnittlich das Zwanzigfache je Hektar im Vergleich zu
jedem anderen deutschen Landwirt. Auf etwa 75 bis 78 Prozent ihres Erlöses
beliefen sich die staatlichen Subventionen für den Anbau einer trotz ihrer
Legalität gefährlichen Droge, die dem Gesundheitssystem jedes Jahr
Milliardenschäden verursacht. Diesen Anachronismus beseitigt die neue
EU-Subventionspolitik, denn ab 2006 werden diese Zahlungen drastisch
eingeschränkt.
Dennoch scheint vielen Tabakbauern diese Entwicklung relativ gleichgültig
zu sein. Nach Angaben der Erzeuger-Gemeinschaft Bayern-Tabak haben ganze
70 Prozent noch keine konkreten Zukunftspläne, 15 Prozent wollen ihre Betriebe
vorzeitig stilllegen, und nur weitere 15 Prozent haben sich bereits für eine
Umstellung auf weniger gefährliche Kulturen entschlossen. Im Lauenburgischen
wollen drei oder vier der insgesamt sieben Tabakanbauer den Drogenanbau
nach dieser Saison aufgeben.
Die Tabakindustrie ist seit langem die am stärksten rationalisierte Branche
überhaupt. Die Zahl der von der Schließung einiger Betriebe betroffenen
Arbeitsplätze ist damit überdurchschnittlich gering. Der arbeitsintensivste
Bereich, die Tabakernte, wird ohnehin praktisch nicht mehr von einheimischen
Arbeitskräften erledigt. Im Beispiel eines Lauenburgischen Tabakanbauers
sind es Erntehelfer aus Polen oder Studenten aus Lettland, die als billige
Saisonarbeitskräfte eingesetzt werden, die nicht einmal in einer deutschen
Arbeitslosenstatistik erscheinen würden, wie gelegentlich fälschlicherweise
von Tabaklobbyisten behauptet.
Den wenigen, die diese Entwicklung mit einem weinenden Auge sehen, steht
eine große, und weiter stark wachsende, Zahl von Gegnern und Opfern der
gefährlichen Nikotindrogen entgegen, die eine Bekämpfung dieser Drogen
begrüßen. Rauchen ist definitiv ein Relikt aus dem Mittelalter, das zu
Recht aus der Öffentlichkeit verschwinden muss. Glücklicherweise sehen auch
immer größer werdende Bevölkerungskreise die Vergiftung und Gefährdung der
Mitmenschen durch Tabakqualm als ernst zu nehmende, inakzeptable Bedrohung an,
insbesondere für Schwangere, Kinder und Jugendliche.