[01.08.2005/pk]
Europaweit ist heute das Gesetz zur drastischen Einschränkung der Werbung für Tabakdrogen in Kraft getreten. Gemäß EU-Richtlinie darf ab sofort in Zeitungen und Zeitschriften, Radio und Internet nicht mehr für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse geworben werden. Auch das Sponsoring bei grenzübergreifenden Sport- und Kulturereignissen ist nach geltendem EU-Recht ab sofort untersagt.
Der amtierende EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou begrüßte das Inkrafttreten der Regelung: "Diese Richtlinie wird Leben retten". Denn jährlich sterben in der EU 650.000 Menschen an den Folgen der Nikotindroge. Nach einer Studie der Weltbank kann durch das Werbeverbot die Verbreitung des Rauchens um bis zu sieben Prozent reduziert werden. Bereits ein geringer Rückgang des Tabakkonsums könne somit Tausende Leben retten. Deshalb sei es, Philip Tod, Sprecher der EU-Kommission, Aufgabe der Kommission, sich im Bereich des Binnenmarktes verstärkt für den Gesundheitsschutz der Bürger einzusetzen.
Was leider in diesem Zusammenhang viel zu selten erwähnt wird: die Raucher tragen nicht alleine die Risiken und Konsequenzen ihrer Sucht. Ein Großteil aller Kinder lebt in Raucherhaushalten, und wird von der rücksichtslosen Qualmerei ihrer Eltern fürs Leben geschädigt. Und ein erschreckend hoher Anteil der Neugeborenen macht mit ihrer Geburt bereits den ersten schweren Nikotinentzug durch.
Allerdings gibt es bezüglich der neuen Richtlinie zur Tabakwerbung noch einige Sorgenkinder unter den EU-Staaten, die durch Schlendrian oder Verzögerungstaktik die EU-Richtlinie immer noch nicht umgesetzt haben. Wer die Drogenpolitik der deutschen Bundesregierung der letzten Jahrzehnten kennt, wird nicht überrascht sein, dass Deutschland die Nachzügler anführt. Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz war vom Bundestag zurück gewiesen worden. Als Begründung war die anhängige Klage vor dem Europäischen Gerichtshof angeführt worden. Ein Sprecher von Bundesverbraucherministerin Renate Künast äußerte am 27. Juli in Berlin, dass vor einer Verabschiedung des Gesetzes zunächst die Bundestagswahlen abgewartet werden müssten.
Die leisen Hoffnungen der Tabaklobbyisten auf den Erfolg dieser Klage weist jedoch Philip Tod, Sprecher der EU-Kommission zurück: "Wir sind uns sehr sicher, dass die Klage Deutschlands vom Europäischen Gerichtshof zurück gewiesen wird", wobei seine Betonung auf "sehr" liegt. Denn bereits der erste Anlauf für eine entspreche Richtlinie scheiterte an einer Klage Deutschlands. Mit umso größerer Vorsicht hat die Kommission nun den neuen Gesetzestext erarbeitet.
Auf Dauer kann sich der Bremser Deutschland innerhalb der EU auch nicht mit einer Extrawurst durchsetzen. Eine Umsetzung der EU-Richtlinie in Landesrecht wurde bereits von einer Vielzahl der EU-Staaten durchgeführt: Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen und Slowenien. Und Großbritannien ging bei der Umsetzung sogar noch über die EU-Vorgaben hinaus. Dort ist das Gesetz bereits in Kraft, ebenso wie in Finnland, Irland und Portugal.
Trotz dieser erfreulichen Sicherheit für eine erfolgreiche Umsetzung des Tabakwerbeverbots im zweiten Anlauf bleibt ein Wermutsopfen, die Unvollständigkeit der neuen Regelung. Denn Tabakwerbung auf Plakatwänden, in Kinos und das so genannte Merchandising werden auch weiterhin geduldet. Somit kann die Tabakindustrie weiterhin munter die Umgebung von Schulen und Bushaltestellen zuplakatieren, um Jugendliche zum Tabakdrogenkonsum zu verführen. Dringend nötig hat es die Tabakindustrie allemal, denn sie verliert jeden Monat weit mehr als 10.000 ihrer Kunden, die vorzeitig an ihrem Tabakdrogenkonsum zu Grunde gehen.