Produkthaftung von der Tabakindustrie einfordern
[03.07.2005/pk]
Angesichts der Misere im deutschen Gesundheitswesen einerseits, und
der exorbitanten volkswirtschaftlichen Kosten durch leider immer noch
legale Tabakdrogen andererseits, kocht immer wieder die Diskussion um
die gesundheitlichen und finanziellen Konsequenzen hoch. Leider
beschränkt sich diese Diskussion meistens auf die Frage, welcher
Anteil der Tabaksteuer an die Krankenversicherung umverteilt werden
soll.
Dabei werden bereits seit Jahren von Wirtschafts- und
Gesundheitsexperten weitergehende sinnvolle und notwendige Maßnahmen
gefordert. Unlängst veröffentlichte Prof. Eike von Hippel in der
Mai-Ausgabe der "Verbraucher und Recht" den Aufsatz "Haftung der
Tabakindustrie für Tabakschäden?". Der Autor kritisiert insbesondere
die Haltung der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit, die Rauchern bislang
keinerlei Anspruch aus einer Delikthaftung der Hersteller zugesteht.
Professor von Hippel bemängelt, dass eine derartige Rechtsprechung
von falschen Voraussetzungen ausgeht. Denn faktisch existiert die
viel beschworene Eigenverantwortung der Raucher nicht, was für die
Haftungsfrage von entscheidender Bedeutung ist. Vielmehr werden über
90 Prozent aller Raucher bereits im Kindesalter zu den Nikotindrogen
verführt, wo sie noch nicht mündig sind. Zudem ist der süchtige Raucher nicht
willensfrei. Damit fällt ein Mitverschulden des Rauchers nach §254
BGB kaum ins Gewicht.
Dagegen lastet von Hippel der Tabakindustrie ein klares Verschulden
an, da diese die Gefahren des Rauchens verleugnet und jahrzehntelang
gezielte Falschinformation darüber verbreitet habe. Erschwerend komme
hinzu, dass die Tabakindustrie ihren Produkten bewusst suchtfördernde
Substanzen zugesetzt habe.
Nach Ansicht von Hippels begründet vor allem dieser Zusatz
suchtfördernder Stoffe und die damit einhergehende Manipulation des
Verbrauchers nicht nur eine Haftung aus dem Produkthaftungsgesetz und
§823 BGB, sondern auch aus §826 BGB. Es sei nicht mit dem Artikel 20
des Grundgesetzes vereinbar, dass zivilrechtliche Normen wie die
§§823 und folgende so ausgelegt würden, dass Verbraucher selbst bei
offensichtlich rechtswidrigen Handlungen schutzlos wären.
Trotz der interessanten Ansätze des Artikels von Prof. von Hippel
bleibt ein wichtiger Aspekt leider wieder einmal offen. Denn das
Rauchen schadet nicht nur den Rauchern, sondern in ganz erheblichen
Maß auch den unfreiwilligen Zwangsmitrauchern. Diese werden in
unserer egoistischen Tabakdiktatur leider meistens vergessen.
Fazit: Eine Haftung der Tabakindustrie für die von ihr
hervorgerufenen Gesundheitsschäden muss in der deutschen Gesetzgebung
unmissverständlich festgeschrieben werden, und damit auch für eine
desorientierte Justiz klare Verhältnisse geschaffen werden. Was für
zu Recht regressanspruchsberechtigte Raucher gelten sollte, muss
natürlich umso mehr den zwangsweise bequalmten Mitmenschen
zugesprochen werden.