[08.03.2005/pk]
In einer aktuellen PresseerklĂ€rung Jetzt 1000 Bahnhöfe rauchfrei vom 7. MĂ€rz 2005 brĂŒstet sich die Deutsche Bahn damit, nun "vorbildlich im Nichtraucherschutz" zu sein.
Die RealitÀt eines Bahnreisenden fördert jedoch ein anderes Bild zutage.
In der zuvor erwĂ€hnten PresseerklĂ€rung lobt sich die Bahn fĂŒr den 1000.
rauchfreien Bahnhof. Dabei ist das, was die Bahn als "rauchfreien
Bahnhof" verkauft, alles andere als rauchfrei. Die Stimmen der Kritiker
reichen vom Urteil "Mogelpackung" bis hin zu "Betrug".
Denn zwischen dem Anspruch der Bahn und der Wirklichkeit liegen Welten.
Das betrifft sowohl den Zustand der so genannten "rauchfreien
Bahnhöfe", als auch die mangelhaften VerhĂ€ltnisse in den ZĂŒgen.
Dem Fahrgast der Deutschen Bahn, der offenen Auges auf seinen ausnahmsweise
wieder einmal verspÀteten Zug wartet, offenbart schon ein kurzer Blick
auf den Boden des angeblich rauchfreien Bahnhofs die Ansicht eines
ĂŒberdimensionalen Freiluftaschenbechers. Die Ursache drĂ€ngt sich dem
sensiblen (weil nicht geteerten) Riechorgan spÀtestens dann auf, wenn
der Luftzug plötzlich die Richtung wechselt: wenige Schritte entfernt
zĂŒndet sich gerade der nĂ€chste NikotinsĂŒchtige schon wieder eine Kippe
an.
Nach der Einfahrt des Zugs offenbart sich das nÀchste Spektakel, das
die Behauptungen der Bahn ad absurdum fĂŒhrt. Schon beinahe mit einem
Anflug leichter Panik zieht ein halbes Dutzend uneinsichtiger (weil im
Rauchverbot rauchender) Qualmer hektisch an der Fluppe, um noch das
letzte QuÀntchen Nikotin, BlausÀure und Kohlenmonoxid herauszusaugen.
In letzter Sekunde, schon zwischen den TĂŒren, wird der GlimmstĂ€ngel
dann gekonnt unter die noch drauĂen stehenden FahrgĂ€ste geschnippt. Es
wÀre den FunktionÀren und Pressesprechern der Deutschen Bahn zu
empfehlen, einmal fĂŒr einige Zeit auf Dienstwagen und Chauffeur zu
verzichten, und ihre eigenen Verkehrsmittel zu benutzen, um wieder auf
den Boden dieser Tatsachen zurĂŒckgeholt zu werden.
Zu allem Ăberfluss nimmt die Bahn auch im Bereich der Gastronomie eben
keine Vorbildfunktion ein, sondern kopiert kritiklos die paradoxe
Unsitte, ausgerechnet dort den SpeisengenuĂ durch stinkende
Tabakqualmwolken zu vergÀllen.
NatĂŒrlich sind die BemĂŒhungen der Bahn um eine verbesserte Sauberkeit
zu begrĂŒĂen, und die Auszeichnung rauchfreier Bereiche ist schon recht
weit fortgeschritten. Zusammenfassend lÀsst sich jedoch zu den so
genannten "rauchfreien Bahnhöfen" feststellen, dass selbst dort meist
ein ĂŒberdimensionierter Raucherbereich vorhanden ist. Durch diesen muss
man sich erst einmal durcharbeiten, um den rauchfreien Bereich zu
erreichen, in dem zu allem Ăberfluss immer noch zu viele uneinsichtige
NikotinsĂŒchtige die Luft verpesten und den Boden verschmutzen. AuĂerdem
ist eine nikotinverseuchte Gastronomie zu bemÀngeln.
Die Deutsche Bahn berichtet in ihrer Pressemeldung davon, entsprechend
den zurĂŒck gehenden Reservierungen in Raucherabteilen die Zahl der
RaucherplÀtze mittlerweile auf 20 Prozent gesenkt zu haben. Mitte der
siebziger Jahre waren noch die HĂ€lfte aller PlĂ€tze fĂŒr Raucher
vorbehalten. Nach Aussage der Pressesprecher der Bahn sollen sogar die
Sitzbereiche der Bordrestaurants in ICE- und IC/EC-ZĂŒgen rauchfrei sein.
Das klingt zunÀchst sehr positiv. Wenn man dann aber als Bahnreisender
nach einer vierstĂŒndigen Zugfahrt in einem angeblich rauchfreien Wagen
(weit entfernt vom Suchtbereich) nach Tabakrauch stinkt, als ob man
eine exzessive Kneipentour hinter sich hÀtte, spÀtestens dann tauchen
erste Zweifel an der idealisierenden Darstellung der Deutschen Bahn auf.
Die Ursachenforschung fördert dann auch schnell die einfache BegrĂŒndung
zu Tage. Die LĂŒftung befördert nicht etwa die vom Tabakqualm
geschwÀngerte Luft ins Freie und versorgt die FahrgÀste in allen WÀgen
mit frischer Luft. Völlige Fehlanzeige. Die stinkende Abluft der
Raucherabteile wird durch eine Umluftanlage mit der sauberen Luft
verquirlt und auch in die "rauchfreien" Abteile gepumpt. Wenn man
schlieĂlich noch in Betracht zieht, dass ein durchschnittlicher Raucher
seine "Quote" seit den siebziger Jahren mehr als verzehnfacht hat
(siehe Anmerkung unten), dann bedeutet selbst die erzielte Reduzierung
der RaucherplÀtze immer noch eine erhebliche Zunahme der Belastung der
Atemluft in den ZĂŒgen der Bahn.
Fazit: die Deutsche Bahn hat immerhin schon die richtige Richtung
eingeschlagen. Trotz gewisser Anstrengungen liegt jedoch das Ziel
rauchfreier Bahnhöfe noch in weiter Ferne, so wie eine wirklich
rauchfreie Bahnfahrt auch weiterhin ein schöner Traum bleiben wird.
Wenigstens in Deutschland. Wer jedoch schon einmal die AtmosphÀre einer
rauchfreien Bahnfahrt schnuppern möchte, der sollte vielleicht einmal
einen Urlaub in Irland in ErwÀgung ziehen.
Anmerkungen: In den siebziger Jahren konsumierte ein durchschnittlicher Raucher im
Jahr etwa 170 Zigaretten. Heute vernichtet ein Durchschnittsraucher
etwa 2.000 Kippen jÀhrlich.