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Verheizt Europa die Tabakprofite?

[25.01.2005/cc] Die Rauchverbote auf dem Kontinent haben die Einnahmen der Zigarettenhersteller nicht nachhaltig beeinträchtigt, aber disziplinierende Maßnahmen nehmen zu und der Verkauf ist rückläufig.

Irlands landesweites Rauchverbot in Pubs und Restaurants hatte eine dramatische Wirkung seit seiner Einführung vor 10 Monaten. Der Zigarettenabsatz ist gesunken. Die Pubs sind nicht länger verräuchert und die Iren sind im Allgemeinen von der Veränderung sehr angetan. Irlands Tabakkontrollbüro berichtete im Dezember, dass das Rauchverbot seit der Einführung zu 94% eingehalten wird – eine erstaunliche Rate in einem Land, dessen Pubs einst für ihren dicken blauen Dunst bekannt waren.

Ungeklärt ist jedoch noch die Auswirkung des Rauchverbots auf den Gewinn der Tabakindustrie. Die Regierungen in Westeuropa schränken das Rauchen durch Maßnahmen ein, die von Rauchverboten bis hin zu höheren Steuern reichen. Bisher hat sich dies bei den Zigarettenherstellern noch nicht ausgewirkt. Beobachter behaupten jedoch, dass die Summe aller Maßnahmen die äußerst profitablen Tabakkonzerne langsam einholen könnte.

Nach dem überdurchschnittlichen Wachstum des Marktes seit vier Jahren prophezeit Michael Smith, Analyst bei J.P. Morgan, dass sich die Aktien der weltweit operierenden Tabakkonzerne über viele Jahre mit 10% bis 20% unterdurchschnittlich entwickeln werden.

Wenngleich die Gefahr eines Rechtsstreits bleibt, schreibt er, "kommt die Regelung einer Triebfeder für den Cash-flow gleich."

REINIGENDE WIRKUNG. In der Tat warnt die Credit Suisse First Boston, dass die Auswirkung der Regulierung noch nicht in den Kursen der Tabakaktien eingepreist ist. Europäische Tabakaktien haben sich mit 11% im letzten Jahr stärker als der Markt entwickelt, aber die Bank sagt voraus, dass der Trend zu Ende geht.

Nach einem CSFB Bericht haben die Aktien ein Kursrisiko von 20%, dank "negativer Regulierungsnachrichten".

Dies betrifft vor allem Zigarettenhersteller mit starker europäischer Ausrichtung wie die Britain's Gallaher Group (GLH ), die Franco-Spanish Altadis, und die Britain's Imperial Tobacco (ITY ).

Die Alte Welt mag mit verräucherten Cafés und einer nachlässigen Haltung zur Zigarette in Verbindung gebracht werden, aber die europäischen Regierungen werden immer restriktiver, wenn es ums Rauchen geht. Letzte Woche lichtete sich der "Nebel" in den meisten Espresso Bars Italiens, als ein Gesetz in Kraft trat, das Rauchen von allen Arbeitsplätzen, inklusive Restaurants und Bars, verbannt. Ausgenommen sind nur einige wenige, die extra Raucherräume mit spezieller Entlüftung anbieten.

Malta und Norwegen haben im vergangenen Jahr ähnliche Verbote erlassen.

Die Vorgehensweise zieht Kreise: Schweden wird diesen Sommer ein Rauchverbot einführen und in Großbritannien sind Einschränkungen im Gespräch. Was Frankreich und Deutschland betrifft, so haben diese Länder in den letzten Jahren den Tabakkonsum durch Tabaksteuererhöhungen gesenkt. Und die meisten europäischen Länder haben die Tabakwerbung, einer EU-Richtlinie von 2003 folgend, komplett abgeschafft.

PROFITEURE. Die Beschränkungen zeigten eine sofortige Wirkung auf die Anzahl verkaufter Zigaretten, die bereits in vielen westeuropäischen Märkten rückläufig ist. Laut Euromonitor International, einem Marktforschungsunternehmen, ist der Umsatz an Tabakwaren in Irland nach Einführung des Rauchverbots im letzten Jahr um 8,7% gesunken, nachdem er 2003 um 3,4% und 2002 um 1,2% gesunken war. In Frankreich und Deutschland wurden nach den Steuererhöhungen noch deutlichere Rückgänge verbucht -13,6% in 2003 und 15% in 2004 in Frankreich und 12,8% in Deutschland im vergangenen Jahr.

Noch können die Gewinne der Zigarettenhersteller aufrechterhalten werden, vor allem weil die Konzerne typischerweise die Preise erhöhen, wenn der Absatz zurückgeht. "Könnte die Initiative der Regierung, das Rauchen unattraktiver zu machen, den Umsatz beeinträchtigen? Ja. Wird es den Profit beeinträchtigen? Nein", sagt Daci Adelmann, ein Analyst von Morgan Stanley in New York.

Der irische Marktführer Gallaher Tobacco berichtete, der Absatz sei in Irland von Januar bis Oktober 2004 um 10,7% gefallen. Vor der Einführung des Rauchverbots, als die Regierung die Zölle auf Zigaretten angehoben hatte, erhöhte das Unternehmen die Preise und erzielte damit 5% Mehreinnahmen. "Durch die höheren Zölle und den einmaligen Umsatzrückgang durch den Abbau der Zigarettenautomaten in Pubs ist es unmöglich fest zu stellen, wie groß der Einfluss des Rauchverbots wirklich ist", so Claire Jenkins, Direktorin für Investor Relations.

FOKUS DRITTE WELT. Jenkins ist jedoch der Meinung, das Rauchverbot "werde das Geschäft nicht wesentlich beeinflussen". Das Unternehmen berichtete, der Gesamtumsatz der Gruppe sei in den letzten 10 Monaten um 3,9% gestiegen - dank des starken Wachstums in Osteuropa und der einstigen Sowjetunion. Im letzten Finanzbericht meldet die Gruppe 467 Millionen US-$ (ca. 400 Mio. €) Gewinn im ersten Halbjahr 2004, 4,4% mehr als im Vorjahreszeitraum. Der Gesamtumsatz des Halbjahres belief sich auf 8,72 Milliarden US-$ (ca. 7,5 Mrd. €), das entspricht einer Steigerung um 8% gegenüber dem Vorjahresergebnis von 8,08 Milliarden US-$.

Die Fähigkeit, neue Märkte mit schwächerer Regulierung oder fest verwurzelten Rauchgewohnheiten zu finden, hat den globalen Tabakhandel lange begünstigt.

"Die sind aggressiv bei der Suche nach Wachstumsmärkten. Es gibt bereits große Nachfrage in Südafrika, Südostasien und Osteuropa, und die größeren Marken bewegen sich dorthin und verdrängen kleinere örtliche Hersteller", sagt Dan Ahrens, Präsident des Mutuals.com's Vice Fund, der in Tabak, Alkohol, Spielbanken und die Verteidigungsindustrie investiert. Der Fonds schüttete im vergangenen Jahr 24% aus, verglichen mit 11% des Standard & Poor's 500 Aktienindex.

Analysten machen auch darauf aufmerksam, dass die Tabakindustrie in den letzten Jahrzehnten mit den schleichenden Einschränkungen zum Thema Rauchen erfolgreich fertig wurde. Die Margen auf Zigaretten sind oft bis zu 50% höher als die anderer Konsumgüter. Christopher Wickham, Analyst bei Lehman Brothers in London, stellt fest, dass Tabakkonzerne "irre profitabel" sind. Allein in Großbritannien bringen es die Zigarettenhersteller trotz der hohen Tabaksteuern (mit am höchsten in Europa) auf Jahresgewinne von beinahe 2 Milliarden US-$.

LANGFRISTIGE VERÄNDERUNGEN. Trotzdem scheinen die neuen Regelungen im Laufe der Zeit Konsequenzen für die Tabakunternehmen zu haben. So verschlechtern zum Beispiel die vorgeschriebenen Warnhinweise die Werbewirksamkeit, bemerkt Smith. Raucher können zuhause jederzeit eine Zigarette anzünden. Durch Rauchverbote in der Öffentlichkeit wird den Firmen die Möglichkeit genommen, Markentreue durch Gruppendruck aufzubauen. Und langfristig kann das Rauchverbot junge Erwachsene davon abhalten, sich das Rauchen anzugewöhnen.

Laut Zora Milenkovic, Chefin der Euromonitor Tabakforschung, wird der Einfluss der Gesetze auf die Zigarettenhersteller wachsen, wenn man das Konsumverhalten berücksichtigt. Ein Test wird sein, wenn die osteuropäischen Länder der EU beitreten und den EU-Empfehlungen für Tabaksteuern und Regelungen für die Tabakwerbung folgen müssen. Momentan wächst der Absatz von Zigaretten in Osteuropa noch. "Es ist ein lukrativer Markt". Ob dieser Markt – und generell der europäische Markt – das auch weiterhin bleibt, ist unsicher.

Die Autorin, Beth Carney, ist Reporterin für Business Week Online in London. Herausgegeben von Thane Peterson.


Quellen und weitere Informationen

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