[22.12.2004/ls]
Außer dem unlängst erschienenen Beitrag der Süddeutschen Zeitung (siehe Artikel "Bundespolitische Schmierenkomödie um das Tabakwerbeverbot")
konnte sich nach unseren Recherchen kaum eine weitere Zeitung dazu
aufraffen, über dieses interessantes Vorhaben zu berichten. Der Rest
der angeblich freien deutschen Presse übt sich wieder einmal in
vornehmer Selbstzensur - wahrscheinlich um keine schlafenden Löwen zu
wecken.
Die Frankfurter Rundschau übertönte ihren Artikel über das geplante
Tabakwerbeverbot gleich selbst mit einem saftigen Kommentar. Bereits
der Titel "Künasts Kuriositäten" spricht Bände. Dieser auf den ersten
Blick eher unseriös wirkende Kommentar birgt jedoch auch Hoffnung auf
das Ergebnis dieser kuriosen Aktion.
Denn möglicherweise haben Verbraucherministerin Renate Künast und
Sozialministerin Ulla Schmidt damit einen großen Coup gelandet. Das
wird sich allerdings noch herausstellen müssen. Eventuell haben die
geschickt taktierenden Ministerinnen damit die Fakten geschaffen, die
auch der rauchende und der Tabaklobby zugeneigte Bundeskanzler Schröder
nicht mehr so einfach vom Tisch fegen kann.
Das Tabakwerbeverbot ist aber nicht nur in Deutschland ein Thema.
Schließlich handelt es sich hier auch um die Umsetzung einer
EU-Richtlinie. Dass Großbritannien hier nicht nur einen Schritt weiter
als Deutschland ist, wird ebenfalls von der deutschsprachigen Presse
schamhaft unter den Teppich gekehrt. Einzig und allein eine Website
über die Formel 1 (F1Total.com)
berichtete darüber, dass Großbritannien die Anti-Tabak-Konvention der
Weltgesundheitsorganisation WHO ratifiziert hat. Nach der zitierten
Meldung hat Großbritannien die Konvention voll umgesetzt, und ein
Verbot für die Werbung für Tabak, sowie Promotions-Aktionen und
Sponsorings mit Tabakprodukten erlassen.
Aber nicht nur die deutsche Presse, sondern auch die Bundesregierung
kann sich nicht damit rühmen, den Bürger angemessen über die aktuellen
Themen zu unterrichten. Auf der Webseite der Bundesregierung
findet dazu sich immer noch keine aktualisierte Version; es ist nur
Uraltes und wenig Aussagekräftiges dort zu finden. Zudem stehen die
Aussagen zueinander sogar teilweise im Widerspruch.
Die Krönung der Angelegenheit ist jedoch die skandalösen Haltung der
Bundesregierung zum Tabakwerbeverbot. Denn das Bundesverfassungsgericht
hat bereits im Jahr 1997 ein Werbeverbot für Tabak vorgeschlagen. In
einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1997 (AZ: 2
BvR 1915/91) heißt es: "Im Übrigen käme als Maßnahme, die ... geeignet
wäre, den bedenkenlosen Tabakkonsum einzudämmen, vor allem ein
Werbeverbot in Betracht."
Aber eine Bundesregierung, die von der Tabakdrogenlobby abhängig ist,
lässt sich nicht einfach vom Bundesverfassungsgericht die Freundschaft
zu den Drogenbaronen vermiesen. Somit ist auch die Klage vor dem
Europäischen Gerichtshof gegen das Tabakwerbeverbot wegen angeblicher
Kompetenzüberschreitung leider nur eine Fortsetzung der alten Linie.
Offensichtlich hat die Bundesregierung schon langjährige Übung darin,
weitere Ausreden für eine Fortführung einer menschenfeindlichen, aber
drogenfreundlichen Politik zu finden.