Bundespolitische Schmierenkomödie um das Tabakwerbeverbot
Bundesregierung plant Tabakwerbeverbot für den Papierkorb
[18.12.2004/pk]
Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte in der vergangenen Woche einen
kritischen Artikel zur derzeitigen bundespolitischen Schmierenkomödie
um das Tabakwerbeverbot. Unter dem aussagekräftigen Titel "Tabakwerbung
- Ein Schauspiel der Paragraphenkunst" beruft sich die Süddeutsche Zeitung
auf einen ihr vorliegenden Gesetzesentwurf zum Tabakwerbeverbot.
Nach diesem Entwurf sollen sich Verbraucherministerin Künast,
Sozialministerin Schmidt und Wirtschaftsminister Clement daraufhin
verständigt haben, in Deutschland die Tabakwerbung zu verbieten. Diese
Entwicklung wollte die tabakfreundliche Bundesregierung jedoch
offensichtlich nicht an die große Glocke hängen, so dass die Diskussion
ohne Einbeziehung oder Information der Öffentlichkeit erfolgte.
Die Neuregelung sieht ein Verbot vor, "für Tabakerzeugnisse in der
Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben".
Entsprechendes soll für Rundfunk und Internet gelten. Insbesondere soll
die Tabakindustrie keine Hörfunkprogramme mehr sponsern, und keine
Gratisproben von Tabakwaren bei Werbeveranstaltungen verteilen dürfen.
Für das Sponsoring von Sport- und Kulturveranstaltungen hat sich die
Bundesregierung ein besonderes Kunststückchen ausgedacht:
grenzüberschreitende Veranstaltungen dürfen sich nicht von der
Tabakindustrie kaufen lassen. Verstöße sollen mit Geldbußen bis zu
25.000 Euro geahndet werden. Damit soll wohl in erster Linie der
EU-Vorschrift Rechnung getragen werden. Innerhalb Deutschlands soll
jedoch ein Sponsoring der Tabakdrogenindustrie weiterhin erlaubt sein.
Sowohl die Bundesländer, als auch die Interessenverbände der Tabaklobby
brüten nun verzweifelt über der Gesetzesinitiative. Denn so mancher
würde sie gerne auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen, möglichst
unbemerkt von der Öffentlichkeit. Nicht zufällig kämpft auch die
Bundesregierung seit Jahren gegen ein Tabakwerbeverbot.
Nun stellt sich dem verwunderten Bürger die Frage, warum dann die
Bundesregierung ein Gesetz gegen Tabakwerbung plant? Die Antwort ist
ganz einfach: weil sie bis Juli 2005 eine entsprechende EU-Richtlinie
umsetzen muss.
Schon im Dezember 2002 war vom Ministerrat ein umfassendes
Tabakwerbeverbot beschlossen worden. Die Süddeutsche Zeitung schreibt
hierzu, dass dies gegen den Willen der Bundesrepublik geschehen sei.
Richtiger ist hier wohl, dass die der Tabaklobby nahe stehende
Bundesregierung dagegen opponierte. Eine breite Bevölkerungsmehrheit
steht hinter dem Tabakwerbeverbot, das insbesondere von
Interessenverbänden aus dem Gesundheits- und Sozialbereich immer wieder
von der Regierung ("zum Wohle des deutschen Volkes" - siehe Amtseid der
Mitglieder der Bundesregierung) gefordert wird.
Gegen dieses Tabakwerbeverbot hatte nun die Bundesregierung Klage vor
dem europäischen Gerichtshof erhoben, wegen angeblicher
Kompetenzüberschreitung. Die der Tabaklobby nahe stehenden
Regierungsmitglieder hoffen nun auf einen Erfolg dieser Klage, womit
auch die Verpflichtung zur Umsetzung der EU-Richtlinie entfallen würde.
Und ganz besonders hofft natürlich die Tabakindustrie darauf, ebenso
wie ihre Freunde in der Werbe- und Medienindustrie.
Ein interessanter Aspekt wird in diesem Zusammenhang von der
Süddeutschen Zeitung eher beiläufig erwähnt. Die Bedeutung der
Einnahmen aus der Tabakwerbung für die deutsche Werbewirtschaft ist bei
weitem nicht so hoch, wie die Tabaklobby glauben machen möchte. Denn
die Tabakdrogenhersteller hatten ihre Werbeausgaben im Jahr 2003 auf
Grund von Restriktionen bereits auf 35 Millionen Euro reduziert. Dem
gegenüber stehen Werbeumsätze von 526 Millionen Euro durch die
Hersteller von Bier, Wein und Spirituosen. Wobei hiermit noch lange
nicht alle Branchen abgedeckt sind; es fehlen beispielsweise Banken und
Versicherungen, oder die Automobilhersteller, um nur einige zu nennen.
Die dem Tabakwerbeverbot ablehnend gegenüber stehenden
Zeitschriftenverleger sehen nun kein gutes Vorzeichen für den Ausgang
des Gerichtsverfahrens. Sie halten es für voreilig, dass die
Bundesregierung nun das genannte Gesetzgebungsverfahren vorantreibt,
obwohl die Klage noch nicht entschieden ist. Der Werbeverband hofft nun
weiter auf den tabakdrogenabhängigen Bundeskanzler, der im September
auf dem Zeitungsverlegerkongress "seinen Widerstand gegen Werbeverbote
bekräftigt habe".
Zum Glück gibt es jedoch auch innerhalb der Regierung Widerstand gegen
diese Haltung. Da ein Tabakwerbeverbot ein wichtiges Signal im Kampf
gegen die Nikotinsucht darstellen würde, hätten Renate Künast und Ulla
Schmidt vermutlich wenig gegen eine Niederlage vor dem europäischen
Gerichtshof einzuwenden. Aus Gründen der so genannten
"Kabinettsdisziplin" wolle das, so die Süddeutsche Zeitung, aber keine
öffentlich aussprechen, um Clement und Schröder nicht zu verärgern.