Oder: Was unterscheidet Raucher von Hundebesitzern?
[23.06.2004/pk]
Auf den ersten Blick gibt es gewisse unangenehme Gemeinsamkeiten der
beiden Gruppen, die den Außenstehenden die Nase rümpfen lassen. Auf dem
Gehsteig oder an der Bushaltestelle erregt wohl der Hundehaufen den
größeren Ekel, als hunderte herumliegende Zigarettenkippen. Im
Sandkasten dagegen kann schon ein Zigarettenstummel für ein Kleinkind
weitaus gravierendere Folgen haben, bis hin zum Tod.
Erste Unterschiede zeigen sich aber schon in der Reaktion auf Kritik.
Wo der Hundebesitzer meist zerknirscht reagiert ("ich habe gerade
leider keine Tüte dabei...") ist Einsicht bei Tabakdrogensüchtigen
schon eher selten anzutreffen ("fanatischer militanter Nichtraucher,
kümmere Dich gefälligst um den eigenen Dreck...").
Dieser Artikel soll damit keinesfalls in Polemik gegen Raucher
abgleiten. Vielmehr geht es um die Darlegung gewisser suchtbedingter
Verhaltens- und Sichtweisen, die insbesondere dem (nicht rauchenden)
Mitmenschen den Umgang mit Nikotinsüchtigen zusätzlich erschwert (neben
der Belastung durch das Passivrauchen), aber auch die Schaffung und
Akzeptanz rauchfreier Bereiche grundsätzlich gefährdet.
Besonders in der nach wie vor heiß geführten Diskussion um Rauchverbote
in der Gastronomie, die durch entsprechende Verordnungen in Irland und
Norwegen neu angefacht wurde, gleiten die Vertreter von Tabaklobby und
Nikotinsüchtigen leider sehr schnell in Übertreibungen und stereotype
Feindbildbeschwörungen ab.
Die Gegner der Zwangsberauchung werden dann schon mal von einer Zeitung
(Frankfurter Rundschau) als "EU-Gesundheitsnazis" beschimpft. Besonders
häufig werden aber auch Rauchverbote als Ausschluss aller Raucher
interpretiert. Beispielsweise schreibt die Sächsische Zeitung
über ein rauchfreies Café in Dresden: "dort müssen Raucher ganz draußen
bleiben". Selbst eine renommierte Zeitung wie "Die Welt" betitelte
ihren Artikel zum Rauchverbot in Norwegen: "Raucher müssen draußen bleiben".
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) veröffentlichte ihren
Artikel zum Rauchverbot in Irland mit der Schlagzeile "Wir müssen draußen
bleiben". Ins gleiche Horn stößt die Rhein-Post mit ihrem Artikel
"Irish-Pubs: Raucher müssen draußen bleiben". Die Hannoversche Allgemeine
Zeitung reiht sich hier trotz eines positiven Titels nahtlos ein
mit ihrem Zitat: "Ab sofort gibt es keinen Platz mehr für Raucher in
Pubs, Klubs, Restaurants und sonstigen öffentlichen Räumen Irlands".
Über soviel Dummheit und Unverständnis kann man eigentlich nur noch den
Kopf schütteln. Jedem Hundebesitzer ist klar: wenn an der Tür seines
Metzgereifachgeschäfts ein Aufkleber "Hundeverbot" klebt, dann muss er
halt seinen Hund für die Dauer des Aufenthalts im Laden draußen
anleinen. Kein Hundehalter käme auf die absurde Idee, dass er den Laden
nicht betreten darf, nur weil er ein Hundefreund ist. Aber die elitäre
Spezies der Raucher ist offensichtlich einfach "anders". Sie
interpretiert einen Aufkleber "Rauchverbot" als etwas wie ein
Ladenverbot (von häufig anzutreffenden Ausdrücken wie
"Freiheitsberaubung" u.ä. einmal gar nicht zu sprechen) und damit als
persönlichen Angriff. Warum ist es denn so schwer zu verstehen, dass
ein Rauchverbotsschild nur bedeutet, dass eben die Kippe einmal
ausbleibt?
Es ist in der Realität tatsächlich eine Diskriminierung zu beobachten -
benachteiligt sind jedoch keineswegs die (zu Unrecht jammernden)
Raucher. Wer sich keinem Tabakqualm aussetzen will oder kann, dem
bleibt beispielsweise der Zutritt zur Gastronomie auf Grund fehlender
Angebote verwehrt. Zehn Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter
Atemwegserkrankungen, und haben hier keine Wahl. Aber die armen Raucher
stimmen ein großes Wehklagen an, und fühlen sich vollkommen
ausgeschlossen, wenn sie ein Restaurant nur ohne brennende Kippe
betreten dürfen. Soviel zur verzerrten Wahrnehmung von Nikotinsüchtigen.
Wichtig ist, sich nicht vor diesen Karren der Hetzpropagandisten spannen
lassen. Wer sich ernsthaft um eine Verbesserung des Schutzes vor dem
Passivrauchen bemüht, der sollte tunlichst darauf achten,
diese heimtückische Wortwahl keinesfalls zu übernehmen. Derart
subtile Manipulationen sind der erste Griff in die Trickkiste der
Verunglimpfung von gesundheitsbewussten Menschen. Die Devise lautet:
"Wir treten für Gesundheit und für rauchfreie Atemluft ein,
nicht gegen Raucher! Wir betreiben keine so genannten Anti-Raucher-Kampagnen,
sondern kämpfen gegen den giftigen und stinkenden Tabakrauch!"
Hier ist es leider auch der reißerischen Aufmachung der "freien" und
"verantwortungsvollen" Medien zu verdanken, dass die Bemühungen zum
Schutz vor dem Zwangsmitrauchen von so manchem Raucher bereits als
"Hetzjagd gegen Raucher" oder einer "nazi-ähnlichen Verfolgung"
betrachtet werden. Selbst diejenigen Zeitungen, die ansonsten noch
relativ vernünftig über die neue rauchfreie Gastronomie berichteten,
haben sich hier beileibe nicht mit Ruhm bekleckert.
Es werden also leider noch viele Leserbriefe und Protestaktionen von
Nöten sein, unserer Presse etwas mehr Verantwortung beizubringen, und
ihr die Leviten in Bezug auf sachliche und neutrale Berichterstattung
zu lesen. Es gibt viel zu tun. Packen wir's an...