[08.06.2004/ls]
Aus Helgoland, einem Paradies für Nikotinsüchtige, berichtete die
Kölnische Rundschau vor einigen Tagen über Probleme bei der Umsetzung
des EU-Rechts in Bezug auf die Kennzeichnungspflicht von Tabakwaren.
Auf Helgoland dürfen Zigaretten zollfrei gehandelt werden, da die Insel
auf Grund ihrer exponierten Lage etwa 70 Kilometer vor dem deutschen
Festland einen Sonderstatus genießt. Dieser Sonderstatus, den die
örtlichen Duty-Free-Tabakwarenhändler schamlos zu ihrem Vorteil
ausnutzten, geht sogar so weit, dass die Insel an Stelle der
Tabaksteuer eine so genannte "Gemeindeeinfuhrsteuer" erheben darf, die
direkt in den Inselhaushalt wandert. Damit fällt sowohl die gewünschte
Lenkungswirkung, als auch die Abgabe eines entsprechenden Anteils für
das Bundesgesundheitsministeriums weg.
Die Kölnische Rundschau schreibt: "Helgoland ist ein Raucher-Dorado.
Der Tabak-Verkauf steht dort gewissermaßen unter staatlichem Schutz."
Problematisch wird nun für die Insulaner, dass nun selbst für sie die
Übergangsfrist am 30. Juni 2004 abläuft, nach der sie Restbestände an
Tabakwaren ohne die vorgeschriebenen Warnhinweise verkaufen dürfen.
Die EU-Verordnung sieht vor, dass die Warnhinweise auf den
Zigarettenpackungen in der jeweiligen Landessprache angebracht sein
müssen. Unabhängig von ihrem steuerlichen Sonderstatus ist die Insel
jedoch ein Teil der Bundesrepublik Deutschland, weshalb deutsche
Warnhinweise zwingend vorgeschrieben sind.
Auf einem derart lukrativen Markt ist natürlich die - in Deutschland
ohnehin sehr starke Tabaklobby - besonders agil. So setzte sich der
CDU-Bundestagsabgeordnete Ole Schröder für eine Sondergenehmigung für
"seine" Insel in Szene. Er forderte das Bundesministerium für
Verbraucherschutz auf, auch den Verkauf von Schachteln mit
Warnhinweisen in anderen Sprachen zu genehmigen, solange es nur
irgendwo im Verkaufsraum eine Übersetzung ins Deutsche gäbe.
Glücklicher Weise folgte das Verbraucherschutzministerium jedoch der
EU-Vorgabe, nach der das so genannte Bestimmungslandprinzip keine
Ausnahmen in einzelnen Mitgliedsstaaten erlaube.
Die großen Tabakkonzerne produzieren ihre gefährliche Ware für den
Duty-Free-Weltmarkt zentral. Damit können die meisten ihrer
Zwischenhändler keine Duty-Free-Glimmstängel mit deutschen
Wanrhinweisen liefern. Wahrscheinlich bleiben deshalb nach letztendlich
vollständiger Umsetzung der Richtlinie nur noch 28 der ursprünglich 170
Tabaksorten auf dem Inselmarkt verfügbar. Schätzungen gehen davon aus,
dass auch der Umsatz mit Tabakdrogen auf der Insel zurück geht.
Auch ein kleiner Erfolg im Kampf gegen die weit verbreitete Nikotindrogensucht.
Drängt sich nur noch die Frage auf, ob die internationale
Tabakindustrie auch die Ware für den Schmuggel zentral organisiert?
Erste Hinweise darauf gab bereits letztes Jahr die Aufnahme eines
Ermittlungsverfahrens gegen den Reemtsma-Vorstand, das im Zusammenhang
mit der Festnahme eines Großschmugglers steht. Bei den Ermittlungen
geht es um den Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung
und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit
unversteuerten Zigaretten. Reemtsma soll auch Zigaretten in den Irak
geliefert und damit gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben.