[11.12.2003/pk]
Die deutsche Presse berichtet bekanntermaßen sehr unzureichend über die
Maßnahmen im Kampf gegen die Tabakdrogensucht. Auch in Sachen
Berichterstattung bezüglich der Entscheidungen des EU-Parlaments muss
sich die deutsche Presse zu Recht Ignoranz vorwerfen lassen. Kommt dann
gar beides zusammen, so herrscht tiefstes Schweigen im Walde.
Einzig die Financial Times Deutschland berichtete von der bereits am
20. November 2003 verabschiedeten Richtlinie, die ein Verbot der
Zigarettenwerbung ab Juli 2005 in Zeitungen, im Internet und bei
internationalen Sportveranstaltungen vorsieht.
Der Gesundheitskommissar der EU, David Byrne, kommentierte diese Entscheidung
mit den Worten Die Abgeordneten haben trotz des Rauchs, der in der Luft
lag, einen klaren Kopf behalten. Dieser Beschluss sende ein
klares Zeichen an die Tabakindustrie.
Mit diesem Beschluss stellte sich Byrne's Erfolg im zweiten
Anlauf ein; die erste Richtlinie war auf Grund der deutschen Klage
gegen das Tabakwerbeverbot, die auch von einer Tabakfirma unterstützt
wurde, vom Europäischen Gerichtshof aufgehoben worden.
SmokeFreeLiving berichtete hierzu in mehreren Artikeln: "Klage gegen
EU-Tabakwerbeverbot eingereicht", einem Nachtrag zu diesem Artikel, sowie dem
Bericht "Aktionsbündnis Nichtrauchen gegen die Klage der Bundesregierung".
Einige Lobbyisten der Tabakmafia, unter anderem der deutsche
CDU-Parlamentarier Kurt Lechner, hatten zuvor versucht, die Richtlinie
mit Ergänzungsanträgen abzumildern. Das Europäische Parlament konnte
jedoch dem starken Druck widerstehen, wies 24 der 26 Änderungsvorschläge
zurück, und bewahrte damit die Grundzüge des Entwurfs.
Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament hingegen war und ist
auf der Seite der Vernunft und der Gesundheit. Deren Sprecher begrüßte
das Ergebnis nicht nur als Sieg für die öffentliche Gesundheit, sondern auch
für den Wettbewerb. Er äußerte weiterhin zu dieser Entscheidung: Die
Richtlinie ist ein wichtiger Schritt, um Verzerrungen des gemeinsamen
Markts und unfairen Wettbewerbsbedingungen zwischen den EU-Staaten ein
Ende zu setzen. Schließlich wäre es nicht gerecht, wenn in
Deutschland der Tabakindustrie Anzeigen in Zeitungen noch erlaubt
seien, in anderen Ländern jedoch wesentlich restriktivere
Werbeeinschränkungen (die ja insbesondere dem Schutz der Jugend dienen)
hinzunehmen wären.
Die Financial Times Deutschland beendete ihren interessanten Artikel mit den
Worten Byrne sagte am Dienstag, er gehe davon aus, dass die Richtlinie Anfang
Dezember vom Ministerrat verabschiedet werde. Er habe große
Unterstützung von Seiten der EU-Mitglieder erfahren. Selbst wenn ein
Land gegen die Richtlinie stimme, reiche die vorhandene Mehrheit aus,
um die Richtlinie endgültig zu beschließen. Sie könne dann ab 2003 in
Kraft treten. Die EU-Regierungen hätten dann zwei Jahre Zeit um die
Brüsseler Bestimmungen in nationalen Gesetzen umzusetzen. Ohne
Deutschland beim Namen zu nennen, rechnet Byrne auch weiter mit dem
Widerstand Berlins. Hinter vorgehaltener Hand sagen Kommissions-Beamte
in Brüssel, die Tabakindustrie habe in der deutschen Hauptstadt einen
größeren Einfluss als in anderen EU-Staaten.
Bleibt nur noch anzumerken, dass die "Bremser" in unserem Lande nicht
nur in den so genannten christlichen Oppositionsparteien sitzen (wie
beispielsweise Lechner), sondern auch in Regierungskreisen.